Silos endlich aufbrechen

McKinsey: Das Operating Model der Zukunft

13.07.2017 von Werner Kurzlechner
McKinsey nennt fünf Hebel für ein neues Betriebsmodell der nächsten Generation. Im Zentrum sollten immer die Journeys von Kunden und Mitarbeitern stehen.
  • Es geht um Verbesserungen bei Einnahmen, Kundenerlebnis und Kosten
  • Durchdachte Reihenfolge statt abgegrenzter Silos
  • Bestehende Prozesse zu verbessern, reicht nicht aus
  • Strategische Ziele bestimmen den Weg
  • Ohne Impulse von ganz oben geht es nicht
Aus diesen fünf Hebeln entwickelt sich das McKinsey-Betriebsmodell.
Foto: McKinsey

Die Ziele sind weithin klar. Unternehmen wollen agiler und effektiver werden und schneller reagieren können. Sie wollen mit Hilfe neuer Technologien ihre Kosten senken, ihre Umsätze steigern sowie Qualität und Transparenz erhöhen. Gleichzeitig sollen die Kunden in den Mittelpunkt rücken und mit großartigen Einkaufserlebnissen beglückt werden.

Das Problem dabei: Die Versuche, alles das zu erreichen, scheitern allzu häufig in der Wirklichkeit, wie McKinsey in einer aktuellen Analyse beleuchtet. Um erfolgreich zu sein, benötigen die Firmen nach Ansicht der Berater ein Betriebsmodell der nächsten Generation.

Das neue Modell besteht aus zwei Teilen

"Dieses Betriebsmodell ist eine neue Art, die Organisation am Laufen zu halten", beschreiben die Autoren. "Digitale Technologien und betriebliche Ressourcen werden in einer integrierten, gut aufeinander abgestimmten Weise kombiniert, um schrittweise Verbesserungen bei Einnahmen, Kundenerlebnis und Kosten zu erreichen."

Teil 1

Man müsse sich dieses neue Betriebsmodell in zwei Teilen vorstellen, so McKinsey. Der erste Teil beinhalte den Übergang von unkoordinierten Aktivitäten in abgegrenzten Silos hin zu einen integrierten Programm, das um zwei "journeys" organisiert ist: die Reise des Kunden, die aus dessen Sicht sämtliche Interaktionen mit dem Unternehmen vom Einkauf bis zum Erhalt von Services umfasst, und die interne Reise, nämlichen die Prozesse im Unternehmen von einem Ende zum anderen.

Teil 2

Der zweite Teil umfasst den Einsatz von einzelnen Technologien eben nicht in abgegrenzten Silos, sondern in durchdachter Kombination und Reihenfolge, so dass eine umfassende Wirkung erreicht werden kann.

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McKinsey moniert, dass Performance-Steigerungen in Unternehmen oft durch viele voneinander unabhängige Initiativen angegangen werden, die in separierten Gruppen stattfinden - beispielsweise im Front Office und im Back Office, aber ohne Koordination. Zwar können auf diese Weise leichter kleine Fortschritte in einzelnen Einheiten erreicht werden, aber laut McKinsey eben ohne durchschlagenden und nachhaltigen Gesamterfolg.

Kunden nehmen vermeintlich verbesserten Service nicht wahr

Als Ergebnis liefert dann zum Beispiel ein Teil des Unternehmens tatsächlich einen verbesserten Kundendienst. Dieser wird aber von der Zielgruppe nicht als solcher wahrgenommen, weil Kunden dennoch in die Mühlen einzelner Abteilungen geraten. Womöglich ist der partielle Fortschritt sogar messbar und wird intern gefeiert, aber tatsächliche Durchbrüche wie verbesserte Kundenzufriedenheit oder die angestrebten Einsparungen bleiben dennoch aus.

Der von den Beratern vorgeschlagene ganzheitliche Weg der Orientierung an "journeys" von Kunden und Mitarbeitern bricht demgegenüber die Silos auf. Für eine Bank etwa gilt: Die Eröffnung eines Bankkontos als Wegmarke der Kundenreise benötigt die Mitarbeit von Marketing, Betrieb, Kreditabteilung und IT, die sich folglich gemeinsam an dieser Stelle engagieren müssen. Der Übergang zum Betriebsmodell der nächsten Generation beginne mit der Klassifizierung und Ausarbeitung von Schlüsselreisen, so die Studienautoren.

