Fusionen 2011

IT-Tester stehen vor einem Mammutprogramm

20.04.2011 von Lars Hinrichsen
Mehr als die Hälfte der Fusionen scheitern. Damit IT-Systeme nach einer Übernahmen oder Entflechtung fehlerfrei funktionieren, sind Tests unverzichtbar, erklärt Lars Hinrichsen von Steria Mummert.
Lars Hinrichsen ist Senior Manager im Bereich Test Management & Quality Assurance bei Steria Mummert Consulting.
Foto: Steria Mummert Consulting

Bei IT-Testern und Qualitätsprüfern herrscht 2011 und darüber hinaus Hochbetrieb. Der Grund liegt in dem sich weiter drehende Fusionskarussell. Mega-Merger internationaler Finanzmarktplätze sowie angedachte Zusammenschlüsse gesetzlicher Krankenkassen bedeuten in der Regel das gleichzeitige Verschmelzen der IT-Systeme.

In diesen Wochen werden die Rechner- und Softwaresysteme deutschen Großbanken Commerzbank und Dresdner Bank zusammengeschaltet. Das reibungslose Funktionieren der Software A in Haus B ist ein zentraler Faktor, ob die Fusion gelingt oder floppt.

Mehr als die Hälfte der Firmenzusammenschlüsse scheitern, und häufig ist genau die IT-Integration der Knackpunkt. Der Grund: Die gemeinsame IT-Welt muss ab Tag Eins des neuen Unternehmens aufeinander abgestimmt sein und einwandfrei funktionieren. Für die Integration haben Unternehmen nur einen Versuch. Die technische Fusion birgt somit ein großes Risiko und ist mit erheblichem Zusatzaufwand verbunden.

Da die IT-Umstellungen auf Anhieb funktionieren müssen, sind vorlagerte Tests umso wichtiger. Andernfalls bekommt das Firmenimage erhebliche Schrammen. Kunden akzeptieren temporäre Einschränkungen im Service und bei Produkten nur, wenn hinterher alles problemlos läuft.

Beispiel Commerzbank: Um die elf Millionen Kunden der Dresdner Bank und der alten Commerzbank auf eine gemeinsame technische Plattform zu hieven, kam es für das Institut darauf an, etwaige Unannehmlichkeiten für die Kunden durch die IT-Migration so kurz wie möglich zu halten. Die Verantwortlichen begrenzen die Zeitspanne auf nur sechs Tage, in denen Kunden Service-Einschränkungen für Bankgeschäfte am Telefon, im Internet sowie an den SB-Terminal in Kauf nehmen müssen. Die übrigen Geschäftsbereiche der Bank sind nicht betroffen.

IT-Tests dürfen nicht dem Zeitdruck zum Opfer fallen

Ein derartig kurzes Zeitfenster wie bei der Commerzbank ist nur einzuhalten, wenn vorher alle Details des IT-Mergers haargenau vorbereitet wurden. Dazu gehört ein genauer Masterplan, welche IT-Teile wann und durch wen migriert und vor allem ausgiebig auf Herz und Nieren geprüft werden sollen. Tests müssen frühzeitig in die Planung eingebaut werden. Nachträgliches Beseitigen von Fehlern ist um ein Vielfaches teurer als eine frühe Fehlerkorrektur. Zudem steht üblicherweise nach der Migration für das Testen weniger Budget zur Verfügung als noch während der Einführung.

Gleichzeitig muss es meistens mit reduziertem oder verändertem Personal durchgeführt werden, da die Mitarbeiter der Projektorganisation aus dem Testbetrieb abgezogen werden und die Betriebsorganisation eine kleinere Mannschaft übernimmt. Und der Spielraum für Fehler ist bei derart sensiblen Projekten minimal.

Wenn es nach der IT-Umstellung weiterhin zu Störungen im Geschäftsbetrieb kommt, steigt das Risiko, dass Kunden unzufrieden werden und abwandern, rapide an. Darüber hinaus geraten so die angepeilten Fusionsziele in Gefahr, beispielsweise wenn sich Synergieeffekte erst mit Verspätung einstellen, weil die IT-Umstellung aufgrund von Nacharbeiten teurer wird als vorher veranschlagt.

