Anwender-Rabatt für Innovationsrisiko

Kapitalmarkt entdeckt Open-Source-Start-Ups

27.01.2006 von Dorothea Friedrich
Mehr als 100 neue Open-Source-Unternehmen sind in den vergangenen zwei Jahren entstanden. Sie richten Produktentwicklung und Marketing streng an den Anforderungen ihrer Kunden aus. Es fehlen jedoch Vertriebspartnerschaften. Die Berater der Experton Group sehen eine Renaissance des Marktes, da die Investitionsbereitschaft von Venture-Kapitalgebern und großen IT-Anbietern steigt.

Der Analyse der Experton Group zufolge haben Open-Source-Firmen ihre Geschäftsmodelle und Lösungen mittlerweile klar an den Anforderungen des Marktes ausgerichtet. Ihre Geschäftsmodelle konzentrieren sich auf den kombinierten Vertrieb von Lösungen und Services.

Deren Qualität entspricht mittlerweile den üblichen Marktstandards. Zudem bieten sie Lösungen für attraktive Bereiche wie Datenbanken und Datenbank-basierte Anwendungen, Applikations- sowie Infrastruktur-Server und Sicherheit an.

Die IT-Anwender wiederum wissen, dass ein Großteil der Open-Source-Firmen seine Release-und Update-Zyklen inzwischen den branchenüblichen Standards angepasst hat und frühzeitig über Produktneuerungen und Rollouts informiert.

Eine Einschränkung im Bezug auf die Kundenorientierung der Open-Source-Anbieter gibt es jedoch: Nur wenige können bislang den Support für unternehmenskritische Lösungen über einen Zeitraum von fünf oder mehr Jahren gewährleisten.

Hier sind Kooperationen mit großen IT-Anbietern sowie langfristig orientierte Investoren gefragt. Die steigende Zahl von Installationen und Referenzen führt zu einer Stabilisierung der Open-Source-Firmen und einem schnellen Lerneffekt, so dass Experton für die kommenden zwölf bis achtzehn Monate von einer weiteren Verbesserung der angebotenen IT-Lösungen und einem höheren Kundennutzen für IT-Anwender ausgeht.

Venture-Capital für Open-Source-Firmen

Der Erwerb von Open-Source-Unternehmen durch strategische Käufer (Novell kaufte Ximian und Suse, Gluecode ging an IBM, Red Hat erwarb Netscape Enterprise Server Software) hatte positive Auswirkungen auf den gesamten Markt. Venture-Kapital-Firmen investieren verstärkt in Open Source Start Ups aus den Bereichen Datenbanken, Applikationen, Infrastruktur und Networking.

Diese Firmen zeichnen sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus, die bei den Open Source Start Ups der Jahre 1997-2001, der so genannten Generation Open Source 1.0, nur im geringen Umfang vorhanden waren. Dazu gehören:

- branchenerfahrene Management-Teams,
- enge Orientierung an Kundenanforderungen, beispielsweise im Hinblick auf kosteneffiziente Lösungen, Infrastrukturen und Integration,
- frühzeitige Kooperationen mit strategischen Partnern,
- professionelles Produkt-Management. Dazu zählt Experton eine abgestimmte Release-Politik, die Integration der eigenen Software in marktbeherrschende Lösungen oder Plattformen sowie umfangreiche Service- und Supportangebote,
- auf Wachstum ausgelegte Finanzierung durch Venture Capital-Firmen

Preis- und Technologie-Vorteile

Die Venture-finanzierten Unternehmen verfügen nach Ansicht von Carlo Velten, Senior Advisor der Experton Group, gegenüber ihren etablierten Wettbewerbern nicht nur über Preis-, sondern oft auch über technologische Vorteile.

Die könnten sie allerdings erst bei der Skalierung ihres Geschäftes voll ausspielen. Gemessen an Marktvolumen und den -anteilen sind die Start Ups noch "Nischenplayer". Doch könnten sie wegen ihrer Dynamik in den kommenden zwölf bis 18 Monaten eine wichtige Rolle im Open-Source-Geschäft übernehmen.

Für innovative und risikobereite IT-Anwender - speziell im Segment der Top-500- sieht Velten im Angebot der neuen Open-Source-Firmen eine attraktive Alternative zu traditionellen Datenbanken und Applikationen.

Dabei bürgt nach seiner Meinung die Venture-Finanzierung in den meisten Fällen für eine mittelfristig stabile Unternehmensentwicklung und finanzielle Solidität. Die Finanzierungszeiträume entsprechen in etwa dem Investitions- und Abschreibungszyklus der eingesetzten Technologien beim Kunden. Das führt zu einer Reduzierung des Risikos auf Anwenderseite.

Demnach sind die Open-Source-Firmen der Generation "Open Source 2.0" ein verlässlicher Partner für große IT-Anwender-Unternehmen. Allerdings schließt Experton "spekulative Entwicklungen" nicht aus. Ein Grund ist, dass sich die Bewertungen der ersten Finanzierungsrunden schon auf einem hohen Niveau befinden.

Zudem ziehen die Pionier-Investitionen von Top-Venture-Kapital-Firmen weitere Investmentaktivitäten nach sich, deren Deal- und Management-Qualitäten eher schwach ausgeprägt sind.

Innerhalb der vergangenen 24 Monate wurden nach Experton-Schätzung weltweit rund 300 Millionen US-Dollar in die Erst- und Zweitrundenfinanzierung von Open Source Start Ups investiert. Dieses Investitionsvolumen soll in den kommenden zwei Jahren auf rund 500 Millionen Dollar steigen. Schwerpunkt ist der nordamerikanische Markt.

Partner gesucht

Eine zentrale Herausforderung für die Newcomer bleibt die Suche nach starken Vertriebs- und Channel-Partnern. Auch wenn sich Generation-2.0-Unternehmen derzeit stark auf strategische Partnerschaften konzentrieren und mit renommierten Anbietern wie IBM, Dell, HP und Oracle kooperieren, fehlt ihnen noch der flächendeckende Vertrieb ihrer Produkte über Partner. Dessen Aufbau und Management entscheiden langfristig über den Erfolg der Newcomer und ihrer Geschäftsmodelle.

Ein attraktiver Anreiz für potenzielle Partner ist die Preisgestaltung. Laut Experton müssen sich künftig die Preise für Open-Source-basierte Lösungen und Services dem Marktniveau annähern. Derzeit können Anwender noch von erheblichen Abschlägen ausgehen, wenn sie bereit sind, das Innovationsrisiko zu tragen.

Open-Source-Firmen müssen ihre Partner aktiv unterstützen, um deren Pre-Sales-Aufwand zu reduzieren und den Sales-Zyklus pro Kunde zu verkürzen. Nur attraktive Provisions- und Anreizsysteme sowie professionelle Vertriebsunterstützung im Hinblick auf Kundennutzen und Wirtschaftlicheit können zu langfristigen und profitablen Partnerschaften führen.

Investitionsentscheidungen pro Open-Source fallen nicht mehr aus ideellen Beweggründen. Mittlerweile werden alle Investitionen primär nach den Kriterien Wirtschaftlichkeit und Kundennutzen beurteilt.

In dem Beitrag "Open Source 2.0: Venture Capital Hype – oder langfristiges Wachstum analysiert die Experton Group den aktuellen Open-Source-Anbietermarkt.