IT-Manager wetten

Neue IT-Architektur für die Generation C

30.08.2011 von Volker Smid
Volker Smid, Vorsitzender der Geschäftsführung, Hewlett-Packard, wettet, dass im Jahr 2021 ... Wetten Sie mit!

"Ich wette, dass in zehn Jahren die IT-Architektur über Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheidet."

Volker Smid ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Hewlett-Packard.
Foto: Hewlett-Packard

Wie sehen wir die Entwicklung der Unternehmen in der Zukunft? Welche Geschäftsmodelle werden erfolgreich sein? Wie wird sich die Rolle der IT verändern? Welche Implikationen haben diese Veränderungen?

Die Antworten auf diese Fragen lassen sich ableiten aus den fulminanten Entwicklungen, die wir in den letzten Jahren erlebt und mitgestaltet haben. Wenngleich eine Vorhersage über zehn Jahre - wie jede Prognose - gerade für die IT nicht ohne Risiko ist. Denn wir sind einfach schnell und innovativ.

Vor gerade einmal 15 Jahren haben uns Zukunftsforscher gefragt, ob wir uns vorstellen können, dass wir in spätestens zehn Jahren in praktisch jedem Hotelzimmer einen Internetanschluss haben. Sie haben uns gefragt, ob wir uns vorstellen können, dass Waschmaschinen ihre Stromabnahme und damit ihren Betrieb nach Verfügbarkeit und Preis steuern und dass sich die Kartografen keine Sorgen mehr um die Aktualisierung der Straßenkarten machen müssen, weil Autos satellitengestützt navigieren.

Am 1. Oktober 1995 hat das World Wide Web Consortium (W3C) in Massachusetts gerade seinen ersten Geburtstag gefeiert. Übrigens wurde knapp zehn Jahre zuvor, am 3. März 1986, "hp.com" als neunte Dotcom-Adresse registriert, am 19. März 1986 folgte "ibm.com" als elfte Dotcom-Domain. Heute werden pro Minute 70 neue Domains registriert, heute hat praktisch jede Jugendherberge eine Homepage, in jedem Hotel gibt’s einen WLAN-Zugang, und wenn nicht, geht man mobil ins Netz.

Wie die übernächste Generation lebt

Unser Branchenverband, der Bitkom, hat erst kürzlich die Studie "Jugend 2.0" vorgestellt, wonach inzwischen 98 Prozent der 10- bis 18-Jährigen das Internet aktiv nutzen. Dabei liegt die Informationssuche bei 76 Prozent der Nutzer an erster Stelle, 74 Prozent nutzen Communities.

Das zeigt: Für die übernächste Generation ist es eine Selbstverständlichkeit, sich online zu verständigen und zusammenzuarbeiten. Das Netz hat unsere Art zu kommunizieren und Geschäfte zu machen fundamental verändert - in kürzester Zeit. Die Sozialen Netzwerke haben diese Entwicklung allein in den vergangenen zwei Jahren nochmals deutlich beschleunigt.

Was passiert heute im Internet - in einer Minute? In einer Minute versorgt Google knapp 700.000 Suchanfragen. 6.600 Fotos werden auf Flickr, 600 Videos auf YouTube hochgeladen - das entspricht über 25 Stunden Filmlaufzeit. Auf Facebook erfolgen jede Minute 695.000 Status-Updates, werden über 510.000 Kommentare gepostet. Auf Twitter werden pro Minute 320 neue Accounts registriert und knapp 100.000 Tweets generiert. Und es werden - immer noch - über 168.000.000 E-Mails verschickt, pro Minute (vgl.: www.go-gulf.com/blog/60-seconds).

Heute gibt es über eine Milliarde Internetnutzer weltweit. Die Zahl der Handyanschlüsse stieg im Jahr 2010 auf über fünf Milliarden. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der Zahl der Handyverträge vor Italien, Großbritannien und Frankreich. Inzwischen nutzt rund die Hälfte der deutschen Verbraucher E-Mail-Dienste aus der Cloud, jeder Fünfte nutzt Internet-Dienste zum Speichern und Archivieren von Bildern, Musik, Videos und Dokumenten. Wir sind alle dabei, und unser Nachwuchs erst recht.

