IBM-Umfrage unter Studenten

Neuer Führungsstil der Generation Y

06.10.2010 von Nicolas Zeitler
Nachhaltig wirtschaften statt Einfluss haben: Nachwuchs-Manager haben andere Prioritäten als heutige CEOs. Eine neue Generation nähert sich den Führungsetagen.

Junge Leute wollen im Büro nicht nur am liebsten ihr privates Technik-Spielzeug zum Arbeiten nutzen und kommunizieren anders als ältere Kollegen per Chat und Messenger. Laut einer IBM-Studie könnte mit den Millennials bald auch ein neuer Führungsstil in Unternehmen einziehen. Studenten von heute halten demnach andere Chef-Tugenden für wichtiger als heutige CEOs.

3600 Studenten aus 40 Ländern rund um den Globus ließ IBM befragen. Der Marktforschungszweig des IT-Unternehmens stellte ihre Antworten den Ergebnissen der hauseigenen diesjährigen CEO-Studie gegenüber. In ihr erhebt IBM seit 2004 alle zwei Jahre die Sicht von Führungskräften auf die wirtschaftliche Lage und deren Arbeit.

Komplexität für Führungsnachwuchs kein Angst-Thema

Einige Ansichten der heutigen Chefs und ihrer möglichen Nachfolger stimmen zwar annähernd überein. So empfinden Studenten laut der unter dem Titel "Inheriting a complex world - Future leaders envision sharing the planet" veröffentlichten Studie ebenso wie die CEOs die Welt der Wirtschaft als zunehmend komplex. Allerdings gibt es schon in dieser Frage gerade in Europa Unterschiede: Der Anteil der Studenten, die künftig mehr Komplexität erwarten, ist auf dem Kontinent um ein Viertel größer als der der CEOs mit dieser Einstellung.

Der Nachwuchs begegnet dieser Veränderung außerdem anders als heutige Führungskräfte. Unsicherheit plagt die Studenten weniger als heutige CEOs. Mit der immer größeren Menge an Daten, die man zur Verfügung habe, müsse man ja auch zukünftige Entwicklungen immer sicherer einschätzen können, brachte ein französischer Student auf seinem Fragebogen das Gefühl vieler Altersgenossen auf den Punkt. Dazu müsse man freilich die verfügbaren Daten besser auswerten, meinten einige der Umfrageteilnehmer.

Jungen Arbeitnehmern sind Globalisierung und Umweltschutz wichtig

Viel stärker als bei jetzigen CEOs ist in den Köpfen der studierenden Generation Y globales Denken verankert. Die 20- bis 30-Jährigen haben diese Denkweise offenbar während ihres Aufwachsens verinnerlicht. Beispielhaft dafür zitieren die Verfasser des Studienberichts einen amerikanischen Studenten: "Da Ereignisse immer öfter die ganze Welt betreffen und auch immer mehr Informationen öffentlich verfügbar sind, muss man ständig im Blick haben, welche möglichen Auswirkungen ein Unternehmen auf die ganze Welt hat."

In Zahlen sieht dieser Unterschied in der Einstellung so aus: Von den CEOs bewerteten 23 Prozent Globalisierung als wichtiges Thema für Unternehmen, von den Studenten 55 Prozent. Auch das Thema Umweltschutz halten weitaus mehr der befragten Studenten für wichtig als CEOs

Stärker ausgeprägt als bei den jetzigen Chefs ist bei der jungen Generation auch das Bewusstsein für neue Herausforderungen, die auf Firmen zukommen könnten. Dass Knappheit von Ressourcen wie Wasser oder etwa Metallen bald die Wirtschaft prägen könnten, halten zwei von drei Studenten für wahrscheinlich - aber nur 29 Prozent der CEOs.

Nachhaltigkeit wird wichtiger

Nachhaltigkeit spielt laut der Umfrage in den Köpfen von Hochschülern ebenfalls eine deutlich größere Rolle als für die Befragten der CEO-Studie. Am größten war die Kluft bei diesem Thema in Nordamerika. Deutlich wird das bei der Frage nach Corporate Social Responsibility, also der Erwartung, dass Firmen im Sinne der Gesellschaft handeln. Der Anteil der Studenten, die künftig eine größere Bedeutung des Themas bei Kunden erwarten, war um die Hälfte größer als der der CEOs.

Die Ansichten der befragten Studenten spiegeln sich wieder darin, welche Eigenschaften sie beim Chef für wichtig halten. An erster Stelle steht Kreativität - darin sind sie sich noch mit altgedienten Managern einig. Während aber zum Beispiel nachhaltiges Wirtschaften bei den Jungen auf dem vierten Platz liegt, rangiert sie bei den heutigen CEOs auf dem siebten Rang der Manager-Tugenden. Einfluss ist den Studenten dagegen viel weniger wichtig als heutigen Chefs.

Studium bereitet schlecht auf Führungspositionen vor

Wie sie die von ihnen bevorzugten Themen einmal selbst als Führungskraft umsetzen werden, darin sind die jungen Leute der IBM-Umfrage zufolge oft unsicher. Durch ihre Ausbildung sehen sich viele unzureichend auf die Auseinandersetzung mit derlei Fragen vorbereitet. Am besten gerüstet sehen sie sich noch für den Umgang mit neuen Wegen der Kommunikation.

Ein neues Denken ist das eine, die Umsetzung dessen auf einem Chefposten das andere. Abgesehen von der offenbar mäßigen Vorbereitung im Studium auf Themen wie Nachhaltigkeit lässt die Studie eines offen: Wie sich möglicherweise die Einstellung von Studenten ändert, bis sie in der Führungsetage angekommen sind.