Ungenutzte Businesspotenziale

Mit IoT verdienen Unternehmen kein Geld

12.05.2015 von Christiane Pütter
Nicht einmal ein Drittel der Unternehmen können ihre Services über das Internet of Things monetarisieren. Die Ursachen analysiert Berater IQ mit einer Systematik.
  • Aus dem Internet of Things (IoT) wird noch nicht viel Umsatz generiert.
  • Das liegt auch daran, dass derzeit 87 Prozent der IoT-fähigen Geräte nur in geschlossenen Systemen funktionieren.
  • IQ! nimmt eine Systematisierung in indirekte und direkte Monetarisierung vor.

Selbstständig arbeitende Roboter, kommunizierende Maschinen und jede Menge Einblick in das Verhalten der Kunden - das Internet der Dinge (oder Internet of Things, IoT) verspricht viel. Die IQ! Managementberatung aus München hat sich angesehen, was dahinter steckt und in der Studie "Businesspotenziale im Internet of Things" den Versuch einer Systematisierung unternommen. Denn noch sind die Umsätze, die via IoT generiert werden, bescheiden.

Zunächst eine ernüchternde Zahl: Weniger als 30 Prozent der Unternehmen, die IoT-Services anbieten, verdienen damit Geld, berichtet IQ mit Verweis auf eine Studie von Capgemini. IQ spricht gar von einem Fluch, der auf dem Internet der Dinge laste.

Die Münchener Managementberatung IQ! legt eine Systematik der Geschäftspotenziale im Internet of Things vor.
Foto: IQ! Managementberatung

Um diesen zu bannen, liefern die Consultants eine umfassende Systematik möglicher Geschäftspotenziale. Die gröbste Unterscheidung ist die in indirekte und direkte Monetarisierung. IQ beschreibt das wie folgt:

Direkte Monetarisierung

Bei der direkten Monetarisierung entstehen die Umsätze aus einem IoT-Produkt oder -Service. IQ nennt vier Felder:

1. Das digital aufgewertete Produkt: Als einfachste Form, Erlöse zu generieren, gilt das digital aufgeladene Produkt mit seinem Zusatznutzen gegenüber dem rein analogen Angebot.

2. Digitales Servicegeschäft: Nicht nur das Produkt selbst kostet den Kunden Geld, sondern auch die über das IoT angebotenen Services wie etwa ein personalisiertes Sport- oder Diätprogramm zum Fitness-Armband.

3. Physisches Servicegeschäft: Das digitale Servicegeschäft kann das physische ergänzen. Beispiel: After Sales-Geschäft, für das die Termine über Connectivity Daten generiert werden.

4. Cross-Selling: Dem Cross-Selling schreibt IQ erhebliches Potenzial zu. So kann ein intelligenter Rasenmäher Kaufempfehlungen zu weiteren Gartengeräten aussprechen.

5. Big Data Kommerzialisierung: Die Berater nennen ein weiteres Umsatzfeld, das bisher noch wenig beackert wird: die Kommerzialisierung von Nutzerdaten, die für Dritte interessant sein könnten. Sie warnen jedoch: "Hier sind die datenschutzrechtlichen Entwicklungen äußerst genau zu beobachten und entsprechende Vorkehrungen zu treffen."

Indirekte Monetarisierung

Als indirekte Monetarisierung bezeichnet IQ Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen durch das IoT.

1. Produktentwicklung/Forschung: Ohne Internet müssen Hersteller ihre Kunden befragen oder Produkttests durchführen. Das IoT dagegen ermöglicht Rückkoppelungen zur Produktentwicklung. Wer alle Daten rund um den Betrieb des Produkts erfasst, ist über Ausfälle, Probleme und Schwachstellen informiert. Außerdem zeigen solche Daten, wo, wann und wie das Produkt genutzt wird.

2. Kundenservice: Service- und Analysezeiten im Kundenzentrum sinken, wenn der Hersteller remote auf das Gerät zugreifen kann. Wer Daten proaktiv analysiert, kann Ausfälle präventiv abwenden.

3. Kundenbindung/Marketing: Direkter und ständiger Draht zum Kunden statt millionenschwerer Werbebudgets - das stellt das IoT in Aussicht. Die Berater von IQ erwarten daher Umschichtungen im Marketing: weg von der teuren Neukunden-Akquise und hin zur günstigeren Bestandskundenbetreuung.

IQ betont, dass Business Cases auch die genannten indirekten Monetarisierungen berücksichtigen müssen. Wer deren Potenzial heben will, muss vorab eine "dezidierte Strategie" entwickeln.

