MiFID-Richtlinie der EU

Konkurrenz für Börsen

18.06.2007 von Andreas Schmitz
Die EU-Richtlinie MiFID verlangt CIOs eine höhere Datenqualität und Transparenz ab. Von Banken fordert die EU den besten Preis für Wertpapiere - und nicht den Deal an einer der renommierten Börsen.
Jens Wolf, Direktor Corporate und Investment-Banking, DZ Bank: "Welche Bank auch immer nach dem 1. November neue Wertpapier-Services auf den Markt bringt, sie hat auch den EU-Standard dafür erfüllt."

Axel Storck hat eine komfortable Position. Denn als IT-Vorstand des Internationalen Bankhauses Bodensee nutzt er die Integrationsplattform der Frankfurter DZ-Bank und braucht sich über die einzelnen Paragraphen der EU-Direktive Markets in Financial Instruments Direktive (MiFID) keine Sorgen zu machen. Zu einem Fixpreis geben die mittelständischen Friedrichshafener Bänker (etwa 500 Millionen Bilanzsumme) ihre Order an die DZ-Bank. Dafür bekommen sie den entsprechenden Service geliefert. Ab Anfang November dieses Jahres auch MiFID-konform.

Fünfjahres-Entwicklung nachweisen

Storcks Full-Outsourcing hat seinen Sinn. Denn die MiFID-Richtlinie der EU-Bürokraten hat es in sich: Sie zwingt Banken dazu, transparent zu machen, wo sie in ihre eigene Tasche wirtschaften und welche Anteile der Erträge schließlich an den Kunden weitergegeben werden. Das Schlüsselwort heißt "Best Execution". Es bedeutet, dass jede Bank verpflichtet ist, dem Kunden über den Verlauf der vergangenen fünf Jahre nachzuweisen, wie sich die Papiere entwickelt haben und welche Kalkulation hinter den Fonds und Wertpapiergeschäften stecken. Beim Kauf eines Fonds etwa fallen Verwaltungs- und Management-
Kosten, bei Hedge-Fonds zusätzlich erfolgsabhängige Gebühren an.

DZ-Bank: Intranet für die Gruppe.

Die neue Richtlinie soll der Mauschelei Einhalt gebieten und somit auch die Rechte des Kunden stärken. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat Anfang März bereits weit vor dem MiFID-Stichtag am 1. November in einem Urteil entschieden, dass Banken über sämtliche Provisionen im Wertpapierhandel Auskunft geben müssen.

Jens Wolf beschäftigt sich bereits seit Anfang des vergangenen Jahres mit der MiFID-Analyse und der Bedeutung von MiFID für die Frankfurter DZ-Bank. Der 38-jährige Mathematiker ist für die Integrationsplattform der DZ-Bank da, von der aus sämtliche genossenschaftlichen Banken aus dem DZ-Verbund mit Services wie Aktienfonds, Wertpapierverwaltung und Zahlungsverkehr versorgt werden. Diese Plattform ist ein Service für andere Banken wie etwa das Internationale Bankhaus Bodensee, die Wertpapiergeschäfte vom entsprechenden Spezialisten im Verbund, von der dwp Bank, abwickeln lassen und sich darauf verlassen, dass die Geschäfte den neuen Compliance-Anforderungen der EU entsprechen.

Snapshots von Konkurrenzbörsen nötig

Nach Ansicht von Torsten Eistert, Compliance-Spezialist bei der IT-Beratung GFT, ist es für Unternehmen wichtig, das Reporting zu verbessern, möglichst mit SOA-basierter Architektur und Data-Warehouse. Nur
so ließen sich für eine Bank "die Wahl des Ausführungspreises" transparent machen und mit "Snapshots"
Momentaufnahmen von Preisen konkurrierender Börsen machen - "und nachweisen, dass das unterbreitete Angebot zu diesem Zeitpunkt das beste war".

Hypo-Vereinsbank: Server-Virtualisierung.

Zudem ist eine Bank nicht mehr dazu verpflichtet, über eine Börse die Wertpapiere zu handeln. "Prinzipiell ist es möglich, dass die Bank 100 Telekom-Aktien von Herrn Müller auf Herrn Meier überträgt", erläutert GFT-Mann Eistert. Derzeit ist die Börse verpflichtet, der Bank den besten Preis zu machen, dafür bezahlt die Bank der Börse Geld, das sie dann wiederum auf den Kunden umlegt. Banken werden also versuchen, "immer mehr Trades intern darzustellen“, folgert Eistert. In einer Initiative bauen einige Großbanken, darunter die Deutsche Bank, Merrill Lynch und UBS, eine Plattform auf, mit der sie ihre Transaktionen an den Börsen vorbei tätigen können.

