Agilität ist das A und O

Kommende Software-Struktur basiert auf Services

19.10.2004 von Detlef Scholz
Den Software-Lösungen von heute fehlt es an "Agilität". Das wird sich jedoch schon in naher Zukunft ändern. Nach Ansicht des Marktforschers Gartner werden die Systeme künftig die starre Orientierung an Vorgängen und Dialogschritten aufgeben.

Die Software müsse "flüssiger" werden, so die Analysten. Das heißt unter anderem, für Anpassungen an neue Gegebenheiten darf nicht zwangsläufig ein Redesign der Software erforderlich werden. Die Software von morgen entwickelt sich zu einer Art Leitplanken-Set, das die freie Interaktion von Menschen mit Systemen ermöglicht.

Um der Software Agilität zu verleihen, müssen ganze Systeme in kleinere Subsysteme herunter gebrochen werden, die sich viel leichter anpassen lassen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Service-orientierte Architektur (SOA). Hierbei kann ein Unternehmen den Service eines – hauseigenen oder externen – Anbieters in Anspruch nehmen und ihn mit dem Service eines anderen Anbieters "mischen". Das sei grundverschieden davon, eine Software lediglich in ihre Komponenten aufzulösen, so Gartner. Das Anwender-Unternehmen braucht sich nun nicht mehr darum zu kümmern, ob die Software neu entwickelt, ergänzt, oder nachgerüstet wurde. Auch ob es eine Eigenentwicklung ist oder als Teil eines Anbieterpakets eingekauft wurde, spielt keine Rolle mehr.

Wenn Unternehmen ein Geschäftsmodell entwerfen, mag die Implementierung der Software glatt verlaufen. Ist der Prozess jedoch erst in den Abläufen integriert, kann sie nicht mehr verändert werden. Das ist bei SOA anders. In einer service-orientierten Architektur wird jedes Element eines Prozesses oder eines Prozessverbundes ein Service, so Gartner. Dadurch wird die Software agiler, da es nun einfacher wird, den Prozess umzugestalten oder festzulegen, wer jeden einzelnen Prozessschritt durchführt.

Schluss mit Marathon-Projekten

Das Kombinieren von mehreren Services regt den Markt zum "Komponieren" von Applikationen an. Diese sind aber nicht länger als Funktionenbündel eines einzelnen Anbieters aufzufassen.

Die service-basierte Vorgehensweise könne aus IT-Projekten mit langjährigem Marathon-Charakter ein Kurzprojekt mit "Fugen-"Applikationen machen. Auch die Neu- und Umgestaltung existierender Systeme werde mit prozess-basierten Tools beschleunigt, so die Analysten. Die Gefahr, dass der große Blick fürs Ganze dabei verloren gehe, bestehe nicht. Statt den Hilfsmitteleinsatz Stückchen für Stückchen je Erfordernis zu vergrößern, komme es darauf an, im großen Bogen zu denken.

Der Einfluss einer neuen Software-Generation wird nicht nur die Anwenderseite betreffen. Gartner rechnet mit einer Konsolidierung der Anbieter quer durch alle Bereiche (Software-Technologie und mit der IT verwandte Geschäftsprozesse und Geschäftsstrategien).

Die neue Marktstruktur kann man sich als eine Art feudales System der Softwarehersteller vorstellen. Zwar werden große Bereiche dominiert, allerdings ohne klare Vorherrschaft eines Hauptanbieters, der Richtlinien und Standards bestimmen würde. Große und kleine Hersteller können nebeneinander florieren, ja sie brauchen sich sogar gegenseitig. Manchmal werden die Großanbieter auch komplementär entwickeln; es wird sogar Kooperationen mit Wettbewerbern geben, prophezeit Gartner.

Schöne neue Software-Welt

Die IT-Unternehmen sollten sich auf die entscheidenden Kompetenzen für geschäftliche Agilität konzentrieren. Dazu zählen Modellbildung von Prozessen, Geschäftsanalysen, Informationsaufbereitung und Management. Diese Kompetenzen unterscheiden sich substanziell von denen der historischen, nur technologischen Orientierung der Unternehmen.

Führende IT-Unternehmen sollten die "Champions" für Geschäfts-Agilität sein. Ihr ständiger Ausbau der Agilität sollte sie dazu anregen, eine Brücke zwischen den Geschäftsbereichen und der IT zu bauen. Die Frage wird dann lauten, wo, wann und in welchem Ausmaß Agilität benötigt wird.

Die "neue Software-Welt", die sich am Horizont abzuzeichnen beginnt, bedeutet nicht, dass die IT-Abteilungen wieder ganz von vorn anfangen müssten. Die derzeit aktuellen Systeme und Anwendungen werden in absehbarer Zukunft erhalten bleiben. Alles, was IT-Manager leisten, damit die Dinge besser laufen, macht mehr Software erforderlich, nicht ihre Ersetzung.

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