Business-Ideen im Internet of Things
AdhereTech: Tabletten schon eingenommen?
Als zwei von zehn interessanten IoT-Startups hat Computerwoche die folgenden beiden Beispiele vorgestellt. AdhereTech ist eine smarte Pillendose, die den Patienten darauf hinweist, seine Tabletten einzunehmen.
Chui als sicherer Türöffner
Chui soll über Gesichtserkennung die „weltweit intelligenteste Türklingel“ sein.
Nicht verwandt: Chui Motorcycle Trackers
Aus einer Serie von Motorrad-Diebstählen in Kenia ist die Idee entstanden, einen GPS-Service für verloren gegangene Maschinen und Flottenmanagement aufzubauen. Das Chui in Chui Motorcycle Trackers ist nicht Chinesisch, sondern Swahili und bedeutet Leopard, zugleich Wappentier der Firma.
Wo ist Lilly?
Unter dem Namen „Wo ist Lilly?“ entwickelt und vertreibt ein junges Berliner Unternehmen GPS-Tracker für Kinder, Katzen und Hunde. Ähnliche Produkte werden auf der Alm auch für frei weidende Kühe eingesetzt.
Au Back, die Klingen gehen aus!
Ob „Mann“ morgens vor dem Spiegel tatsächlich die Sorge hat, dass er sich anderntags nicht mehr nassrasieren kann, sei dahingestellt. Aber mit dieser Box hat Gilette eine M2M-Lösung entwickelt, welche die Nachbestellung auf Knopfdruck ermöglicht.
Yoints statt der alten Rabattmarken
Das Hamburger Startup Yoints ermöglicht es Geschäften, dass die Kunden über die eigenen yBeacons am Ladeneingang schon mit Bonuspunkten belohnt werden, ebenso auch an der Kasse. Kommen genügend Treuepunkte zusammen, können die fleißigen Käufer dann mit Prämien belohnt werden. Praktisch ist das eine Art Rabattmarken 4.0.
Toshiba-Idee für Public Displays
Von der personalisierten Kundenansprache träumen heute viele Handelshäuser und ihre IT-Partner. Nicht zuletzt deshalb hat Facebook gerade die Nutzungsbedingungen geändert hat, heißt es. Hersteller von Public Displays arbeiten seit langem an entsprechenden Digital-Signage-Lösungen für Einkaufszentren, Bahnhöfe und Flughäfen etwa. Noch in der Findungsphase findet sich diese von Toshiba mit Sonys TransferJet für den Informations- und Datenaustausch auf kurze Entfernungen.
Seidensticker-Hemden aus dem Automaten
Selbst eine Traditionsmarke wie Seidensticker geht mit der Zeit und bietet die Herrenhemden über Automaten an, die über M2M zentral den Füllstand anzeigen. Mehr und mehr Automatenaufsteller setzen auf diese Technologie, weil das Abfahren und Aufschließen jeder einzelnen Verkaufsbox weit teurer ist.
Datenbrillen zum Wohle der Patienten
Medizintechnik und Gesundheit sind das absatz- und umsatzstärkste Segment für Wearables. In der Radio-Onkologie des Universitätsspitals Zürich setzt man für die Atem-Selbstkontrolle der Patienten im CT auf die Moverio BT-100 genannte Datenbrille von Epson.
Entwicklerplattform Apple Watch
Smartwatches wie Apple Watch bieten Entwicklern viele Möglichkeiten für eigene Geschäftsideen, nicht nur im viel zitierten Bereich Fitness.
Samsung verspricht massive Fördermittel
Samsung-CEO BK Yoon hat auf der CES 2015 Anfang Januar 100 Millionen Dollar an Fördermitteln für Entwickler in Aussicht gestellt. „Denn nur zusammen können wir die Zukunft des Internets der Dinge gestalten“, so Yoon. Besonders gefördert werden sollen Technologie-Startups, wie sie die Deutsche Telekom übrigens über fünf Jahre mit 500 Millionen Euro den Steigbügel halten will.
Intel Make it Wearable
Rund um die eigene Edison-Plattform hat Intel 2014 einen mit 500.000 Dollar dotierten Wettbewerb für interessante Wearable-Ideen ausgeschrieben. In den zehn Finalistenteams waren auch mehrere Deutsche.
Die Drohne Nixie hat bei Intel gewonnen
Die 500.000 Dollar aus dem Intel-Wettbewerb „Make it Wearable“ hat das US-Team Nixie mit dieser handlichen Drohne als erste tragbare Kamera gewonnen, die fliegen kann. Dabei gab es auch andere gute Ideen. Einen smarten Handschuh mit integrierten Sensoren, Scanner und Display hatte zum Beispiel das Team ProGlove aus München ins Rennen geschickt.

Offene Systeme für die Kommunikation fehlen

Noch steht die Monetarisierung des IoT am Anfang, so IQ. Ein technologisches Hemmnis ist das Fehlen offener Systeme. Wie die Berater schreiben, können derzeit lediglich dreizehn Prozent der IoT-fähigen Geräte untereinander kommunizieren. Die anderen 87 Prozent funktionieren nur innerhalb geschlossener Systeme.

Genau von solchen Faktoren hängt aber die Nutzerfreundlichkeit und damit Nutzerakzeptanz ab. Hier besteht also Verbesserungsbedarf.

Motor des Ganzen ist der Consumer-Bereich. IQ zitiert Zahlen des US-Marktforschers Gartner, wonach im Jahr 2020 mehr als die Hälfte der IoT-Produkte aus dem B2C-Umfeld kommen wird, und dabei ist Automotive gar nicht miteingerechnet.