Wenn Arbeit krank macht

Neue Ursachen für Burnout entdeckt

09.11.2007 von Alexander Galdy
Ohne Idealismus beim Job geht nichts: Die Entfremdung von der eigenen Arbeit ist eine der Hauptursachen für Burnouts. Das hat die Wirtschaftswissenschaftlerin Lisbeth Jerich vom Institut für Organisations- und Personal-Management der Universität Graz herausgefunden. Ihre Studie unterscheidet sich von der restlichen Burnout-Forschung, die diese Krankheit als Folge von Arbeitsstress deklariert.

Burnout-Fälle im Unternehmen sollten ein deutliches Warnsignal für die Geschäftsführung sein, sich über die Unternehmenskultur Gedanken zu machen, meint Jerich. Viele Mitarbeiter könnten ihre Arbeit nicht mehr lieben, weil die Selbstentfaltung zu kurz kommt.

In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Situation am Arbeitsmarkt drastisch verändert. Globalisierung und Wandel von Technologien, Werten sowie Arbeitsverhältnissen stellen die Menschen vor neue Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund betrachtet Jerich das Phänomen Burnout: "Die Beziehung der Menschen zu ihrer Arbeit spielt eine große Rolle."

Vor 30 Jahren waren es noch in erster Linie idealistische Bestrebungen, so Jerich, die für die Berufswahl verantwortlich waren. Das hat sich deutlich geändert. Heute geht es mehr um eigennützige Motive wie Geld, Macht und Prestige.

Keine Ideale, dafür Burnout

Innere Gleichgültigkeit, Sinnleere und bloßer Materialismus führen über kurz oder lang zu Gefühlen von Entfremdung gegenüber der Arbeit und den Kollegen. Für Jerich steht deshalb fest: Dieser Verlust an Idealen ist eine Hauptursache für die Entstehung von Burnouts.

Und es kann jeden treffen. Laut Jerich gibt es wohl Menschen, die durch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale eher zu dieser Krankheit neigen als andere. Diese Merkmale könnten jedoch nicht als Auslöser angesehen werden. Eine Rolle spielten auch immer gesellschaftliche, institutionelle und interpersonelle Faktoren. Im Prinzip sei deshalb jeder von Burnout gefährdet.

Die Wissenschaftlerin ist sich durchaus bewusst, dass Unternehmen unter einem immer größeren Druck stehen, ihre Gewinne zu maximieren. Konzepte wie Reengineering, Downsizing oder Lean-Management sind in und hören sich toll an. Derartige Rationalisierungs-Bestrebungen machen jedoch die immer lauter werdenden Forderungen nach einer Humanisierung der Arbeitswelt schwierig.

Der Wandel in der Weltwirtschaft hat sich laut Jerich auch im zwischenmenschlichen Bereich ausgewirkt. Burnout ist nicht nur Ausdruck der Entfremdung von der Arbeit, sondern auch von den Kollegen. Das Arbeitsklima in Unternehmen ist heute oft durch Schikanen gekennzeichnet.

Ausreichend Nährboden für Krankheiten

Der hohe Leistungsdruck, ein drohender Arbeitsplatzabbau oder Reorganisations-Maßnahmen fördern ein Klima in den Firmen, das sich am Konkurrenzdenken orientiert. Mobbing und eine schlechte Arbeitsatmosphäre gehen Hand in Hand. Gegenmaßnahmen könnten eine Umgestaltung der Arbeitsorganisation, Aufklärung und Schulung, Konfliktbeauftragte sowie der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz sein.

Ein weiterer Faktor, der Burnouts begünstige, sei die Fremdbestimmung bei der Entscheidung für einen Beruf in modernen Gesellschaften. Es ist häufig schwierig, eine authentische, also den Interessen und Neigungen entsprechende Berufswahl zu treffen“, so Jerich. Von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellte Informations- und Beratungsleistungen reichen nicht mehr aus, um einer fremdbestimmten Laufbahn entgegenzuwirken. Entscheidungs-Trainings erscheinen der Wissenschaftlerin hier erfolgversprechender.

Lisbeth Jerich hat ihre Studie im Rahmen ihrer Dissertation "Die Entstehung von Burnout - Eine polyperspektivische Analyse des Entfremdungsaspekts" veröffentlicht.