TUI AG

Just-in-time buchen

24.01.2006 von Andreas Schmitz
Derzeit macht der größte deutsche Tourismuskonzern TUI etwa zehn Prozent seines Umsatzes im Internet. Mit einem anfrageorientierten IT-System will Konzern-CIO Heinz Kreuzer den Online-Anteil weiter erhöhen.

Bisher plante die TUI ihre Kontingente an Flügen und Betten in Hotels einmal pro Saison, um dann relative starre Angebote für Pauschalreisende daraus zu machen – ein stagnierendes Geschäft. Ab 2007 soll das anders werden – und das Bild vom behäbigen Touristikkonzern nach und nach aus den Köpfen der Reisenden verschwinden. "Wir planen eine dynamische Auslastung unserer Kapazitäten“, erläutert Heinz Kreuzer, der jetzt als CIO des Touristik- und Schifffahrtkonzerns das entsprechende IT-System für das so genannte "dynamische Kettieren“ aussuchen muss, das sich nach der aktuellen Nachfrage richtet.

Damit hechelt TUI nun den reinen Internetanbietern Opodo und Expedia hinterher – allerdings mit einem Vorteil. Die TUI besitzt selbst tausende Reisbüros, über 100 Flugzeuge und knapp dreihundert Hotels. Expedia und Co hingegen handeln ausschließlich mit den Ressourcen der traditionellen Reiseunternehmen. Auch TUI-Konkurrent Thomas Cook aus Oberursel hat sich mit der Integration eines neuen Katalog-Management-Systems das Thema Online dick auf die Fahnen geschrieben. Kreuzer geht mit seiner "Just-in-time“-Lösung allerdings sehr weit: "Sind in einem Hotel kurzfristig mehr Betten frei als kalkuliert, dann stehen sie unseren Kunden sofort online zur Verfügung“ – Spontanität und Flexibilität eines 18 Milliarden-Umsatz-Konzerns.

Noch läuft der Auswahlprozess des entsprechenden IT-Systems. "Die zentrale Frage ist, ob wir dieses System als USP (Unique Selling Proposition = Alleinstellungsmerkmal) verstehen, oder nicht“, meint Kreuzer, der in einem Atemzug gleich fünf Standardsysteme nennt, die den Online-Verkauf abwickeln können. Die entsprechenden Systeme prüft die TUI derzeit. Die USP-Lösung sähe allerdings anders aus. Dann würde Kreuzer seine IT-Tochter TUI Infotec beauftragen, ein taugliches und auf die Anforderungen der TUI individuell zugeschnitztes System zu schaffen. Ziel ist es, das millionenschwere Projekt bereits im kommenden Jahr abzuschließen und im darauf folgenden Frühjahr 2007 "Just-In-Time“ Reisen anzubieten. "Das System ergänzt unser Pauschalangebot, ersetzt es aber nicht“, so Kreuzer, der weiß, dass derzeit etwa 80 Prozent des deutschen Umsatzes aus dem Pauschalreiseangebot stammt.

Doch nicht nur der 2005 mit 70 Prozent des Umsatzes wichtigste Pfeiler des Zwei-Säulen-Geschäfts Touristik beschäftigt Kreuzer, sondern auch der Bereich Schifffahrt, der im Dezember durch die Akquisition der kanadischen Reederei CP Ships verstärkt wurde.

Seit kurzem findet sich die Schifffahrt auch in der konzernweiten IT-Alignment-Strategie wieder, die es für den Bereich Touristik bereits seit drei Jahren gibt. "Es gibt eine konzernübergreifende Vorgehensweise“, konstatiert Kreuzer. Im sechs-köpfigen Group-IT-Board etwa sitzt auch der CIO der Schifffahrt-Tochter Hapaq-Loyd Dieter Schmidtsdorff.

Die IT-Strategie, Standardisierungen und die Einkaufsstrategie kommen darin zu Sprache. Den Einkauf bewerkstelligt die TUI inzwischen konzernweit. Und im Sinne eines einheitlichen Geschäftsabschlusses einigten sich die Verantwortlichen aus den wichtigen Quellmärkten auf Oracle Financials als Finanz- und Buchhaltungssystem. Sämtliche Geschäftsdaten führt Kreuzer derzeit mit der Software "Trace“ des Spezialisten für Finanz- und Reportingspezialisten Cartesis zusammen.

Umständlich ist allerdings, dass nicht alle 300 Tochterunternehmen Schnittstellen zu ihren lokalen Finanzsystemen gebaut haben. Kreuzer hat den ersten "Singe Instance“-Abschluss so langsam im Visier. Dann sollen sämtliche Märkte im Standard IRS ihre Daten abliefern und auch in der Lage sein, in den jeweiligen regionalen Rechnungslegungsstandards wie etwa US-Gaap oder HGB ihre Daten aufzubereiten.

Die ersten Schritte dafür sind getan – doch erst muss das Internet-Geschäft brummen. Damit sich die anvisierten Steigerungsraten auch in den Zahlen widerspiegeln und die Manager mit dem Blick auf die Single-Instance-Bilanz auch zufrieden sind.