Mobile Banking per CreditSMS

Mit dem Handy in die Finanzwelt

03.09.2009 von Ken Banks
Bislang war den Armen der Welt der Zugang zum offiziellen Bankengeschäft versperrt. Der Dienst CreditSMS ist auf dem besten Weg das Finanzwesen auf revolutionäre Weise zu öffnen.
CreditSMS geht neue Wege, bei der Etablierung eines Finanzsystems auf Handy-Basis.

Mobile Commerce entwickelt sich rasant zu einer der kosteneffizientesten und weitreichendsten Methoden um den Armen der Welt erstmals Zugang zu Finanzdienstleistungen zu gewähren. Doch viele dieser Services sind bislang noch weitgehend formlos und unterstehen weder einer Bank noch folgen sie den üblichen Marktregularien. Eine neue Initiative mit dem Namen CreditSMS hat sich zum Ziel gesetzt, M-Commerce mit den herkömmlichen Instrumenten des Finanzmanagements zu verknüpfen, das Informelle zu strukturieren und die soziale Kluft im Finanzwesen zu überwinden.

Die Popularität der Finanzdienstleister M-PESA in Kenia und GCash auf den Philippinen belegt, dass die Menschen in den Entwicklungsländern entschlossen sind, die ihnen zur Verfügung stehenden Technologien (insbesondere Mobiltelefone) zu nutzen, um sich Zugang zu den Dienstleistungen zu verschaffen, die sie benötigen (zum Beispiel Spareinlagen, Kredite, Geldüberweisungen und Versicherungen). Viele Innovationen in diesem Bereich stammen nicht aus den Unternehmen, sondern aus den Reihen der "Banklosen" selbst stammen. So haben viele Pre-Paid-Handy-Nutzer die Aktivierungscodes für ihre Sprechzeiten statt auf ihr eigenes Handy per SMS auf die Geräte ihrer Freunde transferiert - woraus faktisch ein Time-Sharing-Service für Handy-Sprechzeiten erwuchs..

Sprechzeiten als Einkommensquelle

Im nächsten Schritt entdeckten die Handy-Nutzer, dass sie zwar ihre Sprechzeiten mit Abschlag an einen Vertriebshändler, aber ebenso mit Gewinn an Personen in ihrem direkten Umfeld verkaufen konnten, die selbst keinen Zugang zu einem Handy hatten. Sie erkannten, dass Sprechzeiten selbst eine Einkommensquelle sein können - und ein informelles mobiles Geldtransfersystem war geboren. Da der mobile Geldtransfer über Sprechzeiten inzwischen fast zur Normalität geworden ist, verändert sich der Fokus der Fragestellung von "Wie regulieren wir den mobilen Transfer?" hin zu "Wie regulieren wir die immer komplexeren Transaktionen, die durch den mobilen Transfer erst möglich wurden?". Etwas einfacher ausgedrückt lautet die entscheidende Frage: "Wie können wir inoffziellen Finanzdienstleistern und Banken ohne Zweigstellen dieselben Instrumente zur Verfügung stellen wie den offiziellen Instituten?

CreditSMS erlaubt Kommunikation Handel mit Sprechzeiten

CreditSMS entwickelt eine über FrontlineSMS betriebene Finanzmanagement-Software, die die Echtzeit-Kommunikation zwischen mobilen Geldtransaktionen und individuellen Nutzer-Profilen erlaubt (FrontlineSMS ist eine kostenlose Open-Source-Software für die Nutzung von Computern und Handys als Gruppen-Nachrichten-Verteiler). Dadurch können Mitglieder von Netzwerken für die Transaktion von Sprechzeiten oder mobilem Geldtransfer in großem Stile Transaktionsbelege ausgeben oder verbuchen. Kleinstfinanzinstitute (Microfinance institutions - MFIs), Kooperativen, die so genannten ROSCAS (rotating savings and credit associations) und sogar erweiterte Netzwerke zwischen Verwandten können so regional weit gestreute "Banken ohne Filialen" betreiben, ohne dabei notwendigerweise den lokalen Bankenaufsichten unterstellt zu sein.

Der Autor Ken Banks setzt sich für mobile Technologien zugunsten des sozialen und ökologischen Wandels ein.

Neben der Möglichkeit grundlegende Banktransaktionen zu überwachen wird die CreditSMS-Plattform auch über alle notwendigen Parameter bereit stellen, um individuelle Finanz-Produkte zu entwickeln und per SMS zu übertragen. So werden die Nutzer etwa in der Lage sein, Geldanlage-Services anzubieten, indem sie mobiles Geld auf der SIM-Karte ihres lokalen CreditSMS-Verteilerzentrums speichern. Möchte ein Sparer innerhalb des Netzwerks Ersparnisse anlegen oder abheben, muss er lediglich einen entsprechenden Code und den Geldbetrag an das Verteilerzentrum senden, das dann die Anfrage automatisch mit dem Nutzerprofil abgleicht und die entsprechende Geldanlage entweder belastet oder ihr den Betrag zuschlägt.

