Erhebliche Kosteneinsparungen gegenüber Microsoft-Anwendung

Karstadt migriert auf Linux

30.11.2007 von Riem Sarsam
Mitte dieses Jahres hat die Karstadt Warenhaus GmbH die Umstellung auf eine Linux-Plattform für ihre Filialen abgeschlossen. Der Startschuss für das Projekt "neue Filialinfrastruktur" fiel 2003. Ziel war es, eine standardisierte Plattform für eine durchgängige Unterstützung der Filial-Prozesse zu schaffen. Neben der Migration auf das offene Betriebssystem Linux entschieden sich die Verantwortlichen außerdem für den Einsatz von Staroffice als Bürokommunikationslösung.
Ein Karstadt-Warenhaus.

Der Einsatz von Open-Source-Lösungen ist Teil der IT-Strategie. Die Suche nach einem entsprechenden System stand daher auch bei den Überlegungen für eine neue Plattform der Abläufe in den Filialen auf der Agenda. Vorausgegangen war die Feststellung, dass die bestehende heterogene Server- und Endgeräte-Landschaft mit 3.270 Terminals und Windows Terminal Server auf Grundlage von Windows NT 4 den zukünftigen Anforderungen des Verkaufs nicht mehr genügen würde. Hinzu kamen zahlreiche Legacy-Anwendungen auf diversen Plattformen. "Uns wurde schnell klar, dass der Filialbereich und dabei insbesondere das Kassenumfeld eine ideale Grundlage bot, um unsere Vision optimierter Prozesse, eines einheitlichen 'look and feel' sowie erhöhter Modularität und reduzierter Kosten in die Tat umzusetzen", sagt Axel Nientimp, Abteilung IT-Organisation bei der Karstadt Warenhaus GmbH.

Konkret ging es darum Abläufe wie Bestellungen und Wareneingangsprüfung oder die Tagesabrechnungen für sämtliche Filialen einheitlich zu gestalten. Außerdem sollten die Anwendungen leichter zu nutzen sein. Letztlich spart das Unternehmen Betriebskosten, neue Mitarbeiter können sich schneller einarbeiten und der Personalwechsel zwischen den einzelnen Geschäften wird erleichtert.

Im Jahr 2003 trafen die Verantwortlichen die wichtigsten strategischen Entscheidungen: Web-basierte Anwendungen, Linux als durchgängiges Betriebssystem, Thin-Client- und Terminal-Server-Technologie als Infrastruktur. Aufgrund der Kostenvorteile, eine dezentrale Architektur für hohe Verfügbarkeit und eine Stufenplanung für eine sanfte Migration unter Einbeziehung der Mitarbeiter. "Insbesondere bei den Überlegungen zu den künftigen Benutzern war uns klar, dass wir sehr gut vorbereitet zu sein hatten und behutsam vorgehen mussten. Ein 'big bang' hätte das Projekt sicher negativ beeinflusst", so Nientimp. Veränderungen seien immer eine Herausforderung für die Mitarbeiter, ergänzt Peter Ebsen, verantwortlicher Projektleiter auf Seiten des IT-Dienstleisters EDS Itellium: "Denn natürlich verschwinden mit einer Umstellung gewohnte Features, vertraute Pfade werden verlassen."

Die Einführung einer neuen Client-Plattform in den Karstadt-Filialen forderte die Integration zentraler Anwendungen wie Intranet und SAP, externer Anwendungen (Lieferanten-Bestellsysteme oder Internet) sowie dezentraler Aufgaben (etwa Preis- und Bestands-Pflege). Darüber hinaus musste die Bürokommunikation durch Mail- und Office-Lösungen unterstützt werden. Im Zuge der Linux-Migration war die Entscheidung für Star Office gefallen, in der Konzernzentrale hingegen wird nach wie vor mit Microsoft-Produkten gearbeitet. "Der parallele Betrieb der beiden Office-Welten konnte erfolgreich organisiert werden", so Ebsen.

Getreu der Vorgehensweise "testen - pilotieren - testen", die sich bereits bei der Hardware-Einführung als der richtige Weg herausgestellt hatte, entwickelte EDS Itellium einen detaillierten Migrations- und Rollout-Plan sowie ein umfassendes Schulungskonzept, das den unterschiedlichen Kenntnisstand der Mitarbeiter und mögliche Vorbehalte der "power user" berücksichtigte. Dies waren Mitarbeiter, die relativ viel mit Dokumenten arbeiteten, beispielsweise die Filialleiter.

Nachdem die Anwendungen in einer Pilot-Filiale erfolgreich in Betrieb genommen wurden, fasste man die hier gesammelten Erfahrungen zusammen und ließ sie in die nächsten Schritte einfließen. Hilfreich war beispielsweise neben der klassischen Präsenzschulung auch ein E-Learning-System anzubieten. Hier finden die Mitarbeiter Lernstoff zu einzelnen Aufgaben, der in kleine Einheiten aufgeteilt war. Wer nicht mehr weiß, wie beispielsweise die Passwortänderung funktioniert, kann dies anhand einer dreiminütigen Online-Schulung nachholen. Dieses ergänzende Angebot wertet Projektleiter Ebsen als einen der wesentlichen Erfolgsbausteine hin zur Akzeptanz des neuen Systems.

Überraschend war in diesem Zusammenhang, dass ein nur kleiner Teilbereich der Umstellung - das Gestalten und Produzieren der Preisschilder - die Sympathie für das neue System bei den Karstadt-Mitarbeitern förderte. Die Preisschilder, die über den einzelnen Warenauslagen angebracht sind, wurden ursprünglich mit einer proprietären Lösung erstellt. Diese war nicht besonders flexibel, und sie ließ sich nur von jenen Mitarbeitern schnell handhaben, die schon lange damit arbeiteten. Durch die Anbindung der Funktion an Star Office steht den Kollegen auf einmal nicht nur eine einfach zu bedienende Lösung zur Verfügung. Sie haben außerdem mehr Spielraum zur Gestaltung der Preisschilder in ihrer Filiale.

Seit Mitte 2007 ist Linux flächendeckend im Filialsystem von Karstadt im Einsatz. Neben 3.800 Terminal-Clients, 120 Linux-Terminal-Servern und 440 Kassenservern sind 2.500 StarOffice-Lizenzen im Einsatz. Die Vereinheitlichung der Plattform und der Frontends ist ebenso gelungen wie der Vereinfachung bei der Einführung neuer Software-Lösungen. Insbesondere erreichte das Einzelhandelsunternehmen das Ziel, das IT-Budget deutlich zu reduzieren. "Durch geringere Kosten bei Endgerätehardware und Management sowie bei der Anschaffung von Lizenzen für Betriebssystem und Office-Anwendung gelang es uns, die Betriebskosten im Vergleich zu einer Windows-Umgebung deutlich zu senken", resümiert Projektleiter Peter Ebsen.

Karstadt Warenhaus

Linuxplattform

Branche

Handel

Zeitrahmen

2003 bis 2007

Produkte

u.a. Linux Betriebssystem

Dienstleister

EDS Itellium, Lean GmbH

Umfang

gesamtes Filialnetz

Internet

www.karstadt.de