Die weltweiten "Facebook"-Zahlen mit über 600 Millionen Nutzern zeigen das Potenzial für gesellschaftliche Entwicklungen auf und für die Art, wie wir künftig arbeiten und Geschäfte machen werden. Da ist eine große Dynamik drin, die man mit Sicherheit bisher vielerorts unterschätzt hat. Die Generation "C", also die nach 1990 Geborenen, wird in einer Studie von Booz & Co. wie folgt beschrieben: Sie sind aufgewachsen unter dem Einfluss von Harry Potter, Barack Obama und dem "iEverything" - also iPods, iTunes, iPhones. Nun, da gibt es auch noch andere Hersteller …

Was die Generation C auszeichnet

Der Lebensstil dieser Generation C - "C" steht für connected, communicating, content-centric, computerized, community-oriented, always clicking - ist so durchgängig mit Technologie verbunden, dass der Begriff des "Early Adopters" hier praktisch keine Rolle mehr spielt. Im Jahr 2020 wird diese Generation 40 Prozent der Bevölkerung in den USA, Europa und den BRIC-Ländern repräsentieren - und damit die größte Gruppe der Konsumenten weltweit.

Das Tempo und die Beschleunigung, die sich aus der Vernetzung ergeben, ist das eine. Beispiele dafür sehen wir in der Selbstorganisation politischen Protests im großen Maßstab. Die gleichen Prinzipien liegen spontanen Verabredungen - zum Beispiel zu einer Party am Samstagabend - zugrunde. Da können auch schon mal ein paar ungebetene Gäste dabei sein.

Die eigentliche Herausforderung ist die folgende: Wir dürfen davon ausgehen, dass Unternehmen und Behörden die Erwartungshaltung der nächsten Generation und die sich daraus ergebenden Herausforderungen noch nicht voll realisiert haben. Denn die Menschen dieser Generation - nennen wir sie "Generation Facebook" oder "Digital Natives" oder einfach "Generation C" - werden als Mitarbeiter, Kunden und Bürger später von Unternehmen und öffentlichen Institutionen einen Service erwarten, wie sie ihn von ihren privaten Netzwerken gewohnt sind. Und sie möchten mit ihren eigenen Geräten arbeiten. CIOs kennen diese Anforderung, die sich als "I want to bring my own device" zu einer geradezu selbstverständlichen Forderung an ihren Arbeitgeber entwickelt.

Parallel wird das Business im Netz und über das Netz dramatisch wachsen. Das Volumen der B2B-Geschäfte im Internet beträgt heute allein in Europa jährlich über 400 Mrd. Euro - Tendenz deutlich steigend. Das ist wohlgemerkt nur B2B. Und die Menge der digital zur Verfügung stehenden Daten hat im Jahr 2010 erstmals 1000 Exabyte überstiegen, das sind achtmal mehr als vor fünf Jahren. Schon 2015 wird mehr als die Hälfte der für die Unternehmen relevanten Daten außerhalb der Unternehmen verwaltet.

Was bedeuten die bisher genannten Entwicklungen für Ihr Unternehmen? Ich möchte an meine Wette erinnern und diese konkretisieren: Unternehmen werden 2021 nur dann erfolgreich sein, wenn sie in der Lage sind, die Bedürfnisse ihrer Kunden sofort zu erfüllen - jederzeit und an jedem Ort. Dafür müssen sie die Voraussetzungen in ihrer IT-Architektur schaffen.

Erfolg nur, wenn Bedürfnisse der Kunden sofort erfüllt werden

So wie heute kaum mehr ein Unternehmen auf die Idee käme, sich ein eigenes Kraftwerk zur Energieerzeugung in den Hinterhof zu stellen und kein Konsument - um ein anderes Bild zu benutzen - sich eine Kuh kaufen würde, um sein tägliches Glas Milch zu bekommen, so gehen Unternehmen wie selbstverständlich dazu über, IT als Service zu beziehen. Das ist inzwischen wenig aufregend, oder - anders formuliert: Das Spektakuläre liegt gerade darin, dass es so selbstverständlich geworden ist.