Aber die Spareinlagen sind nur der Anfang. MFIs, die das CreditSMS-System nutzen, werden in der Lage sein, Mikrokredite zu vergeben und terminierte Rückzahlungen per SMS zu empfangen. Auf diese Weise sparen sie sowohl Kosten als auch Zeit, die bislang nötig war, um die ländliche oder anderweitig schwer zugängliche Kundschaft zu erreichen. Im Gegenzug werden MFIs ihren Spielraum nutzen können, Zinsen für Kredite (die üblicherweise mehr als 25 Prozent betragen) zu senken und sie werden mehr Zeit haben, größere Kundenportfolios über größere Distanzen zu verwalten.

Zugang zu Finanzdienstleistungen verändert Blick auf die Zukunft

CreditSMS ermöglicht MFIs außerdem, ihren Kunden Versicherungen und Produkte für die soziale Absicherung anzubieten. Indem sie Nutzern erlauben, individuelle Angebotspakete zu entwickeln und regelmäßige Zahlungen per SMS nachverfolgen zu können, sind MFIs ihrerseits in der Lage nachzuverfolgen, welche Kunden über welches Versicherungspaket versichert sind und welche Auszahlungen diese erwarten können. Obwohl Versicherungen und soziale Absicherungen in Entwicklungsländern vielleicht als unnötiger Luxus erscheint, könnte der Zugang zu den Angeboten etwa wie Ernte-, Gesundheits- oder Lebensversicherungen die Art und Weise verändern, mit der die Menschen in die Zukunft blicken und wie sie mit unternehmerischen Risiken umgehen. Schließlich wird die zuverlässige Nutzung dieser Angebote den Kunden ermöglichen, eine persönliche Kredibilität zu etablieren, über die sie den Weg in das formale Wirtschaftssystem finden..

Entscheidend: Das Vertrauen zwischen den Akteuren

Natürlich gibt es Vorbehalte, die erhöhte Effektivität und Reichweite der "filiallosen Banken" weiter zu vereinfachen. Wo es keine Regularien zum Schutz der Kunden vor Missbrauch, schlechtem Finanzmanagement oder sogar vor nacktem Betrug gibt, spielen Schutzmaßnahmen eine entscheidende Rolle. Der Erfolg inoffizieller Geldtransfersysteme wie Hawala, Hundi oder Fei Chen zeigen eines ganz deutlich: die Bedeutung von Vertrauen zwischen den Akteuren. Betrachten Sie beispielsweise das Beispiel Afghanistan: Aufgrund fehlender offizieller Finanzinstitutionen (und noch allgemeiner dem Fehlen gesetzliche Regelungen überhaupt), haben die Betreiber von Geldwechsel-Stuben in Kabul eine Vereinigung gegründet, deren Geschäftsgrundlage auf Qualität, Service und Ehrlichkeit beruht.

Schwarze Schafe werden ausgeschlossen

Geldwechsler, die diese Regeln verletzten wurden aus der Vereinigung ausgeschlossen, über eine schwarze Liste vom Kabuler Markt verbannt und so effektiv aus dem Berufsstand verdrängt. Obwohl Vertrauen kein Ersatz für etablierte Institutionen wie die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC, ein US-Einlagesicherungsfonds) sein kann, spielt es in der inoffziellen Ökonomie die Rolle einer mächtigen und allgegenwärtigen Kraft, die weder ignoriert noch vernachlässigt werden kann. Sie ist gewissermaßen der "Klebstoff", der die Teile dieses informellen Wirtschaftsgeflechts zusammen hält.

Obwohl jedes System anfällig für Manipulation und menschliche Unzulänglichkeit ist, haben die Angebote, die CreditSMS ermöglicht, das Potenzial, die Finanzwelt auf revolutioniäre Weise zu verbessern - und vielleicht sogar zu demokratisieren.

Eine der größten Ungerechtigkeiten entschärfen

Indem sie buchstäblich eine ganze Palette von Finanzdienstleistungen in die Hand ihrer Kunden legt - unabhängig davon, wo sie leben - strebt CreditSMS die Entschärfung einer der größten Ungerechtigkeiten unserer Zeit an.

Ken Banks beschäftigt sich mit dem Einsatz mobiler Technologien zugunsten des sozialen und ökologischen Wandels in den Entwicklungsländern. Banks hat in den vergangenen 15 Jahren an verschiedenen Projekten in Afrika mitgewirkt. Als Ergebnis seiner kontinuierlichen Arbeit entwickelte der Gründer von kiwanja.net FrontlineSMS, ein System zur Feldkommunikation, das speziell Non-Profit-Basisorganisationen fördern soll. Ken Banks absolvierte sein Studium in Sozial-Anthropologie mit Auszeichnung für seine Entwicklungsstudien und arbeitet zur Zeit an verschiedenen Projekten zu mobilen Technologien mit, die von der Hewlett Foundation unterstützt werden.

Benjamin Lyon ist Gründer und Geschäftsführer von CreditSMS. Seine ganze Leidenschaft gilt der Förderung von Technologien, mit dem Ziel die Finanzmärkte weltweit zu öffnen. Lyon absolvierte sein Studium der Wirtschaftswissenschaften am Rhodes College, wo er sich auf Formen der Mikrofinanzierung und inoffizielle Ökonomien spezialisierte.