Wie Gates und Zuckerberg

Karriere-Tipps für Introvertierte

27.12.2016 von Andrea König
Ratschläge für leise Menschen von der Buchautorin Sylvia Löhken für die Karriere, Bewerbungen, Verhalten in Meetings und Mitarbeiterführung für leise Menschen.

CIO.de: Frau Löhken, Sie haben ein Buch über leise Menschen geschrieben. Was genau verstehen Sie unter einem leisen Menschen?

Buchautorin Sylvia Löhken: “Introvertierte sind die besseren Chefs, wenn ihr Team aus proaktiven Mitarbeitern besteht.“
Foto: Sylvia Löhken

Sylvia Löhken: Es ist eine Umschreibung für eine introvertierte Person. Fast die Hälfte aller Menschen ist leise. Hätte ich bereits im Titel von Introvertierten gesprochen, wäre das sicher bei einigen falsch angekommen, denn bei diesem Begriff schwingt häufig etwas Negatives mit. Das geht weit zurück. Schon Freud hat Extrovertierte fälschlicherweise als lebenstüchtiger bezeichnet.

CIO.de: Introvertierte kämpfen häufig mit dem Vorwurf, sie seien zu schüchtern. Ist das berechtigt?

Sylvia Löhken: Introvertiert bedeutet zunächst einmal "von innen heraus". Leise Menschen denken viel und gern über Dinge nach, das macht sie aber nicht automatisch zu schüchternen Menschen. Schüchtern bedeutet, dass man Angst vor sozialen Kontakten hat. Tatsächlich sollen 20 bis 30 Prozent der Extrovertierten schüchtern sein, fast jeder dritte Extrovertierte gehört zur Gruppe der Hochsensiblen. Auch die Hochsensibilität ist eine Eigenschaft, die in der öffentlichen Meinung häufig Introvertierten zugerechnet wird.

CIO.de: Kann man sich denn als leiser Mensch treu bleiben und trotzdem Karriere machen?

Sylvia Löhken: Absolut. Es geht hier auf keinen Fall um die Frage, wie man Karriere machen kann, obwohl man introvertiert ist. Wenn leise Menschen ihre Stärken gezielt einsetzen, können sie sehr erfolgreich sein. Barack Obama und Angela Merkel sind Beispiele für leise Politiker. Im Technologiebereich stehen leise Menschen wie Bill Gates und Mark Zuckerberg ganz oben.

CIO.de: Gibt es empirische Belege für den Erfolg leiser Chefs?

Sylvia Löhken: Drei US-Forscher haben 2011 Studienergebnisse veröffentlicht. Demnach sind Introvertierte die besseren Chefs, wenn ihr Team aus proaktiven Mitarbeitern besteht. Denn gerade eigenständige, selbstverantwortliche Mitarbeiter sind von bestimmten typischen Eigenschaften extrovertierter Chefs schnell frustriert. Bei Introvertierten finden sie eher Gestaltungsspielraum und fühlen sich wahrgenommen.

"Leise Menschen - starke Wirkung" von Sylvia Löhken ist im Gabal Verlag erschienen, 285 Seiten, 24,90 Euro.
Foto: Sylvia Löhken

CIO.de: Kontakte sind unverzichtbar für die Karriere. Müssen leise Menschen sich zu Small Talk und Netzwerkpflege zwingen?

Sylvia Löhken: Wer vorwärts kommen will, braucht Kontakte. Schwänzt man eine Veranstaltung aus Unbehagen, verpasst man vielleicht etwas Wichtiges. Vor Terminen und Veranstaltungen würde ich mir meine Ziele als leiser Mensch allerdings genau überlegen. Vielleicht möchte ich dort bestimmte Menschen kennenlernen oder mit bereits bekannten Personen ein längeres Gespräch führen. Damit der Termin nicht zur Belastung wird, sollte man ihn vorher genau planen, sich zum Mittagessen oder auf einen Kaffee verabreden oder einen Bekannten darum bitten, einem den Wunschkontakt vorzustellen. So kommt es erst gar nicht zur unbehaglichen Situation, mit einem Sektglas in der Hand allein in einem Raum voller Fremder zu stehen.

Wie Introvertierte bei der Bewerbung punkten

CIO.de: Was raten Sie leisen Menschen für ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch?

Sylvia Löhken: Man sollte sich immer auf die eigenen Stärken besinnen. IT-Experten etwa sollten im Bewerbungsgespräch gezielt signalisieren, dass sie ausgezeichnete Problemlöser sind und dies mit Qualifikationen und Beispielsituationen belegen. Gerade bei der Gehaltsverhandlung können leise Menschen punkten. Denn sie sind meist beharrlich, einfühlsam und können besonders gut zuhören. Diese Kombination macht sie zu einem starken Verhandlungspartner.