In der Unternehmens-IT haben wir uns längst daran gewöhnt, Cloud-Dienste wie "Infrastructure as a Service" oder "Software as a Service" anzubieten oder zu beziehen: bedarfsgerecht, zu variablen Kosten. Nach einer Studie von Bitkom und Experton wird der Umsatz mit Cloud Computing in Deutschland zwischen 2011 und 2015 von 3,5 auf 13 Milliarden Euro steigen. Im B2B-Bereich sehen wir dabei eine Vervierfachung in vier Jahren: von knapp zwei Milliarden im Jahr 2011 auf über acht Milliarden im Jahr 2015.

Auf der anderen Seite erleben wir, dass viele Unternehmen mit ihrer bestehenden, über 20 Jahre und mehr gewachsenen IT-Landschaft an ihre Grenzen stoßen. Dabei wollen sie Innovationen und ihr globales Business vorantreiben und sehen sich vor die Notwendigkeit gestellt, flexible Modelle einzuführen, bei denen Teile der IT selbst und andere Teile von einem externen Anbieter betrieben werden.

Die Modernisierung und Standardisierung der Applikationslandschaft ist dabei nur ein Zwischenschritt einer größeren Entwicklung. Diese führt zu hybriden Umgebungen, in der eine Vielzahl unterschiedlicher Services, sowohl von der internen IT als auch von verschiedenen externen Anbietern, bezogen und kombiniert werden.

Gleichzeitig werden wir uns verstärkt um die nächste Generation und ihre Anforderungen an die IT und die damit verbundenen Geschäftsprozesse kümmern müssen. Einige wesentliche Voraussetzungen habe ich bereits genannt. Wir gehen den Weg in Richtung Connectivity und Cloud. Was bedeutet diese Entwicklung zum "Everybody On" - dem Zusammenwachsen der Konsumenten- und der professionellen Welt - in der Konsequenz für die IT-Manager in den Unternehmen, die CIOs? Sie werden ihr Kerngeschäft neu definieren, und sie werden es besser haben. Denn zu den eigentlich spannenden und interessanten Aufgaben eines CIOs gehört die Realisierung des Beitrags der IT zum Geschäftserfolg.

Alle Wetten finden Sie im CIO-Jubiläumsbuch. Die Redaktion stellt das Buch am 29. September anlässlich der 10-Jahres-Feier des Magazins im Bonner Kameha Grand Hotel vor.
Foto: IDG Business Media GmbH

Die Cloud hilft dabei, weil sie Flexibilität schafft und Innovation ermöglicht. Die Aufgabe des IT-Managements ist dann zu vergleichen mit der eines Maklers, der die richtigen - externen und internen - Ressourcen und Kapazitäten orchestriert und damit das Design eines Ökosystems bereitstellt, um "just in time" Services oder Produkte zu liefern.

Neue Geschäftsmodelle wie Instant-On Manufacturing

Anwendungsbeispiele dafür sind bereits heute vorzeigbar: neue Geschäftsmodelle in Bereichen wie "Instant-On Manufacturing" in der Produktion, "E-Mobility" im Verkehrswesen oder "Behavior based Pricing" in der Versicherungswirtschaft. Die Zukunft hat also schon begonnen, lassen Sie mich dies abschließend am Beispiel "vernetztes Auto" illustrieren. Es wird mit dem Auto künftig ähnlich sein wie mit Smartphones oder Tablet-Computern: Der eigentliche Wert der Geräte kommt aus den Serviceangeboten, die man darüber nutzen kann.

Das Auto wird künftig in eine Vielzahl von Servicenetzen eingebunden sein, etwa Carsharing, ÖPNV, Parkhäuser, Smart Grids, Reiseplanung, Unterhaltung. Diese Dienste müssen untereinander vernetzt und integriert werden. Dafür braucht es eine Serviceplattform, auf der die Dienste verknüpft, angeboten und abgerechnet werden können. Und um dieses neue Geschäftsmodell zu tragen, braucht die Plattform eine spezifische Architektur - eine Architektur, die dem Zeitalter des Everybody On gewachsen ist. Deshalb wette ich, dass in zehn Jahren die IT-Architektur über Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheidet.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

Weitere Wetten finden Sie auf unserer Seite Wetten auf die nächste Dekade.