Berliner Wasserwerke - Fachbereiche und IT

Kein Wässerchen mehr getrübt

10.10.2008 von Andreas Schmitz
In den Berliner Wasserwerken gab es lange Zeit Reibungsverluste zwischen IT und Fachbereichen. Doch dann setzte CIO Gerd Klinke auf eine Idee, die ein Spin-off des Hasso Plattner Instituts entwickelt hat.

Vor acht Jahren gliederten die Berliner Wasserbetriebe ihre IT-Abteilung in die Berlinwasser Services aus. Innerhalb der Wasserbetriebe verblieben jedoch einzelne IT-Inseln - etwa die technische IT. Und es gab Reibungsverluste durch den organisatorischen Umbau: "Aufgrund der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten entstand so eine stark heterogene IT-Welt", beschreibt Gerd Klinke die Situation, die ihn vor vier Jahren als CIO erwartete.

"Es war innerhalb eines Optimierungsprojektes meine Aufgabe, diese beiden Bereiche wieder zusammenzubringen", sagt der IT-Manager. Wichtigste Änderung in der personellen Besetzung der Organisation: Klinke fungiert nicht "nur" als CIO der Wasserbetriebe, sondern auch als Chef des IT-Generaldienstleisters der Berlinwasser Gruppe, der Berlinwasser Services - und hat somit die Demand- und Supply-Zügel in seiner Hand.

"Projekte liefen relativ lange und immer wieder kamen neue Anforderungen hinzu", konstatierte Klinke, "durch die Zusatzanforderungen gab es Probleme mit Zeit und Budget." Zudem habe es "weniger gute" oder "auch mal keine" Anforderungsdokumente zu Projekten gegeben. Das sorgte immer wieder zu Missverständnissen zwischen Fachbereichen und IT.

Eine Lösung musste her. "Allein" technisch konnte die Antwort nicht sein - aber "auch". Deswegen nahm sich Klinke zunächst die Prozesse vor und montierte sie um.

Gerd Klinke, CIO Berliner Wasserwerke "Die Abstimmung zwischen Fachbereichen und IT geht heute schneller, und es gibt bei der Realisierung weniger Probleme."

Das sind etwa IT-Projekte mit einem Volumen von mehr als 100.000 Euro. Sie sind als eigene Position im Investitionsplan der Wasserbetriebe zu finden. Dazu gehört etwa der SAP-Releasewechsel oder das Projekt "strategische Initiativen" zum Kunden-Management. Gerade Letzteres steht in den Augen Klinkes stellvertretend für den neuen Weg, den die Berliner Wasserbetriebe nun beschreiten. Das Ziel des Projektes, das vor etwa anderthalb Jahren begann und kurz vor dem Abschluss steht: Kundenwissen aus unterschiedlichsten Bereichen und Systemen auf einer Oberfläche "systemübergreifend" zur Verfügung zu stellen.

Arcway: Anforderungen auf Landkarte

Um solch komplexe Sachverhalte im Vorfeld präzise im Rahmen des Anforderungs-Managements zu beschreiben, setzt der Strategiebereich ein Tool der Berliner Firma Arcway, einer Ausgründung aus dem Hasso Plattner Institut (siehe Interview rechts), ein. Es stellt die IT-Anforderungen in Landkarten als "Big Picture" dar. Dessen Geschäftsführer Frank Keller war einer der ersten Absolventen am HPI und als Zweiter (unter nun 13 Doktoren) mit seiner Promotion fertig. Hier beschäftigte er sich mit der Modellierung softwareintensiver Systeme.

"Einzelne Projekte mit Schnittstellen und Systemabhängigkeiten passen in Übersichtsbildern auf eine Seite", sagt Klinke, "von dort kann man sich detailllierter in Teilprojekte oder -funktionen hineinzoomen." Zudem lassen sich ergänzende Anforderungen ("Change requests") "leicht im Kontext aller Abhängigkeiten darin erfassen und zurückspiegeln", so Klinke. Haupt-Plus ist jedoch, dass auch Anwender, die nicht IT-belastet sind, Projekte und die dafür nötige IT besser verstehen. Im Vorfeld eines Projektes können viele Anforderungen noch einfach in ein Konzept integriert werden. "Ist die Entwicklung erst mal im Gange, sind nachträgliche Anforderungen oft nur über teure Kompromisse realisierbar", sagt Klinke, der derartige Abhängigkeiten nun einfacher verständlich machen kann.

Zum Beginn von Projekten gehen die Anforderungs-Manager mit einem vordefinierten Fragebogen zum Kunden: Wo kommen die Daten her? Wer gibt sie ein? Was soll damit gemacht werden? Wo sind Schnittstellen nötig? Plötzlich trauen sich alle Beteiligten, auch prekäre Fragen zu stellen. Und Bedenken können schneller zerstreut oder ernst genommen werden. "Die Abstimmung zwischen Fachbereich und IT geht heute schneller, und es gibt in der Realisierung weniger Probleme", sagt Klinke, der die Hoffnung hat, auch den Ruf der internen IT bei den Wasserbetrieben so nachhaltig zu verbessern. Die Projekte, so Klinke, seien heute viel öfter in Zeit und Budget. Mehr als 30 Anforderungsdokumente entstehen bei den Wasserbetrieben nun Jahr für Jahr. Und nach Angaben von Klinke stehen die Ampeln für IT-Projekte auf der Balanced Scorecard, die etwa Zeit und Budget erassten, alle auf Grün.

Gerade mal etwas über zwei Prozent der Wassermenge geht den Berliner Wasserbetrieben in ihrem knapp 8.000 Kilometer langen Rohrnetz verloren, was deutschlandweit ein Spitzenwert ist. Würden die Zeit- und Budgetverluste in IT-Projekten auch in diesem geringen Prozentsatz zu halten sein, dürfte CIO Klinke zufrieden sein. Doch seinen Erfolg in absoluten Zahlen auszudrücken, da hält sich der CIO zurück. Denn Projekte, das weiß jeder, sind unkalkulierbarer als ein steter Fluss von gereinigtem Trinkwasser.