DOAG-Kongress 2015

Oracle-Anwender ärgern sich über Lizenzpolitik

25.11.2015 von Martin Bayer
Die Oracle-Anwender sind sauer. Gerade die Lizenz- und Wartungspolitik ihres Softwarelieferanten stößt auf Ablehnung. Zwar bemühte sich Oracles deutscher Country Leader Frank Obermeier auf dem DOAG-Anwenderkongress sichtlich, den Streit zu entschärfen. Ein offizielles Einlenken des US-Konzerns ist jedoch nicht in Sicht.

Um das Verhältnis zwischen den Oracle-Kunden und ihrem Softwarelieferanten steht es derzeit nicht zum Besten. Das wurde einmal mehr auf dem Jahreskongress der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG) Mitte November in Nürnberg deutlich. Der Streit dreht sich vor allem um die Lizenzierung von Oracle-Software in virtualisierten Server-Infrastrukturen. Der Softwarekonzern unterscheidet hier zwischen Hard- und Soft-Partitioning. Beim Hard-Partitioning müssen Anwender nur für die dediziert den Oracle-Programmen zugewiesenen CPU-Ressourcen Lizenzgebühren bezahlen. Das gilt Oracle zufolge unter anderen für die eigenen Solaris-Container, die eigene Virtualisierungslösung "Oracle VM" sowie einige wenige Lösungen von Drittanbietern.

Die weit im Markt verbreitete Virtualisierungssoftware von VMware fällt dagegen unter das Soft-Partitioning. In diesem Modell werden Lizenzgebühren für alle Rechnerressourcen fällig, auf denen theoretisch Oracle-Software laufen könnte. Und das kann teuer werden - gerade für Anwender, die die aktuellen VMware-Versionen einsetzen.

