Schwerpunkt: Storage

Management statt Festplatten

03.12.2001 von Andreas Schmitz
Lange galt: Je höher der Speicherbedarf, desto mehr Personal wird gebraucht. Anders beim Einsatz von Netzwerkspeichern. Hier lassen sich die Personalkosten deutlich senken und brachliegende Speicherreserven erheblich besser nutzen. Das zeigt der Netzwerkspeicher-Einsatz bei den Pfalzwerken und der Tiroler Tageszeitung.

Seit Anfang August schläft Rudolf Sichler ruhiger. Danämlich stellte der IT-Leiter des Stromversorgers Pfalzwerkedie Speicherung der sensiblen Daten des LudwigshafenerKonzerns auf eine neue, stabilere Grundlage. Die Pfalzwerkeverfügen nun über ein spezielles Netz, das ausschließlichSpeicherzwecken dient: ein Storage Area Network (SAN). DasVerfahren gilt als sicher und kostengünstig; deshalb liegtes im Trend: Nach Schätzungen der Marktforscher von IDCwerden die Anbieter von Netzwerkspeichersystemen ihrenUmsatz in den nächsten vier Jahren verdreifachen.

Vor zehn Jahren war von verteilten Netzwerkspeichern nochnichts zu hören. Es dominierten zu lokalen Verbündenzusammengeschlossene Festplatten, bekannt als RAID-(Redundant Array of Independent Discs) Systeme. Diese schonAnfang der achtziger Jahre an der Computer-Fakultät inBerkeley entwickelten Parallel-Umgebungen erlaubten immerhinschnellere, sicherere und kostengünstigere Datenablagen und-zugriffe als geschlossene und deshalb in sich nichterweiterbare Speichersysteme. Heute sind sie zwar noch imEinsatz, ohne allerdings den aktuellen Stand der Technik zubieten.

Den markieren Netzwerkspeicher. Diese Technologie bindetunterschiedliche Arten von Datenspeichern und zugehörigenServern in einem Hochgeschwindigkeitsnetz zusammen, daseinzig zu Speicherzwecken dient und nicht auf einenUnternehmensstandort beschränkt sein muss. Storage AreaNetworks sind beliebig erweiterbar und eröffnen denUnternehmen damit erstmals die Möglichkeit, die in denkommenden Jahren exponenziell steigende Datenflut ohne kaumkalkulierbare Technologiesprünge in den Griff zukriegen. Eine große Beruhigung für alle CIOs, denn laut IDCwird sich die in Unternehmen jedes Jahr - zusätzlich zu denAltbeständen - neu anfallende Datenmenge künftig verdoppeln.

Backup im Nachbargebäude

Mit einem unaufhaltsam steigenden Datenpegel muss sich auchdie IT-Mannschaft von Sichler auseinander setzen. Die zweiGebäudekomplexe der Pfalzwerke liegen etwa hundert Metervoneinander entfernt. Sie sind über ein insgesamt 750000Mark teures Speichernetzwerk miteinander verbunden. "Etwa900 Desktop-Computer und Laptops laufen in diesem System",so Sichler. Die Gefahr, dass die Ingenieure undVertriebsleute des regionalen Energieversorgers plötzlichkeinen Zugriff auf Technik- und Kundendaten haben, ist mitdem neuen Netzwerk deutlich kleiner geworden: Fällt dieElektrizität in einem Gebäude aus oder tritt ein anderessystemkritisches Ereignis ein, liegen sämtliche Daten auchim Nachbargebäude vor und umgekehrt. Die Pfalzwerke bleibenhandlungsfähig.

Die Schlüsseltechnik, die ein Speichernetz überhaupt erstmöglich und nützlich macht, sind Glasfaserschalter und-kanäle. Gegenüber normalen Kupferverbindungen ermöglichensie deutlich höhere Geschwindigkeiten in der Übertragung,und das über beliebige Entfernungen. So lassen sich Daten -praktisch ohne Zeitverlust - nicht nur von einem auf einbenachbartes Speichermedium transferieren, sondern ebensoleicht über Distanzen von hunderten von Kilometern. Einhäufiges Backup sensibler Datenbestände inHochsicherheits-Storage-Zentren ist damit über fastbeliebige Entfernungen möglich.

