Analysten-Kolumne

Neues vom Groupware-Markt

20.04.2005
Kalender in Groupware wie Microsoft Exchange und Outlook, Novells Groupwise, IBMs Lotus Notes und vielen anderen, kleinen Lösungen kennen wir als proprietäre Client-Server-Lösungen, die auf den Einsatz in geschlossenen Unternehmen optimiert sind. Innerhalb dieser Systeme lassen sich wunderbar Termine koordinieren, die Kalender der Kollegen einsehen und bearbeiten oder Kontaktdaten austauschen. Aber ein sinnvoller Informationsaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg ist oft nicht möglich, zumindest aber schwierig.

Diese Situation ist eigentlich schon lange nicht mehr zeitgemäß. Denn in viele Unternehmensprojekte sind neben internen Mitarbeitern auch externe Partner involviert, mit denen etwa Termine für Meetings koordiniert werden müssen. Typischerweise kann das innerhalb des Unternehmens einfach über die Kalenderfunktionalität der Groupware geschehen. Dagegen muss jeder einzelne externe Partner mühsam antelefoniert werden. So bleibt Groupware in diesen Fällen noch weit hinter ihrem Potenzial zurück – alles, weil die unterschiedlichen Systeme nicht interoperabel sind.

Diese Zeit der geschlossenen Systeme scheint aber langsam ihrem Ende entgegen zu gehen, wie in anderen Bereichen der Unternehmens-IT auch. Ein Grund dafür ist der zunehmende Wettbewerb im Groupware-Markt. Wie die Berlecon-Studie "Alternativen zu Exchange“ zeigt, versucht mittlerweile eine Fülle von Anbietern, Microsoft Exchange und den anderen etablierten Groupware-Lösungen Marktanteile abzujagen. Unter den Wettbewerbern sind auch zahlreiche Open-Source-Projekte und auf Open-Source-Software basierende, kommerzielle Produkte, die sich tendenziell stärker an offenen Standards orientieren als Anbieter proprietärer Lösungen.

CalDAV auf dem Vormarsch


Ein solcher, sehr viel versprechender Standard für den Austausch von Kalenderinformationen ist CalDAV, der mitlerweile dem Standardisierungsgremium IETF vorgeschlagen wurde. Über CalDAV, eine Erweiterung des WebDAV-Standards, können komplette Kalender oder auch einzelne Ereignisse publiziert, gelesen und modifiziert werden. Die entsprechenden Clients und Server müssen dafür nicht mehr vom gleichen Softwareanbieter kommen, sondern lediglich CalDAV unterstützen.

CalDAV ist zwar noch in einem frühen Stadium, aber eine Handvoll Softwareanbieter hat bereits die Unterstützung des Standards angekündigt oder unterstützt ihn bereits in einigen Produkten (z.B. Novell und Oracle). Noch wichtiger: Mit Calconnect hat sich bereits im vergangenen Jahr ein Konsortium von Unternehmen und Open-Source-Projekten gebildet, das auch praktische Tests der Interoperabilität von CalDAV-basierten Lösungen durchführt.

Diese Tests sind dringend notwendig, damit die Produkte unterschiedlicher Anbieter tatsächlich reibungslos zusammenarbeiten. Das zeigt auch die Erfahrung mit dem Standard iCal, über den einzelne Ereignisse oder Einladungen zu Ereignissen beschrieben werden können. Viele Kalender- und Groupware-Lösungen unterstützen iCal – oft aber nur teilweise. In der Realität unterscheiden sich die Implementierungen, sodass Event-Informationen eben doch nicht reibungslos ausgetauscht werden können.

Groupware-Markt in Bewegung

Wenn sich CalDAV durchsetzt, kann das den Wettbewerb auf dem Groupware- und Kalendermarkt noch einmal deutlich verstärken. Derzeit ist es noch die Strategie vieler Anbieter von Groupware-Servern, die Fähigkeiten von Exchange möglichst gut nachzubauen, sodass die Kunden sich für ihren preisgünstigen Server statt für das Original entscheiden. Auf Basis von CalDAV könnten tatsächliche Innovationen offener Kalendersysteme entstehen, nicht nur Imitationen existierender proprietärer Lösungen.

Allerdings bedeutet das noch lange nicht das Ende von Exchange & Co. Denn die ersten tatsächlich einsetzbaren offenen Systeme dürften zu Beginn nur über einen geringen Funktionsumfang verfügen und sich deshalb vor allem für kleinere Unternehmen oder Teams eignen. Größere Unternehmen dagegen, die etwa komplexe Freigabe-, Koordinierungs- und Stellvertreterregeln haben, werden mit den bekannten proprietären Lösungen nach wie vor gut bedient sein. Aber auch diese Groupware-Systeme werden zunehmend offener werden müssen, um den Bedürfnissen ihrer Nutzer entgegen zu kommen. Die können ansonsten mit dem Wechsel zu offenen Alternativen drohen.

Thorsten Wichmann ist Managing Director des Marktforschers Berlecon Research.