Die Geschichte von Oracle
Eine Zeitreise durch die Oracle-Geschichte
Oracle ist das Werk von Ellison, und es passt zu dem ehrgeizigen und charismatischen Gründer, dass er sein Hobby, das Segeln, professionalisiert. Mit Erfolg: Das Team gewann 2013 den America´s Cup.
Oktober 2015: Erster Oracle-Sparc kommt heraus
Auf der Kundenkonferenz OpenWorld stellt Larry Ellison mit dem M7 die erste Sparc-CPU vor, die komplett unter der Ägide Oracles geplant und gebaut wurde. Mit speziell für den Prozessor entwickelten und tief in der Hardware verankerten Security-Funktionen will der Hersteller die Sicherheit von Anwendungen und Daten verbessern - vor allem in Cloud-Umgebungen.
Februar 2015: Neuer Deutschlandchef
Frank Obermeier wird neuer Country Leader von Oracle in Deutschland. Obermeier kommt von Hewlett-Packard und löst Jürgen Kunz ab, der künftig als Senior Vice President Northern Europe die Geschäfte von Oracle in Nordeuropa verantwortet.
September 2014: Ellisons Paukenschlag
Nach 37 Jahren an der Spitze von Oracle gab Larry Ellison überraschend seinen Rücktritt als Konzernchef bekannt. Gründe nannte der 70-jährige nicht, Ellison will aber weiterhin als CTO für das Unternehmen wirken. Die bisherigen Stellvertreter Mark Hurd und Safra Catz sollen als Doppelspitze das Ruder übernehmen. Zugleich kündigte Oracle Aktienrückkäufe über 13 Milliarden Dollar an.
2011: Investition ins Cloud Computing
Hat Larry Ellison seine Spürnase für Erfolgstechnologien verloren? Ende 2011 hatte Oracle zwar den Cloud-CRM-Anbieter RightNow Technologies für 1,5 Milliarden Dollar gekauft, doch im Vergleich zu agileren Wettbewerbern wie Salesforce hängt das Unternehmen aus Redwood Shores hinterher. <br/><br/>Die „Computerwoche“ schreibt: „Nachdem Gründer und CEO Lawrence "Larry" Ellison noch vor wenigen Jahren über die IT-Wolke gelästert hatte und das Ganze als schnell vorübergehenden Hype abgetan hatte, muss er heute sehen, dass er nicht den Anschluss verliert“. Konkurrent SAP hatte sich 2011 für 3,4 Milliarden Dollar den Cloud-HR-Anbieter Successfactors einverleibt. Oracle legte mit der Übernahme von Successfactors-Wettbewerber Taleo an für 1,9 Milliarden Dollar nach.
2010: Mark Hurd wechselt von HP zu Oracle
Nur einen Monat nach seinem unrühmlichen Ausscheiden als CEO bei Hewlett-Packard (HP) kommt Mark Hurd zu Oracle. Ellison hatte zuvor Hurds Rauswurf heftig kritisiert "Das war die dümmste Personalentscheidung, seitdem die Idioten im Apple- Verwaltungsrat vor vielen Jahren Steve Jobs gefeuert haben." <br/><br/>In der Folge gab es einen erbitterten Streit zwischen den beiden Unternehmen, wobei es nur vordergründig um den Wechsel von Hurd ging: Oracle hatte die Unterstützung von Intels Itanium-Chips durch die eigene Software beendet und damit den Verkauf von HP-Server mit diesen Chips geschadet.
2009: Oracle kauft Sun Microsystems
Sun heißt jetzt Oracle. Der Datenbankspezialist hatte den Hardwarehersteller für 7,4 Milliarden Dollar eingekauft. Dabei ging es Ellison jedoch weniger um die etwas aus der Mode gekommene Hardware, sondern um die Software: Java und MySQL gehören jetzt Oracle.
2008: Übernahme von Bea Systems
Das Siebel On Demand CRM Release 15 kommt auf den Markt und Oracle kauft weiter ein, größter Brocken ist BEA Systems, ein Anbieter für Sercive-oriented Architecture, für 8,5 Milliarden Dollar. (Im Bild: Bea-CEO Alfred Chuang)
2007: Konsolidierung im BI-Markt
Der Markt für Business Intelligence ist auf Konsolidierungskurs, die großen Player werden geschluckt. Oracle macht im März den Anfang und kauft Hyperion für 3,3 Milliarden Dollar. Im Oktober schlägt SAP bei BusinessObjects zu und IBM im November bei Cognos. Der Kampf mit Rivale SAP spitzt sich zu: Oracle reicht in den USA eine Klage gegen wegen Urheberrechtsverletzung ein. Der Vorwurf: SAP habe Diebstahl geistigen Eigentums in großem Stil begangen und unerlaubt von einer Kundenbetreuungs-Web-Site „Tausende Softwareprodukte“ sowie anderes vertrauliches Material heruntergeladen. Erst in 2010 ist klar: SAP muss Oracle 1,3 Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen.
2005: Siebel, die nächste Großakquisition
Kundenbeziehungs-Management wird immer wichtiger und Oracle schnappt sich den CRM-Marktführer Siebel Systems. Für rund 5,85 Milliarden Dollar wechseln Anfang 2006 die 5.500 Siebel-Mitarbeiter zu Oracle.
2004: Übernahme von Peoplesoft
Oracle übernimmt nach 18-monatigem erbitterten Widerstand Peoplesoft für 10,3 Milliarden Dollar und wird damit zum zweitgrößten Business-Software-Anbieter nach SAP. Erst 2003 hatte Peoplesoft den ERP-Hersteller J.D. Edwards für 1,7 Milliarden Dollar übernommen.
2000: Oracle entdeckt Linux
