TPI Outsourcing-Index

Nur Atos und Siemens mischen Markt auf

09.11.2011 von Werner Kurzlechner
Der europaweite IT-Outsourcing-Markt lahmt. Der Mega-Deal von Atos und Siemens übertüncht Fehlentwicklungen.

Sowohl das vergangene Quartal als auch das ganze Jahr 2011 waren auf dem europäischen und deutschen IT-Outsourcing-Markt außerordentlich schlecht. Das geht aus dem aktuellen Index der Marktforscher von TPI hervor. Um auf diesen Befund in aller Klarheit zu stoßen, muss man jedoch ein bisschen im Zahlenberg graben. Der Outsourcing-Markt an sich ist bekanntlich hochgradig volatil und mitunter von einzelnen Mega-Deals abhängig. Dieses Mal verdecken auch deshalb jede Menge anderer Erfolgszahlen die Flaute im IT-Segment in der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA).

2011 ist in Sachen IT-Sourcing wohl auch am Jahresende das schwächste Jahr seit langem. Das legt der Blick auf die Zahlen der vergangenen Jahre jedenfalls nahe.
Foto: TPI

Auf den ersten Blick scheint bei den von TPI erfassten Outsourcing-Verträgen im Wert von mindestens 20 Millionen Euro tatsächlich alles im Aufwind. Weltweit betrug das Gesamtvertragsvolumen im dritten Quartal 20,1 Milliarden Euro – plus 41 Prozent gegenüber dem Vergleichsquartal in Vorjahr, plus 31 Prozent gegenüber den zweiten Quartal 2011.

Davon 12,1 Milliarden Euro in der Region EMEA bedeuten ebenfalls einen satten Zuwachs: 99 Prozent gegenüber dem dritten Quartal 2010, 47 Prozent gegenüber dem direkt vorangegangen Vierteljahr. Wie IT-durchtränkt der Outsourcing-Kuchen weltweit immer noch ist, zeigt der Anteil von 14,8 Milliarden Euro für das IT-Outsourcing. Entwicklung? Scheinbar bestens: jeweils plus 51 Prozent gegenüber beiden Vergleichsquartalen. Im Bereich Business Process Outsourcing ist schon jetzt das Gesamtjahresergebnis des vergangenen Jahres übertroffen.

„In den letzten Monaten überzeugte der europäische Outsourcing-Markt in fast allen seinen Kernbereichen durch vorsichtiges, aber stetiges Wachstum“, interpretiert Bernd Schäfer, Managing Director von TPI Deutschland. Die Unternehmen passten den Umfang der Outsourcing-Verträge immer gezielter an ihre Anforderungen an. „Der Mega-Vertrag von Atos und Siemens brachte zusätzlich einen punktuellen, aber wohl einmaligen Schub“, so Schäfer weiter.

Genau bei dieser frohen Botschaft fängt die Problemanalyse aber an. Gigantische 5,8 Milliarden Euro beträgt das Volumen dieses einen Deals. Er fällt in die Region EMEA und trieb offensichtlich hier wie im globalen Maßstab die Werte enorm in die Höhe. Der EMEA-Gesamtmarkt verbuchte so ein herausragendes drittes Quartal mit den erwähnten 12 Milliarden Euro Gesamtvolumen. Ohne Atos und Siemens hätte die übliche Sommerflaute geherrscht.

Enttäuschende Jahresbilanz bisher

Inhaltlich fällt der Mega-Deal in die Sonderkategorie Restrukturierung. Das europäische BPO-Segment hat ein über einen längeren Zeitraum betrachtet ordentliches drittes Quartal hinter sich – und ein herausragendes bisheriges Jahr. Bereits Ende September ist hier der Fünf-Jahres-Durchschnitt von 8,1 Milliarden Euro Jahresgesamtvertragsvolumen leicht übertroffen.

Rein rechnerisch ist damit schon klar, dass größere Abstriche beim IT-Outsourcing zu finden sein müssen. Dass der Sommer 2011 hier eher mau war, wird im Quartalsvergleich durch besondere Umstände kaschiert. Das Vergleichsquartal im Vorjahr war der absolute Tiefstwert der vergangenen drei Jahre, und das zweite Quartal war für die Frühlingszeit ebenfalls bemerkenswert trübe.

Das führt zu einer für das bisherige Jahr enttäuschenden Zwischenbilanz. Nach drei Quartalen wird 2011 bisher im IT-Outsourcing ein Gesamtvertragsvolumen von 16,6 Milliarden Euro EMEA-weit erreicht. Zum Durchschnittwert der vergangenen fünf Jahre für ein ganzes Jahr fehlen exakt 8 Milliarden Euro; in den drei vergangenen Jahren wurden indes jeweils über 28 Milliarden erreicht.

Um an dieser Marke zu kratzen, fehlen geschlagene 12 Milliarden Euro – wohl zu viel Holz für die verbleibenden drei Monate, wenngleich gegen Jahresende traditionell noch einige Verträge fixiert werden. „Im Verhältnis zum Fünf-Jahres-Durchschnitt eines dritten Quartals ist das Ergebnis gering“, fasst TPI zusammen.

In hellem Licht betrachtet konzentrieren sich die schwachen Befunde also voll auf den IT-Bereich. Und regional auch auf die Bundesrepublik, die in der TPI-Analyse in die Kategorie „Alpenländer“ eingeordnet ist. Wie sieht es also aus im innereuropäischen Vergleich? Während in Großbritannien & Irland sowie Südeuropa beim Outsourcing der Gesamtvertragswert des Vorjahres – ein durchschnittliches viertes Quartal vorausgesetzt – übertroffen werden und anderswo ziemlich sicher erreicht werden dürfte, klafft lediglich in der Alpenregion und in Skandinavien zum Jahresende eine beträchtliche Lücke.

Finanzbranche schwächelt

Über 8,4 Milliarden Euro wurden vergangenes Jahr in Deutschland Outsourcing-Verträge abgeschlossen; für dieses Jahr prognostiziert TPI lediglich 7,2 Milliarden Euro. Ansichtssache ist indes, ob das zwingend eine schlechte Nachricht ist. Aus Sicht der deutschen Wirtschaft und angesichts der Vergleichszahlen aus Krisenländern in Süden Europas und auf den britischen Inseln wird wohl eher die vergleichsweise positive ökonomische Entwicklung hierzulande unterstrichen.

TPI hat in EMEA auch die einzelnen Kernbranchen genau unter die Lupe genommen. Fertigung, Telekom und Medien sowie Einzelhandel verzeichneten alle während des dritten Quartals einen Zuwachs und übertrafen die jeweiligen Ergebnisse der ersten drei Quartale von 2010 in Summe. Der Finanzsektor allerdings, einer der in EMEA traditionell führenden Märkte, vergab in diesem Jahr bis dato lediglich Verträge im Wert von 6,3 Milliarden Euro, die Jahresgesamtleistung von 2010 wird wahrscheinlich nicht erreicht werden.

Der „3Q11 EMEA TPI Index“ ist auf der Website von TPI erhältlich.