"Schlüssel liegt in der Datenqualität“

Wolfgang Decker von der Unternehmensberatung PA Consulting Group geht davon aus, dass bisher noch
kein Unternehmen mit der Umsetzung von MiFID fertig ist. "Der Schlüssel liegt in der Qualität der Daten",
meint Decker, "Daten müssen in den Quellen lokalisiert, gesammelt und gematcht werden." Gerade kleinere Banken werden seiner Ansicht nach künftig Probleme bekommen: "Je kleiner das Unternehmen, desto höher die Sockelkosten", so Decker.

Wer nicht zu den Branchenriesen im Bankgewerbe gehört, muss sich wie IT-Vorstand Storck einer Plattform anschließen, die diese Transaktionen für ihn leistet. Für DZ-Mann Wolf besteht der Charme darin, zwar den Handel selbst machen zu können ("die DZ Bank kauft"), aber der dwp Bank als Spezialistin die Abwicklung zu überlassen und die Fiducia und die GAD als "IT-Kompetenzcenter" zu nutzen, die das Konto des Einzelnen führt. Für Genossenschaftsbanken ist das ein enormer Vorteil, da sie alle Arbeitsschritte über ihren Verband darstellen und einen Leitfaden an die Hand bekommen.

Mandantenfähige Systeme nützlich

Besonders für Finanzunternehmen, die nicht ein entsprechendes Netzwerk oder mandantenfähige Systeme besitzen, bedeutet die EU-Direktive MIFID teilweise einen erheblichen Aufwand. So sind jene Banken, die noch über Host-Systeme verfügen, gezwungen, notwendige neue Felder für Kundendaten zusätzlich zu programmieren. "Das ist oft ein Argument für Privatbanken, auf die Plattform umzusteigen", erläutert DZ-Bankmanager Wolf.

MIFID: Herausforderungen für die IT.

Ausserdem müssen die Anlagespezialisten über sämtliche Daten der Börsenparketts verfügen sowie auch die Preisvergleiche transparent darstellen können. In der Best Execution, der Handelstransparenz und der internen Organisation mit den langen Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten sieht das Beratungshaus GFT wichtige Aufgaben für das IT-Management. Compliance-Spezialist Eistert beziffert die Investitionen dann auch auf bis zu 30 Millionen Euro. Berater Decker von PA Consuling geht davon aus, dass die Gesamtkosten für die jüngsten regulatorischen Anforderungen wie Basel II, MiFID und dem Sarbanes Oxley Act (SOX) 100 Millionen Euro übersteigen können, sofern viele Anpassungen an Quellsysteme nötig sind und Probleme bei der Datenqualität bestehen.

Achtung Berater!

Allerdings ist meist nicht alles das wirklich notwendig, was die Beraterscharen propagieren. GFT-Mann
Eistert gibt zu, dass beispielsweise die Speicherung von Handelsdaten sowie die fünfjährige Aufbewahrungspflicht und das erforderliche Reporting (also die Handelstransparenz) bei den meisten Unternehmen "in der Regel okay" sind. Besonderes Augenmerk richtet er deshalb auf den Kunden, also auf Kundenmanagement-Systeme, Anpassungen im Data Warehouse und auf den Börsenplatzvergleich. Die Voraussetzung dafür sind Handelsplattformen sowie Order-Management- und Reporting-Systeme.

Die DZ Bank startete früh mit den Vorbereitungen für MiFID: Ab Juni letzten Jahres besprachen Mitarbeiter des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken die Aufgaben mit Repräsentanten der Banken aus
dem genossenschaftlichen Finanz-Verbund im Arbeitskreis MiFID, einem Steuerungskreis zur Umsetzung
von MiFID. "Das Ziel ist, mit MiFID die Best Execution nutzen und so neue Kunden zu gewinnen“, bemerkt PA Consulting-Mann Decker.

"Welche Bank auch immer nach dem 1. November neue Wertpapier-Services auf den Markt bringt, sie hat
auch oft den EU-Standard dafür erfüllt", freut sich DZBank-Manager Wolf. Bisher schluckte die juristische
Anpassung an das jeweilige Recht im europäischen Ausland unnötig zusätzliche Zeit.