Die Open-Source-Bewegung nimmt Fahrt auf: “Im Jahr 2000 haben wir ein Linux-Engineering-Team gebildet. Dessen Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass Linux ein Betriebssystem wird, das sich für unsere Kunden im Rechenzentrum eignet”, erinnert sich Ed Screven, Chief Corporate Architect bei Oracle.
1998: Oracle Applications 11i
1998: Schon ein Jahr später geht der Hersteller in puncto Internet aufs Ganze: Oracle Applications 11i soll den Wandel von Client-Server- hin zu Internet-Computing einleiten, kurz darauf bekommt auch die Datenbank ein “i” für „Internet“ angehängt. “Wenn sich herausstellt, dass die Zukunft des Computings nicht im Internet liegt, sind wir erledigt. Aber wenn es die Zukunft ist, liegen wir goldrichtig“, sagte Ellison über die forsche Internet-Strategie von Oracle.
1997: Java kommt
1997 stellt Larry Ellison die neue Version Oracle8 der Datenbank vor, die mit dem Network-Computer (NC) arbeitet und die Daten an Thin-Clients liefert. Mit dem Application Server 4.0 stellt Oracle eine Lösung vor, die das Management von Business-Software zentralisiert und damit effizienter machen soll. Vor allem aber schlägt die Stunde der Programmiersprache Java. Der Hersteller kündigt mit Oracle Applications Release 10.7 NCA die weltweit erste Enterprise-Applications-Suite an, die auf offenen Standards basiert.
1995: Business Intelligence
1995 investiert der Datenbankriese in Business Intelligence und kauft die OLAP-Produktlinie (Express Server) von Information Resources Inc. für 100 Millionen Dollar. Außerdem beginnt das kalifornische Unternehmen nicht nur, seine Produkte über das Internet zu verteilen, sondern verkündet als einer der ersten Anbieter eine Internet-Strategie. Mit parallel queries lassen sich jetzt deutlich komplexere Datenbankabfragen gestalten.
1990: CFO Henley kommt an Bord
Nachdem sich bisher der Umsatz jedes Jahr verdoppelt hatte, geriet das Unternehmen 1990 das erste Mal in schwereres Fahrwasser. Oracle baute sein Management-Team um und ernannte Jeff Henley zum CFO. Henley brachte das Unternehmen wieder auf Spur und blieb bis 2004 CFO, danach wurde er Vorstandsvorsitzender. 1991 stellt Oracle eine Datenbank vor, die auf MPP (massively parallel processing) basiert und mit der sich deutlich schneller und billiger in Datenbeständen suchen lässt als mit dem Mainframe. 1993 kam Oracles Cooperative Development Environment (CDE) auf den Markt.
1989: Oracle zieht um
Neuer Firmensitz wird Redwood Shores. Ab jetzt unterstützt die Datenbank auch OLTP, Online Transaction Processing. Anders als zuvor bei der Batch-Verarbeitung ist die Echtzeit-Transaktionsverarbeitung Grundlage der modernen Geschäftsanwendungen, bei denen die Verarbeitung von Transaktionen direkt erfolgt. Zu sehen sind Bilder aus der Bauphase des Headquarters.
1987: Entwicklung von Applikationen
1987 beginnt Oracle, eigene Enterprise-Applikationen zu entwickeln, die auf der Datenbank basieren. In der Folge setzt der Datenbankhersteller jedoch auf Übernahmen im Bereich der Business-Software und konzentriert sich auf deren Adaption für die eigenen DBMS-Produkte. (Im Bild "Oracle Financials").
1986: Der Börsengang
Am 15. März 1986 ging Oracle an die Börse. 450 Leute arbeiten für den Datenbank-Hersteller. Auf dem Bild feiern unter anderem Ellison (Mitte) und Charles Phillips (damaliger Co-President, rechts) das 20-jährige Listing von Oracle an der Nasdaq.
1983: Die erste Datenbank
1982 benannte sich RSI nach seinem Produkt: Oracle. Ein Jahr später kam das neu in C programmierte Oracle V3 für Mainframes, Minicomputer und PCs auf den Markt. „Damals kamen die Datenbanken vom Hardware-Anbieter. Oracle bot als eines der ersten Unternehmen ein Datenbankmanagementsystem an, das auf unterschiedlichen Hardware-Plattformen und Betriebssystemen laufen konnte“, sagt Ken Jacobs, Vice President Product Strategy bei Oracle über die Anfänge. Als erstes DBMS unterstützt die Version 5.1 von 1986 verteilte Abfragen und läuft in Client-Server-Umgebungen.
1977: Das erste Büro
Das allererste Büro hatte viel Ähnlichkeit mit Bill Gates Garage. 1979 benannte sich das Unternehmen kurz in Relational Software Inc. (RSI) um, Firmensitz wurde Menlo Park, Kalifornien. Zu den ersten Projekten gehörte eine Oracle-Datenbank für die Wright-Patterson Air Force Base. “Wenn du innovativ bist, musst du darauf vorbereitet sein, dass alle dir sagen, du spinnst”, sollte Larry Ellison später sagen.
1977: Die Gründung
Im August 1977 gründen Larry Ellison, Bob Miner und Ed Oates Software Development Laboratories (SDL). Ellison hatte sich zuvor durch eine theoretische Arbeit von Edgar F. Codd über relationale Datenbanken daran gemacht, ein zu IBMs System R Database kompatibles System zu schaffen. SDL schuf die allererste Version des Datenbanksystems Oracle. Auftraggeber: der Geheimdienst CIA. 1978 feiern die Gründer ihren ersten Firmengeburtstag. Von links nach rechts: Ed Oates, Bruce Scott, Bob Miner und Larry Ellison.

