Business-IT-Alignment

Management ignoriert IT-Chefs

16.02.2010 von Thomas Pelkmann
Die IT wird an der Unternehmensspitze zu wenig gehört. Das führt zu verpassten Chancen, mehr aus der IT zu machen. Diskussionen über die IT-Strategie gibt es meist nur beim jährlichen Budget-Gespräch.

Es gibt gute und schlechte Nachrichten für CIOs: Einer Deloitte-Studie zufolge wächst weltweit die Bedeutung der IT für die Unternehmensführung, und das nicht nur im Anwenderbereich, sondern auch bei den strategischen Überlegungen eines Unternehmens.

Allerdings ist die IT in Europa im weltweiten Vergleich eher selten Gegenstand von Geschäftsleiterbesprechungen. Meist sieht das Management seine IT als Unterstützer des Geschäfts, nicht als Treiber für Veränderungen. Und wenn über die IT gesprochen wird, dann erstens meistens über das Budget und zweitens selten mit ihr.

Viele Unternehmen, so Deloitte, hätten längst erkannt, "dass IT mehr kann als nur Abläufe automatisieren und Kosten senken". Marktgerechte IT-Dienstleistungen erschlössen neue Vertriebswege, verkürzten die "Time to Market" neuer Angebote oder stifteten echten Mehrwert für Kunden - trügen also zur Wertschöpfung bei. "Das dürfte IT-Verantwortlichen in Zukunft mehr Gehör bei ihren Vorgesetzten verschaffen", schätzen laut Deloitte die Befragten.

Für die Studie hat das Beratungsunternehmen 2009 weltweit knapp 1870 IT- und Unternehmensverantwortliche befragt.

Nur 45 Prozent geben in der Umfrage an, dass die Führung ihres Unternehmens regelmäßig über IT-Fragen spricht. Asien liegt dabei mit einem Anteil von 60 Prozent deutlich vor EMEA, wo der Anteil bei gerade einmal 37 Prozent liegt.

Die IT ist selten maßgeblich an Projekten beteiligt

Bei weniger als einem Drittel ist der IT-Fachbereich "maßgeblich" am Anstoß neuer Projekte beteiligt. Knapp die Hälfte gab stattdessen an, dass IT-spezifische Projekte "über alle Geschäftsbereiche hinweg" beschlossen würden.

Bei diesen Entscheidungen stehen in der EMEA-Region auffällig selten strategische Ziele im Mittelpunkt. Meist geht es darum, Kosten der IT zu reduzieren (15 Prozent), neue Technologien einzuführen (13 Prozent), interne Strukturen und Prozesse zu reorganisieren (12 Prozent) oder Abläufe zu automatisieren (13 Prozent). Das Verbessern der Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens landet - auch für Deloitte überraschend - mit vier Prozent Nennungen auf einem enttäuschenden elften Rang.

Während bei den Business-Verantwortlichen Kostensenkungen und Automatisierungen vorne liegen, setzen die IT-Chefs eher auf die Verbesserung von Dienstleistungen und Produkten - für Deloitte ein Indikator für die unterschiedlichen Auffassungen, die es in den Unternehmen über die Rolle der IT gibt. "Es kann sein, dass die IT-Verantwortlichen eher über eine Annäherung an das Business nachdenken, als ihr Management."

Für die eher unterschiedliche Beurteilung der IT sprechen auch andere Umfrageergebnisse: So gaben immerhin 19 Prozent der Befragten aus dem Management an, dass IT regelmäßig auf der Agenda ihrer Meetings steht. Von den IT-Verantwortlichen sehen das nur 13 Prozent. Fast einig sind sich beide Gruppen bei der Aussage, dass solche Themen von den Unternehmensverantwortlichen nur "selten" (rund 40 Prozent) oder "nie" (rund fünf Prozent) diskutiert werden.

Die schlechten Umfragewerte mögen damit zusammenhängen, dass in EMEA bei nur etwa 40 Prozent das IT-Management "immer" oder wenigstens "regelmäßig" an den Sitzungen der Geschäftsleitung teilnimmt. Bei rund 60 Prozent ist das dagegen nur "selten" oder "nie" der Fall. Stattdessen vertritt nicht selten der Finanzvorstand die IT-Belange - schließlich geht es ja in der Regel vor allem ums Geld.

CIOs sitzen selten am Tisch der Geschäftsführung

Ob und wie über die IT-Strategie im Management-Board gesprochen wird, hängt auch davon ab, ob es im Unternehmen ein IT-Steuerungskomitee gibt. Weltweit nur 45 Prozent der befragten Firmen gaben an, ein solches Komitee zu haben. Die tatsächliche Zahl der Steuerungsgremien hängt übrigens direkt mit der Größe der IT-Abteilung zusammen: Je weniger Mitarbeiter die IT hat, desto seltener gibt es ein solches Komitee.

"Die IT wird an der Spitze zu wenig gehört", schlussfolgert Deloitte. Das führe in der Folge zu verpassten Chancen, mehr aus der IT zu machen. Allerdings gebe die derzeitige Wirtschaftskrise den IT-Verantwortlichen auch die Gelegenheit, das zu ändern. In der Realität scheint das ein frommer Wunsch zu sein: Diskussionen über die IT-Strategie gibt es in der Regel nur beim jährlichen Budget-Gespräch. Für ein Fünftel der Befragten ist das aber nicht einmal dann ein Thema. Das führt zu einem scheinbar paradoxen Zustand: Die IT wird immer wichtiger fürs Unternehmen, die IT-Abteilung nähert sich immer mehr dem Business, büßt aber zugleich das Vorrecht ein, die IT alleine zu gestalten.

Umgekehrt gilt: Je enger die IT in die Entscheidungsstrukturen der Geschäftsleitung einbezogen wird, desto größer ist ihr Anteil an den strategischen Zielen und Maßnahmen des Unternehmens.

Management verlangt von der IT mehr Rechenschaft

Ob das aber von den Unternehmensleitungen gewünscht wird, ist unklar. Denn andererseits gibt es der Umfrage von Deloitte zufolge eine stärkere Formalisierung der Beziehungen zwischen Management und IT-Abteilung. Die Geschäftsführungen verlangen immer häufiger nach klaren Abmachungen mit der IT sowie nach abrechenbaren Erfolgskriterien, etwa über KPI. "Das Business", heißt es bei Deloitte, "gibt sich nicht mehr mit minimalem Service zufrieden und verlangt stattdessen von der IT Rechenschaft für ihre Verpflichtungen".

Dazu kommen anderweitige Verpflichtungen, etwa die Aufgabe, Infrastruktur auszulagern oder die IT gegen Betrugsversuche und Sabotage abzusichern. Ob eine IT-Abteilung, die aufgrund budgetärer Anforderungen oft nur noch als Rumpforganisation im Unternehmen existiert, dann noch Zeit und Muße hat, an den strategischen Stellschrauben wenigstens mitzudrehen, ist indes mehr als fraglich, wie auch Interviews mit CIOs zeigen, die das CIO Magazin anlässlich der Deloitte-Studie geführt hat.