Social Media und Medizin

Kliniken bewegen sich langsam zu Facebook

02.11.2011 von Hartmut  Wiehr
Auf Facebook bieten Kliniken nur wenig medizinische Information. Das liegt auch an den Interessen der - noch - jungen Nutzer, so Forscher der FH Gelsenkirchen.
Denise Kluska, eine der Autoren der IAT-Studie, ist wie ihre Kollegen überzeugt, dass auch medizinische Inhalte Einzug in die Welt von Facebook & Co. halten werden.
Foto: IAT

Forscher des Instituts Arbeit und Technik (IAT) an der Fachhochschule Gelsenkirchen haben den Einsatz von Social Media in der Gesundheitswirtschaft untersucht. Sie wollten überprüfen, ob Ärzte und andere Teilnehmer des Healthcare-Sektors den Patienten folgen, die das Internet schon länger für sich entdeckt haben. Wer krank ist oder sich krank fühlt, orientiert sich immer öfter im Web, wie es um Diagnose und Therapie steht, wie die Heilungschancen sind und wo man sich am besten behandeln lässt. Auch Arztbewertungsportale sind beliebt: 22,6 Prozent der Internet-Nutzer konsultieren sie bereits für ihre Arztwahl.

Allerdings, so die Forscher, spielen Gesundheitsinformationen in Social Media bisher noch eine geringe Rolle. Für die Zukunft wird jedoch ein Wachstum in diesem Bereich prognostiziert, da sich generell Art und Weise der Kommunikation grundlegend geändert hätten: "Der Austausch von (Gesundheits-)Informationen findet längst nicht nur mono- oder bidirektional statt, sondern umfasst ganze Netzwerke." Zu beobachten ist auch, dass nicht nur Betroffene oder Angehörige sich in Portalen oder Foren äußern oder sich informieren, sondern auch so genannte Leistungserbringer im Gesundheitswesen, vom medizinischen Personal und den Ärzten bis zu Kostenträgern oder Pharmafirmen.

Erste Social Health Community schon 1996

Social Health Communities können laut IAT auf eine vergleichsweise lange Tradition in Deutschland zurückblicken. Die Entwicklung gesundheitsbezogener Netzwerke hat demnach Mitte der 1990er Jahre mit der Suche der an Morbus Hodgkin erkrankten Patientin Anja Forbriger nach Informationen zu ihrer Erkrankung im Internet begonnen: "Ihre erfolglose Suche veranlasste sie dazu, eine eigene Internet-Seite zu eröffnen, die anderen Betroffenen eine Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch bietet. So wurde mit INKANET im Jahre 1996 die erste deutschsprachige Social Health Community geboren."

Seither hat sich die Zahl der deutschsprachigen Social Health Communities vervielfältigt, stellen die Forscher fest. Das liege mit daran, dass in Deutschland "ein überdurchschnittliches Vertrauen in online bezogene Gesundheitsinformationen vorhanden zu sein scheint". Dies belegt auch eine Studie von digitashealth, die im April 2010 veröffentlicht wurde. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Verbraucher aus Deutschland mit 33 Prozent im europäischen Vergleich das größte Vertrauen in gesundheitsbezogene Informationen aus sozialen Netzwerken haben. Europaweit äußerten sich nur durchschnittlich 28 Prozent ähnlich positiv.

Neben solchen speziellen Informationsquellen und Netzwerken, die sich direkt um medizinische Fragen drehen und bereits ihre Mitglieder und Interessenten haben, erobern medizinische Themen erst langsam den Internet-Raum von Facebook oder anderen Social Media.

Facebook & Healthcare: eine unreife Beziehung

So nutzen zum Beispiel Krankenhäuser laut IAT zunehmend Facebook. Insgesamt existieren in Deutschland derzeit 195 Facebook-Pages von Kliniken. 195 Krankenhäuser auf Facebook sind im Verhältnis zu der Gesamtzahl von 2080 gerade einmal knappe zehn Prozent.

Auf diesen Seiten geht es zum Beispiel um Personalwerbung, Kundenansprache und -bindung oder um das Beschwerdemanagement. Solche Themen entsprechen mehr dem Selbstdarstellungs- und Kommunikationsansatz von Facebook, medizinische Inhalte im engeren Sinne sind offenbar noch nicht so weit vorgedrungen.

Eigentlich interessieren sich die Facebook-Besucher nicht so sehr für Inhalte. Auch Healthcare-Themen werden es deshalb schwer haben.
Foto: IBM

Die IAT-Autoren schreiben dazu: "Soziale Online-Netzwerke wie Facebook heben sich durch ihren universellen Ansatz ab; hier geht es nicht vorrangig um den Austausch von Gesundheitsinformationen der Nutzer, sondern um die Möglichkeit, alle individuums-zentrierten Interessen verfolgen und kommunizieren zu können."

Insgesamt gibt sich das IAT optimistisch: Krankheitsbedingte Themen würden allgemein mehr mit zunehmendem Alter wahrgenommen, Social Media seien dagegen momentan noch mehr für die jüngeren Generationen von Interesse. Das werde sich schon bedingt durch den Alterungsprozess in Zukunft ändern.

Die Akteure der Gesundheitswirtschaft sollten sich deshalb nicht fragen, ob sie bei den Social Media einsteigen, sondern wann und wie.