Mussten die Anwender mit den VMware-Releases unterhalb 5.1 nur die Server eines Clusters in den Lizenzvertrag mit Oracle einbringen, betrifft dies mit den Versionen 5.1 bis 5.6 sämtliche Server-Cluster innerhalb eines vCenter und mit dem aktuellen Release 6 sogar die gesamte vCenter-Infrastruktur eines Anwenderunternehmens. Oracle begründet diese Ausweitung der Lizenzierungsbasis damit, dass sich mit den neueren VMware-Versionen auch die Möglichkeiten erweitert hätten, virtuelle Maschinen zur Laufzeit zu verschieben - zwischen Clustern eines vCenter bei Version 5.1 bis 5.6 und sogar über vCenter-Grenzen hinweg in Release 6. Oracle schiebt damit den Schwarzen Peter VMware zu. Nicht Oracle habe die Lizenzierung verändert, letztendlich habe VMware die Grundlage für die Lizenzmetrik geändert, so die Argumentation des US-Softwarekonzerns.

Anwender weltweit sauer auf Oracle

Das wollen die DOAG-Verantwortlichen so nicht gelten lassen. Schließlich gebe es im VMware-Umfeld durchaus die notwendigen Werkzeuge, um genau feststellen zu können, welche Rechenressourcen der Oracle-Software zugewiesen seien. Einziges Problem dabei: Oracle erkennt diese Tools und deren Ergebnisse nicht an, beklagen die Anwendervertreter.

Auch der Speicher spielt bei der Lizenzbemessung eine wichtige Rolle: Wurde bisher der Storage in der Vergangenheit bei der Berechnung des Lizenzbedarfs außer Acht gelassen, so müssen Anwender nach DOAG-Angaben nun - ungeachtet der VMware-Version - schlichtweg alle Cluster beziehungsweise vCenters in Lizenz nehmen, die auf den gleichen Storage zugreifen. In der Konsequenz müssten die Anwender komplett separierte Oracle-Umgebungen mit eigener VMware und Storage-Infrastruktur aufbauen, um das Lizenzierungsproblem in den Griff zu bekommen. Das ist aus Sicht der Anwendervertretung allerdings unrealistisch und widerspricht auch dem Trend in der IT, genau solche Silos aufzubrechen.

Der Streit rund um dieses Thema schwelt bereits seit Jahren, scheint nun aber zu eskalieren. Von Oracle gebe es keine Signale, sich in dieser Sache zu bewegen, stellte der DOAG-Vorstandsvorsitzende Dietmar Neugebauer auf dem Kongress in Nürnberg fest. Dabei sei das Problem keineswegs lokal begrenzt. Neugebauer berichtete von einem Treffen mit Vertretern 16 weiterer User Groups aus Europa anlässlich des Jahreskongresses, die das Problem ebenfalls durchaus als gravierend klassifizierten. Und auch die US-amerikanischen Kunden ärgerten sich über die Lizenzpolitik ihres Softwarelieferanten, berichtete der DOAG-Vorstand. Entweder blieben die Unternehmen dort auf älteren VMware-Versionen oder sie gingen auf Konfrontationskurs.

Gleiches könnte Oracle auch hierzulande drohen. Die österreichische User Group hat bereits an der Universität ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das den Kunden helfen soll, wenn es zum Streit mit Oracle kommt. Auch die DOAG will ein entsprechendes Gutachten als eine Art Rechtsbeihilfe erstellen lassen. Die DOAG-Vorstände Christian Trieb und Michael Paege glauben zwar nicht, dass es bis zum äußersten kommt und ein Lizenzierungsstreit vor Gericht landet. Aber die Oracle-Anwender könnten den Softwarehersteller ihren Ärger an anderer Stelle spüren lassen.