Mit dem Umbau der Speicherinfrastruktur auf SAN gehörtSichler zu den Vorreitern im Mittelstand, was dieVerlagerung der Speichersysteme ins Netz angeht. Rund 25Prozent der Unternehmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitern setzenSAN oder NAS ein, schätzt Speichermarktexperte NorbertDeuschle von der Meta Group.

Technisch sichere und intelligent verwaltete Speichersystemesind überlebenswichtig für beinahe jedes Unternehmen, egalob aus der Dienstleistungsbranche oder dem verarbeitendenGewerbe. Dennoch haben sich Netzwerkspeicher noch nichtvollständig durchgesetzt. Das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) in Bonn beispielsweise zögert noch mitdiesem Schritt. Obwohl durch die Missionen im Weltraum unddie umfangreichen Geo- und Klimadaten im Rahmen des"Envisat"-Projekts die Datenmenge bis zum Jahr 2005 vonderzeit 70 auf mehr als 300 Terabyte anschwellen wird, sindnoch keine Netzspeicher im Einsatz. "Zu unsicher", heißt esals Begründung aus Bonn. Erst vorsichtig nähert sich die DLRjetzt in kleinen Teilprojekten derNetzwerkspeichertechnologie.

Systeme-Mix erschwert Umstellung auf SAN

Noch nimmt bei der Space-Behörde ein Roboter dieArchivierung der Daten in die Hand: vollautomatisch, aberzentral auf einem Großrechnersystem - ein Weg, den auch diePfalzwerke noch bis vor kurzem beschritten. Zwararchivieren auch hier nach wie vor Roboter Bänder mitInformationen aus Oracle-Datenbanken und SAP-R/3-Systemen ineiner "Library"; doch halten sie sich heute an dieAnweisungen des Betriebssystems Windows 2000. Sichler räumtein, dass "der Mix aus vielen verschiedenen Systemen" dieUmstellung auf das glasfaserschnelle SAN erschwerenkann. Schalter, Speicherplatten und dieAdministrations-Software ließen sich einfach integrieren;"nur beim Einbinden der Library, der Speicherautomaten, gabes Probleme." Der Grund: Für die Bandroboter, die bis datoausschließlich über Großrechner liefen, fehlte die geeigneteSoftware. Unter Windows 2000 verweigern die Archivsklavennämlich die Arbeit. "Deshalb planten wir externe Gatewaysein und kamen über diesen Umweg zum Ziel", so Sichler. Trotzdieser Schwierigkeiten sanken die Storage-Kosten auf einDrittel - ein Ergebnis, das auch nach Ansicht vonMarktforschern zu erreichen ist. Laut Deuschle liegt dieTotal Cost of Ownership (TCO) von Netzwerkspeicherndurchschnittlich um rund die Hälfte unter den Kostenzentraler Speichersysteme.

Kleine Lösung: Network Attached Storage

Noch etwas günstiger als die beliebig erweiterbaren - unddeshalb beliebig komplexen - SAN-Architekturen sind inpuncto TCO die Network-Attached-Storage- (NAS) Systeme. Hiersteht der Datenaustausch im Vordergrund. Der Unterschiedzum SAN-Konzept: Daten-Server lassen sich direkt mit einemlokalen Netzwerk verbinden - was aber auch Nachteile mitsich bringt: NAS ist auf lokale Netzwerke begrenzt, und dieflottierenden Speicherdaten reduzieren die Geschwindigkeitder Datenübertragung in den lokalen Netzen. Dabei sind siefreilich weniger aufwendig in der Administration, weshalbNAS-Systeme laut Meta Group mit 35 Cent pro Megabyte undNutzer zu Buche schlagen. SAN-Systeme hingegen kosten proMegabyte und User 40 Cent.

