Thesenpapier

Microsoft-Managerin: Offene Standards essentiell

01.11.2012 von Johannes Klostermeier
Der Wirtschaftsrat der CDU fordert, dass die Politik offene Standards unterstützt. Dorothee Belz, aktiv im Rat, erläutert im Interview die Thesen des Gremiums.

Seit dem Erfolg der Piraten häufen sich die netzpolitischen Konferenzen von CDU/CSU, FDP und den Grünen. Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. verfügt über einen eigenständigen Expertenkreis, der die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages unterstützt.

Dem Berater-Gremium steht Dorothee Belz vor. Sie ist im Hauptberuf Mitglied der Geschäftsführung von Microsoft Europa und verantwortet als General Counsel den Rechts- und Politikbereich. Das Gremium hat für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages Handlungsempfehlungen zu den Themen Interoperabilität, Standards und freie Software erarbeitet.

Über das Thesenpapier des Wirtschaftsrates „Mehr Innovationen durch offene IT-Standards", das alle Mitglieder der Enquete-Kommission erhalten werden, sprach CIO.de mit Dorothee Belz.

CIO.de: Was steht in dem Papier?

Dorothee Belz, Mitglied der Geschäftsführung von Microsoft Europa, und aktiv im Wirtschaftsrat der CDU.
Foto: Microsoft

Dorothee Belz: Die große Überschrift ist die Wirtschaftspolitik. Es geht darum, darauf zu achten, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Wirtschaft wachsen kann. Unser Papier beschäftigt sich mit der Themengruppe Interoperabilität, Standards und freie Software.

Die wichtigsten Aussagen sind: Wir halten offene Standards für die Softwarebranche für essentiell, da sie für die Interoperabilität zwischen Systemen gebraucht werden. Nur so kann fairer Wettbewerb entstehen, weil der Datenaustausch über verschiedene Produkte hinweg gegeben ist.

In der Diskussion geht es oft darum, dass Offenheit nur mit Open Source gewährleistet ist. Das stimmt so nicht, die Themen sind voneinander zu trennen. Das eine sind offene Schnittstellen. Open Source ist ein Geschäftsmodell abgegrenzt zur Lizenzsoftware. Beim Thema Open Source sollte sich die Politik nicht einmischen. Anders als beim Thema offene Schnittstellen, weil ansonsten Innovation und Interoperabilität verhindert werden. Hier sollte man sich auf anerkannte internationale oder auch europäische Standards einigen.

Die verschiedenen Infrastrukturen der Verwaltungen müssen konsequenter zusammengeführt werden. Hier ist der Austausch der Daten oft nicht gegeben - und das liegt nicht nur an der Technik.

CIO.de: Frau Belz, Sie arbeiten beim Wirtschaftsrat der CDU mit. Wie kam es dazu?

Belz: Ich arbeite nicht bei einer Partei mit und bin auch kein Mitglied, sondern ich engagiere mich im Wirtschaftsrat der CDU, weil ich der Meinung bin, dass sich dort die Breite der deutschen Industrie wiederfindet und man über verschiedenen Interessenlagen der Wirtschaft hervorragend diskutieren kann. Microsoft engagiert sich in verschiedenen Verbänden in Deutschland und Europa. Mein Interesse gilt den mittelständischen Unternehmen. In der Enquetekommission ist die Wirtschaft nicht ausreichend vertreten. Deswegen gibt es diese Expertengruppe des Wirtschaftsrates.

CIO.de: Bei Open Source versus Lizenzmodellen gibt es verschiedenen Ansichten. Gibt es denn Menschen, die gegen Offene Standards sind?

Belz: Die Diskussionslinie ist oft so: Die Open-Source-Szene sagt, nur Open-Source-Software sei offene Software, proprietäre Software sei hingegen nicht offen. Das ist so nicht richtig, denn es geht ja darum, was kann ich mit der Software machen und was möchte ich damit machen? Wenn ich mir Software kaufe, dann möchte ich mich auch mit anderen Programmen austauschen können.

Wirtschaftsrat vs. Open-Source-Community

CIO.de: Gib es denn wirklich Verwirrung um die Begriffe Open Source und offene Standards in der Enquetekommission?

Im Bundestag herrscht Verwirrung. Geht es um Open Source oder um offene Standards?
Foto: MacX - Fotolia.com

Belz: Das Bundesinnenministerium hat Richtlinien herausgegeben, welche Standards die Grundlagen für die IT-Infrastruktur bilden sollen, die heißen SAGA (Standards und Architekturen für E-Government-Anwendungen). Wir sind mit dem Prozess und dem Ergebnis einverstanden. Das Ministerium hat hier eine neutrale Technologieposition eingenommen.