Testvolumen steigt bei Entflechtungen genauso wie bei Fusionen

Das Testaufkommen und der Planungsaufwand schnellen übrigens nicht nur bei Unternehmens-Zusammenschlüssen stark in die Höhe. Bei Entflechtungen erwarten die IT-Abteilungen 2011 ähnlich große Herausforderungen wie bei IT-Fusionen. Die Energieversorger sind beispielsweise dabei, die gesetzlich vorgeschriebene Trennung von Energieerzeugung und der dazugehörigen Energienetze umzusetzen.

Dazu ist es erforderlich, auch die IT-Systeme von einander abzukoppeln. Auch hier entstehen enorme Testaufwände, um sicherzustellen, dass die Technik nach der Umsetzung den gesetzlichen Anforderungen genügt und gleichzeitig der Geschäftsbetrieb der Energieversorger genauso reibungslos funktioniert wie vor dem Unbundling-Prozess.

Nicht bei der Teststrategie sparen

Damit die IT-Systeme nach der Fusion oder Entflechtung fehlerfrei funktionieren und vor allem so, wie am Reißbrett entworfen, sind fundierte Tests unverzichtbar. Unternehmen sind allerdings stark daran interessiert, Testläufe und -umfang so einfach wie möglich zu halten. Hierfür gibt es Methoden, das Testen so zu organisieren, dass die IT-Integration schneller durchgeführt werden kann und die Fusionskasse schont.

Die Mehrheit der Unternehmen verwendet beispielsweise immer noch viel Kraft in die manuelle Ausführung von Softwaretests. Etwa drei Viertel der Testaufwände in Unternehmen entfallen heute auf die manuell und oftmals regelmäßig wiederholte Durchführung von Funktionsüberprüfungen. Dazu kommt, dass diese Aufgaben häufig Fachspezialisten wahrnehmen. Die fehlen dann im eigentlichen Geschäftsbetrieb. Unternehmen, die sich frühzeitig Gedanken um Testverfahren, Timing und Mannschaft machen, vermeiden die Bindung von Fachexperten bei Routinetests.

Zudem setzt an diesem Punkt die Testautomatisierung an, indem Mitarbeiter von fehleranfälligen Routine- und Wiederholungstätigkeiten entlastet und den Zeit- und Personalmangel abfedert. Darüber hinausverfügen Unternehmen im Idealfall über eine gute Testfalldokumentation. Das ermöglicht ihnen, IT-Tests durch externe Mitarbeiter durchführen zu lassen.

Spezialisten springen in Test-Hochphasen ein

Unternehmen beauftragen für derart heikle Projekte wie die IT-Integration in Post-Merger-Phasen zunehmend externe Spezialisten. Der Spagat, dass die später genutzten technischen Plattformen reibungslos und nach Wunsch funktionieren, aber die dafür notwendigen Tests gleichzeitig keine Unsummen verschlingen dürfen, bereitet vielen Unternehmen Kopfzerbrechen.

Für eine komplett interne Testlösung fehlt den IT-Abteilungen schlicht das Personal. Gleichzeitig fehlt die Erfahrung, um die Projekte im Alleingang zu stemmen. Denn Fusionen und das Rückgängigmachen von Zusammenschlüssen sind kein Alltagsgeschäft und um einiges komplexer als routinemäßige Softwareumstellungen.

Testing-Dienstleister stellen sich auf Nachfrage ein

Über die Verlagerung von Testing Services an Partner mit Near- oder Offshore-Testkapazitäten sind dagegen Kostenvorteile von bis zu 50 Prozent möglich. Weitere Einsparungen können durch Prozessoptimierungen erreicht werden. Die Dienstleister stellen sich verstärkt auf die Nachfrage nach effizienten und durchdachten Testkonzepten ein und bieten zunehmend individualisierte Standardleistungen an. Dabei geht es darum, vorkonfektionierte Testlösungen parat zu halten, die von möglichst vielen Unternehmen genutzt werden.

Für einzelne Unternehmen lohnen sich eine Aufstockung und die Spezialisierung des Personals nicht. Gleiches gilt für die Nutzung von Offshore-Ressourcen oder der Einsatz von Automatisierungswerkzeugen.

Anbieter von Managed Services bündeln Aktivitäten und ermöglichen signifikante Kostensenkungen über das Gesetz der Masse. Beim Rechenzentrumsbetrieb ist das schon lange Gang und Gäbe. Die Kunden bestellen Rechenleistung und Verfügbarkeit. Die Dienstleistung Softwaretest entwickelt sich aktuell in die gleiche Richtung.

Lars Hinrichsen ist Senior Manager im Bereich Test Management & Quality Assurance bei Steria Mummert Consulting.