"Unternehmen tappen immer in die gleiche Falle"

"Wir stellen häufig fest, dass Unternehmen in die immer gleiche Falle tappen: Sie versuchen ganz schlicht, ihre bestehenden Prozesse zu verbessern", heißt es in der Studie. "Stattdessen sollten sie das Augenmerk darauf legen, sich das Kundenerlebnis in Gänze neu vorzustellen." Das offenbare oftmals Chancen der Vereinfachung und Verschlankung von Journeys und Prozessen und mache gewaltige Wertpotenziale fassbar.

5 Hebel zur Transformation

Im Folgenden benennt McKinsey fünf Ansätze respektive Ressourcen, die das Betriebsmodell der nächsten Generation treiben. Die aus Anwendersicht naheliegende Frage, was damit nun anzufangen ist, beantworten die Berater mit drei Ratschlägen. Erstens gelte es sicherzustellen, dass jeder dieser Hebel bis zum maximalen Effekt benutzt wird. Zweitens sei jeder dieser Hebel in der richtigen Reihenfolge zu ziehen. Drittens sollten diese Hebel miteinander interagieren, um einen Multiplikatoreffekt herzustellen. Die fünf Hebel sind:

  1. Digitalisierung: Wird von McKinsey hier definiert als Prozess der Anwendung von Tools und Technologie zur Verbesserung von Journeys. Ein Beispiel für die Verbesserung von Journeys aus Kundensicht ist die Ermöglichung von Selbstbedienung.

  2. Advanced Analytics: Ist hier als autonome Datenverarbeitung auf Basis ausgefeilter Tools zu verstehen, um verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen und Empfehlungen zu machen. Anwendungsbeispiel sind Versicherungen, die mit Hilfe der richtigen Daten zum Beispiel auf Betrugsfälle aufmerksam werden.

  3. Intelligent Process Automation (IPA): Ein Bündel neuer Technologien, das ein grundsätzliches Redesign von Prozessen mit Automatisierung durch Robotics und Machine Learning kombiniert. Kann etwa dazu dienen, smarte Workflows zu ermöglichen.

  4. Business Process Outsourcing (BPO): Die Berater meinen das im ganz klassischen Sinne - als Nutzung von nicht internen Ressourcen zur Komplettierung besonderer Aufgaben und Funktionen. Zielrichtung ist insbesondere eine verbesserte Kosteneffizienz durch Ausnützen billiger Arbeitskraft.

  5. Lean Process Redesign: Hilft nach Einschätzung der Berater den Firmen bei der Verschlankung von Prozessen, dem Abwerfen von Ballast und der Entwicklung einer Kultur kontinuierlicher Verbesserung.

Alles in allem eine Mischung also aus dem altgedienten McKinsey-Baukasten und aus neuen technologischen Instrumenten. Eine für Anwender sicherlich besonders spannende Frage ist die nach der richtigen Reihenfolge der Maßnahmen, auf die die Berater unter anderem den Fokus legen.

Patentrezepte gibt es leider auch hier nicht

Zunächst einmal gebe es kein Patentrezept, so McKinsey. Die richtige Reihenfolge hänge von einer Vielzahl an Variablen ab. Gemeint sind damit beispielsweise die vorhandenen Altsysteme und bestehende Verbindungen von kundenorientierten und internen Prozessen. Im Idealfall bauen die Hebel aber aufeinander auf. Wie das im Einzelfall funktioniert, lässt sich durch systematische Analyse und strukturierte Evaluierung feststellen.