CIO.de: Wie können leise Menschen in Meetings punkten?

Sylvia Löhken: Auch hier ist die Planung die halbe Miete und gibt Introvertierten die notwendige Sicherheit. Sichtbar ist in Meetings nur, wer sich äußert. Wer schweigt, kann seine sachlichen Anliegen nicht vorbringen und bei seinem Vorgesetzten auch nicht positiv auffallen. Vor einem Meeting sollte man sich genau überlegen, was man sagen möchte und diese Gedanken auf den Punkt bringen. Denn ein häufiger Fehler von Introvertierten ist, dass sie zu Kleinteiligkeit neigen. Beim Sprechen sollte man außerdem darauf achten, nicht zu schnell oder zu leise zu sein.

CIO.de: Wie reagiert man auf spontane Ereignisse?

Sylvia Löhken: Fasst etwa ein Kollege das gerade Gesagte noch einmal knackig zusammen, so versucht er, das Statement quasi zu klauen - wenn man das zulässt. In so einer Situation müssen leise Menschen unbedingt noch einmal nachsetzen, zum Beispiel mit dem folgenden Satz: "Danke, dass Du hier meiner Meinung bist. Folgendes ist dabei besonders wichtig: ..." Auch auf Angriffe in einem Meeting sollte man vorbereitet sein. Wirft einem ein Kollege zum Beispiel vor, dass die vorgelegten Zahlen doch überhaupt nicht richtig wären, sollte man diesen Vorwurf mit einer sachlichen Nachfrage rasch auf die Faktenebene zurückholen: "Auf welche Zahlen beziehst Du Dich?" Wer bestimmte Regeln und Rituale kennt, kann auch als leiser Mensch Meetings souverän meistern.

CIO.de: Was gehört noch zu einem erfolgreichen Meeting?

Sylvia Löhken: Leise Menschen bedenken oft nicht, dass wichtige Entscheidungen in Meetings meist nur noch formell abgesegnet werden. Besprochen werden die wirklich relevanten Themen oft schon vor den öffentlichen, ritualisieren Treffen. Auch die leisen Menschen sollten üben, vor einem Meeting Kontakt zu den Entscheidungsträgern aufzunehmen und die Entscheidung in ihrem Sinn zu beeinflussen. Gerade in diesen kleineren Runden können Introvertierte ihre Stärken einsetzen.

CIO.de: Führungskräfte müssen sich nicht nur um sich kümmern, sondern auch um ihre Mitarbeiter. Wie fördert man als Chef introvertierte Angestellte?

Sylvia Löhken: Leise Menschen stehen für Stabilität und Solidität - und sie brauchen auch ein gewisses Maß an Sicherheit, um sich wohlzufühlen. Ein Vorgesetzter kann für diese Sicherheit zum Beispiel dadurch sorgen, dass er seinen introvertierten Mitarbeitern zu verstehen gibt, dass sie nicht bei jedem Fehler um ihren Job bangen müssen. Introvertierte fühlen sich sicher und können Erstaunliches leisten, wenn ihre Führungskraft ihnen eine Aufgabe zutraut und ihnen dabei Unterstützung zukommen lässt.

Sicherheit gibt man leisen Menschen auch dadurch, indem man darauf achtet, dass die Kommunikation im Team immer offen und ehrlich ist und sich nach fairen Regeln vollzieht. Leise Menschen stehen für Sicherheit, ethische Prinzipien, Beharrlichkeit und Gewissenhaftigkeit. In zahlreichen Bereichen - etwa an den Finanzmärkten oder im Cockpit eines Flugzeugs - wäre es für viele Menschen sicher beruhigend, wenn Introvertierte die letzten Entscheidungen treffen.

Wie Chefs introvertierte Angestellte fördern

Ob man selbst zu den leisen Menschen zählt, kann man mit diesem Online-Test herausfinden.

Sylvia Löhken war nach mehrjähriger Lehr- und Forschungstätigkeit zehn Jahre lang für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in verschiedenen leitenden Positionen in Deutschland und Japan tätig. Seit 2003 coacht und trainiert sie Fach- und Führungskräfte mit wissenschaftlichem, administrativem oder IT-Hintergrund, die ihre kommunikative Kompetenz verbessern wollen. Ihr Buch Leise Menschen - starke Wirkung: Wie Sie Präsenz zeigen und Gehör finden ist im Gabal Verlag erschienen.