NAS-Produzenten wenden sich vor allem an Unternehmen, dieschnell und einfach Netzwerkspeicher einsetzen möchten unddenen SAN-Projekte zu kompliziert sind. Nach denNAS-Systemen gewinnen jetzt jedoch SANs allmählich dieÜberhand unter den Netzwerkspeichern. Analysten begründendas damit, dass die zur Vernetzung erforderlicheGlasfasertechnik besonders in den letzten zwei bis dreiJahren in immer größerer Bandbreite und jüngst auch zu immergünstigeren Preisen verfügbar war. In drei Jahren, soprognostiziert IDC, werden sich SAN-Produzenten mit einemUmsatz von knapp fünf Milliarden, NAS-Anbieter mit mehr alsvier Milliarden Dollar den Markt in Westeuropa teilen.

Trotz des wachsenden Übergewichts von SAN legt derMarktführer für NAS-Produkte, das amerikanische UnternehmenNetwork Appliance, immer wieder Zahlen vor, die seineSysteme im direkten Vergleich nach wie vor in Führungsehen. Eine Studie des amerikanischenIT-Marktforschungsinstituts Input etwa stellte zweiSpeichersysteme gegenüber, die Daten aus einerOracle-Server-Umgebung zu speichern hatten: zum einen einSAN-Produkt von EMC auf Basis der "Symmetrix"-Technologie,zum anderen eine NAS-Lösung mit dem "Filer" von NetworkAppliance. Ergebnis: Der TCO des NAS liegt um 75 Prozentunter dem SAN-Wert. Zudem - sagt Input und betont NetworkAppliance - habe sich die NAS-Lösung als etwas zuverlässigererwiesen als das SAN-System von EMC: Die Verfügbarkeit liegehier knapp unter, dort knapp über 99 Prozent.

Gerald Lechner, bei der Tiroler Tageszeitung IT-Leiter fürdie Produktion, installierte vor vier Jahren im InnsbruckerVerlagshaus ein NAS-System von Network Appliance. "DerVerwaltungsaufwand ist seither gleich null", sagt Lechner,der derzeit für eine Datenmenge von rund 450 Gigabytezuständig ist. Täglich laufen fertige Texte in dasRedaktionssystem ein. Die Prozesskette muss absolutzuverlässig sein; schließlich darf eine Tageszeitung nichtplötzlich am Kiosk fehlen. Zwanzig Server sind heute in dasSpeichernetzwerk eingebunden. Doch Lechner gibt zu bedenken:"Vor vier Jahren war die Glasfasertechnik noch nicht so weitentwickelt wie heute. Ein SAN, das wegen der hohenÜbertragungsgeschwindigkeit auf Fibre-Channel-Technikangewiesen wäre, kam für uns deshalb zunächst nicht inBetracht."

Der maßgebliche Punkt für die Entscheidung gegen SAN und fürNAS war damals jedoch ein anderer. Die Infrastruktur desInnsbrucker Verlagshauses harmonierte einfach besser mit derNAS-Idee: Die Computer waren bereits über ein Netzwerk mitder Internet-Übertragungstechnik TCP/IP miteinanderverbunden; das funktionierte. "Hätten wir ein Storage AreaNetwork gewollt, wären Investitionen in die Infrastrukturnötig geworden - in Glasfaserverbindungen undglasfasertaugliche Netzwerk-Hardware", sagt Lechner. Zudemließen sich an das vorhandene Speichersystem zusätzlicheSpeicher anstecken: "Der File-Server erkennt den neuenSpeicher, und jeder Redakteur kann ihn sofort nutzen", soder Tiroler.

Bei einem SAN wäre die Handhabung ungleich kompliziertergeworden, weil jeder neue Speicher dem Gesamtsystem logischhätte zugeordnet werden müssen. Das erfordert wiederum mehrPersonal. Selbst für die kleinere NAS-Lösung musste dieTiroler Tageszeitung gut 5 Millionen Schilling, etwa 700000Mark, investieren - genug für ein mittelständischesUnternehmen, wie Lechner betont.

