Akhavan soll Pauly-Nachfolger werden

Neue Spekulationen um T-Systems-Verkauf

04.06.2007 von Werner Kurzlechner
Die Deutsche Telekom AG hat anscheinend das Tempo bei der Partnersuche für ihre Geschäftskunden-Tochter T-Systems erhöht. Nach dem Rücktritt des Sparten-Chefs Lothar Pauly gewährt das Unternehmen nun auch Finanzinvestoren wie Cerberus Einblick in die Bücher von T-Systems. Bereits in den nächsten Wochen sollen die Verkaufsgespräche beginnen.

Der Rücktritt des möglicherweise in die Korruptions-Affäre von Siemens verstrickten Pauly war kaum einen Tag alt, da heizten am Wochenende Informationen "aus Unternehmenskreisen" die Gerüchte-Küche an. Das Magazin "Focus" meldete vorab, Cerberus gelte als Favorit für zumindest eine Teilübernahme. Eine jener Firmen also, die Kritiker als "Heuschrecken" schelten. Erst kürzlich streckte Cerberus erfolgreich die Fühler nach der Daimler-Tochter Chrysler aus.

Zerschlagung von T-Systems - zur Freude eines kaltschnäuzigen Finanz-Imperiums? Mitnichten, warfen andere, ebenfalls "aus Kreisen" unterrichtete Medien ein. Nach wie vor suche der Bonner Konzern den Partner für T-Systems in der eigenen Branche. Die besten Karten habe die texanische Electronic Data Systems Corporation, kurz EDS. Des Weiteren fiel der Name Capgemini.

Noch im März hatte es jede Menge Tamtam um einen möglichen Einstieg des indischen Unternehmens Tata gegeben. Als Interessenten wurden seinerzeit auch IBM und Atos Origin genannt. Viele Namen also -und großes Rätselraten. Weil Telekom zu den Spekulationen beharrlich schweigt, bleibt an Fakten wenig festzuhalten. Klar scheint: Der Konzern hat eine überschaubare Zahl von Kandidaten auserwählt und gewährt diesen in den kommenden Wochen intimeren Einblick in die Zahlen seiner Service-Sparte.

Es ist im Moment also genauso wie beim FC Bayern, den Telekom-Tochter T-Com als Sponsor unterstützt. Über den künftigen T-System-Partner diskutiert die Branche nicht anders als Fans und Berichterstatter, die sehnlichst auf die Präsentation der Neuzugänge warten. Vielleicht entpuppen sich in beiden Fällen just die Namen als die richtigen, die seit Wochen in aller Munde sind. Das Gerücht EDS jedenfalls erscheint Insidern keineswegs so neu, wie es die Publikums-Presse verkauft. Und diese Partner könnten sich gut ergänzen, glaubt Matthias Kraus, Research Analyst von IDC Central Europe.

Sowohl T-Systems als auch EDS hätten beispielsweise viele Kunden in der Automobil-Branche, so Kraus: "Eine Bündelung würde Sinn ergeben." T-Systems hat Daimler sowie seit der Übernahme von Gedas Volkswagen im Kunden-Portfolio, EDS gehörte früher zur Firmengruppe von General Motors.

Analyst: „EDS hat Offshoring-Kapazitäten, die T-Systems will“

Dem Ziel, sich international stärker zu positionieren, käme T-Systems mit einem weltweit agierenden Dienstleister wie EDS ebenfalls näher. Und noch ein dritter Aspekt spricht dafür, dass eine Hochzeit zwischen diesen beiden zumindest zu einer gut funktionierenden Vernunftehe führen könnte: "EDS verfügt über Offshoring-Kapazitäten, T-Systems möchte solche aufbauen", so Kraus.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es kein Potenzial für Konflikte gäbe. "So ein Riese wie T-Systems müsste erst einmal verdaut werden", sagt Kraus. Und er verweist außerdem auf die Schwierigkeiten, wenn verschiedene Unternehmens-Kulturen aufeinander prallen. Als Daimler und Chrysler fusionierten, sei das aus fachlicher Sicht ebenso sinnvoll gewesen wie jetzt eine Allianz aus EDS und T-Systems. Und dennoch scheiterte dieses Projekt aufgrund unvereinbarer Mentalitäten letztlich.

Karsten Leclerque, Senior Consultant von Pierre Audoin Consultants, teilt die Einschätzung von Kraus im Wesentlichen. Zwischen europäischen Firmen wie Capgemini und Atos Origin einerseits, T-Systems andererseits bestünden viele Überschneidungen - und damit wenig Potenzial für Synergie-Effekte.

Demgegenüber könnte EDS, ein sehr amerikanisch geprägtes Unternehmen, mit T-Systems als Partner in Europa besser Fuß fassen, T-Systems wäre international schlagkräftiger aufgestellt - eine ideale Anreiz-Struktur für beide.

Abschrecken könnten EDS indes die 56.000 Mitarbeiter der Telekom-Tochter, meint Leclerque: "EDS ist bekannt dafür, extrem effizient aufgestellt zu sein und über ein sehr schlankes Global-Delivery-Netzwerk zu verfügen." Völlig schmerzfrei könnte eine Integration folglich nicht verlaufen.

Hamit Akhavan folgt wohl auf Pauly

Allen Abwägungen zum Trotz: Ein Einstieg von EDS bleibt bislang eine Mutmaßung, ebenso wie das "Focus"-Szenario für den Fall eines Zuschlags an Cerberus: Die 160.000 mittelständischen Kunden von T-Systems würden in die Festnetz-Sparte T-Home eingegliedert; Cerberus übernähme die internationalen Großkunden.

Wer vorerst die Verantwortung für T-Systems und die Telekom-IT übernimmt, scheint derweil geklärt. Der Aufsichtsrat werde alle Aufgaben Lothar Paulys an T-Mobile-Chef Hamit Akhavan übertragen, so heißt es.

Derweil versüßen Lothar Pauly angeblich 4,5 Millionen Euro den Abgang - das zumindest behauptet ein Medienbericht. Die Belegschaft von T-Systems macht ihrem Unmut darüber in Foren Luft, ebenso wie ihrer Angst vor einem möglichen Einstieg von Cerberus. "Wenig Motivation und Spirit" ist dabei noch eine milde Umschreibung der User für den ehemaligen T-Systems-Chef.

Ein Nutzer erinnert daran, dass Cerberus in der Antike der Höllenhund war, der den Zugang zur Unterwelt bewachte, und fragt geschockt: "Und so jemandem wollt Ihr die T-Systems verkaufen?" Ein anderer meint einen Tick abgebrühter: "Das ist alles nur russisches Roulette. Wundert Euch doch nicht so sehr!"