So hat eine DOAG-Umfrage im Sommer dieses Jahres ergeben, dass mehr als jeder Dritte der über 600 Befragten darüber nachdächten, ihre Oracle-Datenbank abzulösen. Weitere Effekte könnten sein, dass Oracle-Produkte nicht mehr erste Wahl in Projektausschreibungen seien, Neuinvestitionen in Software anderer Hersteller fließen und im Zuge der Cloud-Transformation die Angebote anderer Provider stärker im Vordergrund stehen.

Country-Leader Frank Obermeier will den Streit entschärfen

Frank Obermeier, Oracles Country Leader in Deutschland zeigte sich sichtlich bemüht, den Streit zu entschärfen. Schon im Sommer sagte er in einem Gespräch mit der COMPUTERWOCHE, dass individuelle Lösungen gefunden würden. Außerdem räumte er ein, dass die Kommunikation mit den Kunden an der einen oder anderen Stelle durchaus verbesserungswürdig sei. Gleiches wiederholte er auf dem DOAG-Kongress. In seiner Keynote sparte sich Obermeier ganz bewusst die Marketing-Folien, auf denen die Vorzüge von Oracles Software-Portfolio in strahlenden Farben gemalt werden, und griff stattdessen offensiv das Lizenzthema auf.

DOAG-Vorstand Neugebauer habe ihm zur Begrüßung in Nürnberg gleich einmal die VMware-Lizenzproblematik um die Ohren gehauen, berichtete der Manager unter dem Applaus der Oracle-Anwender, und räumte im gleichen Atemzug ein, dass auch Oracle Fehler machen könne. Der Konzern habe früher Dinge in den Markt geschmissen, sich umgedreht und die Tür zugemacht. Er versprach daran zu arbeiten und künftig besser mit den Kunden zu kommunizieren.

Frank Obermeier, Country Leader von Oracle in Deutschland, versuchte die Wogen zu glätten, und rief seine Kunden dazu auf, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Foto: Oracle

Obermeier bemühte sich sichtlich, die Kunden auf seine Seite zu bringen. Nur gemeinsam könne es gelingen, die problembehafteten Themen in der US-Konzernzentrale zu adressieren. Er brauche die DOAG als Sprachrohr der Anwender, betonte Oracles Deutschland-Chef. Zugleich äußerte er den Wunsch, dass nicht ständig nur Vorwürfe im Raum stünden, und plädierte dafür, offen, ehrlich und transparent miteinander zu reden.

Um das Vertrauen seiner Kunden zu gewinnen, versuchte Obermeier außerdem, Oracle als verlässlichen, zukunftsorientierten und innovativen Softwarelieferanten in Position zu bringen. Derzeit dreht sich bei dem amerikanischen Datenbankspezialisten alles um die Cloud. Cloud Computing sei der Schlüssel, um die anstehenden Herausforderungen rund um die Digitalisierung sowie neue Anforderungen seitens der Endkunden und der eigenen Mitarbeiter zu bewältigen. Obermeier berief sich auf die Vision 2025 seines CEO Mark Hurd. Bis dahin würden 85 Prozent aller neu entwickelten Applikationen als Software as a Service gebaut. Angesichts des explodierenden Volumens kämen die Unternehmen zudem nicht daran vorbei, die anfallenden Daten in der Cloud zu speichern.

Obermeier ist zuversichtlich, dass Oracle auch noch in zehn Jahren eine wichtige Rolle im Markt spielen wird. Softwareanbieter müssten ihren Kunden den kompletten Stack von der Softwareinfrastruktur bis hin zu den Applikationen anbieten können, performant und hoch integriert, sagte der Oracle-Manager. Er rechne damit, dass sich der Markt weiter konsolidieren werde. "2025 werden zwei Suite-Provider 80 Prozent des weltweiten SaaS-Applikationsmarkts kontrollieren", lautete seine Prognose. Aus Obermeiers Perspektive wird Oracle einer dieser beiden Anbieter sein.