Nächster Schritt: virtuelle Speicher

Für die Zukunft messen Branchenkenner der verbessertenNutzung brachliegender Speicher große Bedeutung undEntwicklungschancen zu: Zwar helfen Netzwerkspeicher, dieAuslastung der Speicher auf etwa sechzig Prozent zu erhöhen,doch sind die wahren Möglichkeiten noch nichtausgeschöpft. Virtuelle Speicher etwa sind hierzulande nochfast völlig unentdeckt. Selbst derVirtualisierungsspezialist Veritas kann kaum ein gelungenesBeispiel für den hiesigen Markt nennen - und das, obwohldieser Technologie die Zukunft gehört. Denn durchintelligente Systeme lässt sich der Speicherraum, der imNetzspeicher schon recht gut ausgenutzt wird, fast beliebigweit ausdehnen. Die Voraussetzung ist allerdings einfunktionsfähiges Storage Area Network. Der Mix vielerverschiedener Speichersysteme macht es den Anbietern bislangallerdings noch schwer.

Doch wie schnell sich die Situation ändern, eine neueTechnologie etablierte Märkte aufbrechen kann, hat dieEntwicklung von Storage Area Networks gezeigt: Noch vor fünfJahren verdienten SAN-Anbieter in Westeuropa mit dem Systemnicht eine Mark - heute geht es hier um einenMilliardenmarkt. Die neue Herausforderung lautet:Verbindungen zu schaffen zwischen den Technologien, die ineinigen Jahren routinemäßig nebeneinander zum Einsatz kommensollen. Die Grundlage ist bereits gelegt:Netzwerkspezialisten bauen Bindeglieder zwischen denkonkurrierenden Systemen. Ob SAN, ob NAS, ob virtuelleSpeicher - in absehbarer Zeit werden CIOs nur noch allgemeinvon Netzwerkspeichern sprechen.

Speicher: Was ist Was?

Daten-Depots

Redundant Array of Independent Discs (RAID)

Vor knapp 15 Jahren kamen Wissenschaftler aus Berkeley aufdie Idee, ihre alten Festplatten nicht einfach zu entsorgen,sondern zu einem Verbund zusammenzuschließen - zu einem sogenannten Redundant Array of Inexpensive (heute üblich:Independent) Discs, kurz RAID. Durch Verschaltung der altenFestplatten konnten die Mitarbeiter nun erheblich schnellerauf die Daten zugreifen. RAID-Systeme lassen sich sowohl inSAN- als auch in NAS-Netzwerke integrieren.

Storage Area Network (SAN)

Ob Großrechner oder Server unter Linux, Solaris, Unix undWindows - in einem Storage Area Network lassen sich dieverschiedensten Speichersysteme zusammenfassen. Dieeinzelnen Speicher sind dabei von den Servern entkoppelt,ein neuer Gesamtspeicher entsteht. Je nachdem, wo der meisteSpeicherplatz frei ist oder welcher physikalischeSpeicherort die größte Sicherheit bietet, werden im SANDaten nachgefüllt. Diese Zentralisierung entlastet dielokalen Netze; zudem lassen sich die Speicher besserauslasten. Meist setzen Unternehmen heute Glasfaserkabelein, die eine schnelle Datenübertragung erlauben. Mit dieserTechnik können auch größte Distanzen problemlos überbrücktwerden - ein wichtiges Kriterium für Unternehmen, dieBackups an entfernten Standorten anstreben.

Network Attached Storage (NAS)

Bei Network-Attached-Storage- (NAS) Systemen steht derlokale Datenaustausch im Vordergrund. Die Daten-Serverwerden in ein lokales Netzwerk (LAN) gehängt. Nachteil:LAN-übergreifend lässt sich die NAS-Technologie nichtnutzen; und im LAN verlangsamt sie den übrigen Datenverkehr.