Digitalisierung der internen Kommunikation
E-Mail - der Klassiker überflutet
Sie kommt frei Haus in das Postfach – manchmal erwünscht – manchmal unerwünscht. E-Mails spielen trotz dem Einzug von Enterprise 2.0 weiterhin eine wichtige Rolle. Gehen Sie aber sorgsam mit ihr um. Halten Sie Informationen kurz und knapp. Der Empfänger muss richtig gewählt werden. Ihre Mitarbeiter werden es ihnen danken.
Apps - Standardaufgaben unterwegs erledigen
Mit betriebsinternen Apps können Sie auf interne Daten in Sekundenschnelle und von überall zugreifen und die Einsatzgebiete sind vielfältig. So können Sie die Unternehmensnews auf dem Smartphone der Mitarbeiter anbieten, verschiedene Verbrauchsdaten anzeigen, ein Problem an IT über eine App melden oder verschiedene Workflows starten oder genehmigen. Beispiel: Eine App, die den Mitarbeitern anzeigt, ob ihr Gerät für den Wechsel auf Windows 10 geeignet ist.
Das gedruckte Wort - verblasst
Das schwarze Brett, Mitarbeiterzeitungen oder Aushänge sind zwar noch nicht ausgestorben, verlieren aber künftig mehr und mehr an Bedeutung. Wenn sie ein Poster oder Aushang nutzen wollen, verknüpfen sie doch ihren digitalen Inhalten zum Beispiel durch den Einsatz eines QR Codes.
Interne Social Media Plattformen - der direkte Kontakt zum Mitarbeiter
Interne Social Media Plattformen – direkter Kontakt zum Mitarbeiter: Viele Großunternehmen in Deutschland setzen bereits auf Social Media. Sie spielen eine immer größere Rolle, fordern den klassischen IT Mitarbeiter und fördern die Kommunikation mit den Mitarbeitern, durch Blogs mit direkter Feedbackmöglichkeit, Chats, Links, direkte Kommentarmöglichkeiten usw. Wichtig ist es schnell zu antworten und Feedbacks nicht zu ignorieren. Der direkte Kontakt zwischen Service Owner und Enduser schafft Vertrauen. Mitarbeiter können sich außerdem gegenseitig helfen. Gerade bei Beta-Tests können Sie in verschiedenen Gruppen wunderbar zusammenarbeiten und sogar Kunden oder externe Service Provider mit einbinden. Sie können klassische Supportkanäle und IT Service Management Tools unterstützen. Klassische Intranet Lösungen werden in Zukunft wohl eher eine sekundäre Rolle spielen. Wollen Sie sich auf Abenteuer Enterprise 2.0 einlassen? Wenn ja, stellen Sie Richtlinien wie zum Beispiel Social Media Guidelines auf.
Videos - knackig, kurz, leicht konsumierbar
Kurze knackige 2-3 Minutenvideos können die IT Kommunikation erheblich bereichern und sprechen nicht nur die jüngere YouTube-Generation an, wenn sie gut gemacht sind. Achten Sie auf einen spannenden und abwechslungsreichen Schnitt der Videos. Das Internet ist voller Informationen, wie es funktioniert. Zum Beispiel: TechSmith Blog oder Storytelling Secret (Prezi). Vielleicht haben Sie einen IT-Mitarbeiter dem die Produktion solcher Videos Spaß macht, unterstützen Sie das durch Weiterbildung.
Trainings und interne Events - schulen Sie sich und Ihre Mitarbeiter
Im Idealfall sind keine Trainings nötig, denn Produkte sollten ja selbsterklärend sein. Bedauerlicherweise haben Sie dies nur bedingt in der Hand und spätestens bei der Einführung eines neuen Betriebssystems oder einer Fremdsoftware, die Sie nicht selbst entwickelt haben, sind Erklärungen notwendig. Trainings unterstützen dabei, die Akzeptanz deutlich erhöhen und damit die Produktivität der Mitarbeiter zu steigern. Das zahlt sich für beide Seiten aus: der Supportaufwand wird minimiert und kanalisiert und die Wahrnehmung der IT im Unternehmen verbessert sich. Ob Sie diese als Präsenz oder virtuelle Veranstaltung anbieten hängt sicher von der Größe des Unternehmens und den unterschiedlichen Standorten ab. Durch interne Events, die Sie interessierten Mitarbeitern anbieten, können Sie Ihre IT-Abteilung präsentieren und ihre Innovationskraft unterstreichen. Haben Ihre Unternehmensbereiche oder spezielle Nutzergruppen vielleicht eigene Events? Prima, nehmen Sie Teil und schneiden Sie ihre Präsentation auf deren Bedürfnisse zu.

Aber selbst dann kann ein Abweichen von der ermittelten Reihenfolge sinnvoll sein - etwa aus strategischen Überlegungen. Will ein Unternehmen zum Beispiel digitaler Vorreiter sein, ist es logisch, zunächst die Digitalisierung in den Mittelpunkt zu rücken und darauf weiter aufzubauen.

Der Vorstand muss Vorreiter sein

Eine zentrale Rolle bei der Entwicklung eines neuen Betriebsmodells hat laut McKinsey in jedem Fall der Vorstand. Wenn dieses quasi zur Chefsache gemacht ist, können die Phasen der Evaluierung und der Implementierung folgen. In jedem Fall geht es um eine umfassende Umgestaltung. "Transformation kann keine vereinzelte Anstrengung sein", so die Berater.