Oracle hat viel Vertrauen verspielt

Auf Kundenseite teilt man diese Zuversicht allerdings nicht. Zwar sei die Botschaft Obermeiers für eine stärkere Gemeinschaft zwischen Anbieter und Anwender gut angekommen, stellte DOAG-Geschäftsführer Fried Saacke fest. Mache der Konzern jedoch mit seiner derzeitigen Politik so weiter, "dann wird es Oracle mit seiner Vision 2025 nicht schaffen", lautet die Prognose des DOAG-Vertreters. "Oracle hat viel Vertrauen verspielt."

Das liegt aus Sicht der DOAG nicht nur an dem Streit um die Lizenzierung rund um VMware. Auch mit den jüngsten Änderungen rund um die neueste Version der Standard Edition von Oracles Datenbank hat der Hersteller für Unmut gesorgt. Das Einspielen des Patchset 12.1.0.2 hat offenbar drastische Änderungen zur Folge. So dürfen Anwender nur noch Zwei-Sockel-Server für die Standard-Edition verwenden. Unternehmen, die zuletzt in Vier-Sockel-Systeme für ihre Oracle-DB investiert haben, stecken damit in einer Sackgasse.

Oracle hat zudem zwar den Extended Support für Version 11.2 bis Mai 2017 verlängert - ein gutes Signal aus Sicht der DOAG -, aber auch den Premium-Support für Release 12.1.0.1 einfach verkürzt. Diese Verkürzung ist aus Sicht der DOAG-Vertreter nicht rechtens. Schließlich seien die Support-Zeiträume Bestandteil der Wartungsverträge. "Das ist keine seriöse Geschäftspolitik", urteilte Saacke.

Fried Saacke, Geschäftsführer der DOAG, wirft Oracle eine unseriöse Geschäftspolitik vor.
Foto: Jo Wendler

Der wachsende Ärger der Anwender könnte gravierende Folgen haben, auch hinsichtlich der künftigen Cloud-Strategie Oracles. Gerade in diesem Geschäft müssten die Kunden Vertrauen in ihre Provider haben, sagte DOAG-Vorstand Paege. Derzeit versuche Oracle zwar, die Kunden mit einem attraktiven Pricing in die Cloud zu locken.

Allerdings könnte der Support besser sein, hieß es von Seiten der Anwendervertretung. Gerade die Service Level Agreements (SLAs) entsprächen nicht dem, was Anwender für den Betrieb ihrer geschäftskritischen Applikationen erwarteten beispielsweise hinsichtlich Verfügbarkeit und Ausfallzeiten. Außerdem sei derzeit nicht klar, was nach dem Auslaufen der Verträge passiere und ob der Anbieter dann nicht doch plötzlich an der Preisschraube drehe. Es herrscht Unsicherheit, lautete das Fazit der DOAG-Vertreter.

Es wird schwer für Oracle in Deutschland

Damit dürfte es zunehmend schwer werden für Oracle im deutschen Markt. So eine verhärtete Situation habe es bis dato noch nie gegeben, berichtete Saacke. Zwar habe es auch früher schon Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen gegeben, doch am Ende hätten sich beide Seiten immer wieder aufeinander zubewegt. Das scheint diesmal nicht der Fall zu sein. Saacke berichtete von Signalen aus der zweiten Führungsebene bei Oracle, dass man an der Konzernspitze von den Themen, die die DOAG derzeit umtreibt, nichts mehr hören möchte.

Ob sich Oracle mit dieser Politik einen Gefallen tut, darf bezweifelt werden. In der Branche munkelt man derzeit, dass Vertreter des Datenbankkonzerns bei einem der großen deutschen Automobilhersteller schon Hausverbot hätten. Indirekt unterfütterte Oracles Deutschlandchef Obermeier diese Gerüchte, als er anlässlich seiner Keynote auf dem DOAG-Kongress davon berichtete, erst kürzlich große Autokonzerne in Wolfsburg und Stuttgart besucht zu haben. Das könnten durchaus Versuche gewesen sein, Scherbenhaufen zusammenzukehren. Es bleibt allerdings die Frage, ob ein Reboot der Kundenbeziehungen klappt.