Wobei man immer im Detail diskutieren muss. Wie viele Standards soll der Staat vorgegeben? Es kann ja keine Differenzierung mehr geben, wenn alle Standards fest gelegt sind. Auch für neue Produkte kann das innovationshinderlich sein. Man muss stets das richtige Gleichgewicht finden. In der Enquetekommission hat sich nun aber eine starke Open-Source-Community zu Wort gemeldet, die sich für eine politische Präferenz für Open Source ausspricht. Hier ist der Wirtschaftsrat für Neutralität, da hat sich die Politik nicht einzumischen.

CIO.de: Wie schätzen sie die Arbeit der Kommission generell ein? Dazu gibt es ja kritische Stimmen.

Belz: Meine persönliche Position ist: Der große Verdienst der Arbeit ist, dass die Kommission ins Bewusstsein gerufen hat, wie sich die Themen Digitalisierung und Internettechnologie fundamental auf alle Bereiche der Gesellschaft auswirken. Die Zusammensetzung der Experten der Kommission wird aber sehr stark gesellschafts- und nicht wirtschaftspolitisch dominiert. Hier würde ich mir eine breitere Bearbeitung der Themen mit einer stärker internationalen und wirtschaftspolitischen Sicht der Dinge wünschen.

CIO.de: Was sind die kommenden Themen im Wirtschaftsrat der CDU?

Die CDU beteiligt sich an der Diskussionen über das Internet und die Gesellschaft.
Foto: CDU

Belz: Wir werden die Themen und die Arbeit der Kommission bis zum Ende der Wahlperiode weiter verfolgen. Das Thema ist aber damit noch nicht beendet. Mit den dort identifizierten Fragen werden wir sicher weiter arbeiten und uns dabei auch von den Themen der Enquete-Kommission abkoppeln. Die nächsten Themen werden das Urheberrecht, Datensicherheit und Datenschutz sein.

Fehlendes Wissen "eher ein Generationen- als ein Parteienthema"

CIO.de: Sie arbeiten bei Microsoft. Wie ist Ihre Außenwahrnehmung, wie weit ist die CDU bei den Themen Internet und digitale Gesellschaft?

Belz: Das ist meiner Meinung eher ein Generationen- als ein Parteienthema. Die etablierten Politiker aller Parteien haben sich bislang nicht ausreichend mit der Thematik beschäftigt. Es ist ein Verdienst der Piratenpartei, diese Dinge voran zu treiben. Etwa: Welches Internet wollen wir haben? Ein liberales, ein hoch reguliertes oder ein Internet ganz ohne Regeln? Ich würde mir wünschen, wenn es mehr Menschen gibt, die sich ernsthaft mit diesen Themen auseinandersetzen. Denn die Veränderungen sind fundamentaler als viele denken. Hier sollte die Politik Weichenstellungen vornehmen.

CIO.de: Machen genug Menschen aus den Unternehmen bei der Diskussion mit?

Belz: Wir als Unternehmen beteiligen uns sehr stark an der Diskussion, auch deshalb, weil sich das fundamental auf unser eigenes Geschäft auswirkt. Auch deshalb wollen wir die Diskussionen vorantreiben. Vor allem mittelständische Firmen sollten sich noch mehr mit den Themen auseinandersetzen. Denn es ändert sich sehr viel für fast jedes Unternehmen: Marketing, Vertrieb, Kommunikation, Prozesse. Hier wünsche ich mir noch mehr Beteiligung. Bei der ACTA-Diskussion etwa gab es ein wichtiges Thema, das durchaus im Interesse der deutschen Wirtschaft lag, doch die Wirtschaft blieb stumm.

CIO.de: In Essen ist am 13. November der kommende Nationale IT-Gipfel. Habe Sie Hoffnungen auf eine große Wirkung?

Bisher keine großen Würfe beim Nationalen IT-Gipfel

Microsoft beteiligt sich am Nationalen IT-Gipfel. Dorothee Belz geht aber nicht hin.

Belz: Wir sind dort als Unternehmen in mehreren Arbeitsgruppen beteiligt. Ich persönlich bin dort aber nicht dabei. Die Frage ist immer, ob derartige Gipfel wirklich konkrete Ergebnisse bringen können. Was fehlt, sind die großen Würfe, Pläne und Vorstellungen. Die waren bei den IT-Gipfeln der letzten Jahre leider nicht dabei.

Das Thesenpapier des Wirtschaftsrates zum Thema "Mehr Innovationen durch offene IT-Standards" findet sich hier. Kernthemen des Dikussionspapiers sind die Vor- und Nachteile von offener und lizensierter Software, die wachsende Relevanz der Interoperabilität sowie die sich hieraus ergebenden Anforderungen gerade für den öffentlichen Bereich.