Für Führungskräfte

Otto Group: Seminare zur Burnout-Erkennung

04.03.2013 von Bettina Dobe
In Seminaren lernen Führungskräfte bei der Otto Group, wie sie Burnout bei ihren Mitarbeitern - und sich selbst - erkennen oder verhindern können.

Immer mehr Menschen leiden an Burnout. Das heißt aber auch: "Es ist mittlerweile kein Tabu mehr zuzugeben, dass man daran leidet", sagt Karsten von Rabenau, Leiter des betrieblichen Gesundheitsmanagements bei Otto. Inzwischen sind Manager und Mitarbeiter eher bereit, sich behandeln zu lassen. Damit es gar nicht erst so weit kommt, setzt man bei Otto auf betriebliches Gesundheitsmanagement, das nicht nur aus Sport besteht.

Burnout-Kurse für Führungskräfte

Karsten von Rabenau, Leiter des betrieblichen Gesundheitsmanagements bei Otto, setzt auf Kurse für Manager, um Burnout abzuwenden.
Foto: Otto

Angesichts steigender Burnout-Zahlen bietet das Unternehmen speziell Führungskräften Seminare an. Die Chefs sollen lernen, wie sie bei Mitarbeitern und sich selbst Überarbeitung frühzeitig erkennen. Und wie sie damit umgehen, wenn sie merken, dass ein Kollege Gefahr läuft, sich selbst zu viel zuzumuten.

"Eigentlich wäre die Prävention ganz einfach", sagt Rabenau. "Das fängt schon bei den Basics an." Auch wenn es nicht nach viel klingt: Chefs sollen mit ihren Mitarbeitern reden. "Das heißt auch, "Guten Morgen" zu jedem einzelnen im Großraumbüro zu sagen", sagt Rabenau. Oder Arbeitsaufträge nicht nur per E-Mail rauszuschicken, sondern mit dem Mitarbeiter kurz persönlich darüber zu reden. Das ist zwar manchmal zeitraubend - aber weniger, als einen kranken Mitarbeiter zu ersetzen.

Vernünftiger Austausch hilft

Gerade der persönliche Kontakt falle bei Führungskräften angesichts der Arbeitslast oft hinten über, meint Rabenau. Aber vor allem ein vernünftiger Austausch mit den Kollegen sei enorm wichtig, um es gar nicht erst zum Burnout kommen zu lassen. "Wir vermitteln ihnen auch, mal an die Geburtstage zu denken." Ein kurzer Plausch in der Kaffeeküche, ein schnelles Gespräch - das reicht oft schon, um Veränderungen im Verhalten eines Mitarbeiters zu bemerken. Wenn der Chef seine Mitarbeiter im Normalfall kennt, kann er Anzeichen für Burnout schneller entdecken. Und bei sich selbst?

Zielsicher in die Katastrophe
Viele Menschen steuern - bewusst oder weniger bewußt - über Jahre hinweg zielsicher auf den Burnout zu. Werden konsequent die häufigsten 13 Fehler gemacht, ist früher oder später der Burnout garantiert!
Allzeit bereit!
Bei Ihrem Job werden "flexible" Arbeitszeiten und Überstunden als selbstverständlich erwartet, auch Reisetätigkeiten, wechselnde Arbeitsplätze, internationale Zusammenarbeit über mehrere Zeitzonen hinweg und Erreichbarkeit 24 Stunden an sieben Tagen per Blackberry, Handy & Co.
Brennen für den Job
Ihre Tätigkeit begeistert Sie, Überstunden stören Sie nicht. Sie stehen für Flexibilität, Schnelligkeit und höchste Qualitätsansprüche. Das Team, der Chef, der Auftraggeber und alle anderen können sich stets auf Sie verlassen. Sie sind ehrgeizig, der nächste Schritt zum Projekt-Manager, Team- oder Abteilungsleiter winkt und fordert vollen Einsatz auf gleichbleibend hohem Niveau. Brennen Sie für Ihre Aufgaben, das Projekt, Ihr Team, Ihr Unternehmen - bis Sie ausgebrannt sind.
Entspannen? Was ist das?
Signale wie anhaltende Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Leistungsabfall, Schlafstörungen sowie die Unfähigkeit abzuschalten und aufzutanken, ignorieren Sie. Bedienen Sie sich bei auftretenden Zipperlein großzügig an Produkten der Pharmaindustrie.
Nur nicht wütend werden
Kümmern Sie sich auf keinen Fall um Ihre Gefühle. Wut, Ärger, Ängste, das Gefühl von Überforderung oder ständiger Gehetztheit ignorieren Sie, ebenso wie das Schwinden Ihrer Lebensfreude, zunehmende Teilnahmslosigkeit, Sinn- und Lustlosigkeit und Depressionen. Bei zunehmendem Leeregefühl lösen Sie sich von der Idee, dass Arbeit Sie innerlich erfüllen könnte.
Immer schön fleißig sein!
Ineffektiv verbrachte Arbeitszeit kompensieren Sie mit Mehrarbeit. Das vertreibt auch die Langeweile am Wochenende und im Urlaub. Sind Sie Freiberufler, verzichten Sie ganz auf Urlaub. Sie müssen die Aufträge abarbeiten, oder das Geld reicht nicht. Machen Sie möglichst mehrere Dinge gleichzeitig, um Zeit zu sparen. Sagen Sie "Ja" zu jeder neuen Aufgabe.
Verzweifelt? Sie doch nicht!
Machen Sie sich unentbehrlich. Auch wenn es unmöglich ist und Sie der Verzweiflung nah sind, versuchen Sie, möglichst alle Erwartungen von Teamkollegen, Auftraggebern, internen und externen Projektmitarbeitern, Vorgesetzten und Ihrer Familie und Freunde zu erfüllen. Am besten übertreffen Sie noch deren Erwartungen.
Warnsignale?
Verwerfen Sie sämtliche Warnungen, Vorhaltungen, Vorwürfe, Bitten und Sorgen von Ihrer/m Partner/in, Angehörigen oder Kollegen. Ihre Ausreden sollten wasserdicht sein: "Nach diesem Projekt wird alles besser" oder "nur noch dieser Fall". Oder: "Die Umstände/der Vorgesetzte/der Auftraggeber zwingen mich dazu, ich habe keine Wahl."
Im Hamsterrad
Hämmern Sie sich und anderen ein, es geht nicht anders, in Ihrem Job jedenfalls nicht. Wenden Sie sich dennoch auf Drängen anderer an eine professionelle Beratung, werden Sie es sicher verstehen, die Sinnlosigkeit dieser Maßnahme unter Beweis zu stellen.
Nur nicht drüber reden!
Gehen Sie auf Distanz zu Menschen, zu denen erstaunlicherweise noch Kontakt besteht. Als Eigenbrötler können Sie leichter die Fassade wahren. Sagen Sie niemandem, wie es Ihnen geht. Gemeinsame Mittags- und Kaffeepausen mit Kollegen sind zeitlich unmöglich, die Zeit mit der Familie wird immer knapper.
Jede Minute zählt - zum Arbeiten.
Streichen Sie sämtliche Hobbys einschließlich sportlicher Betätigungen. Falls Sie doch noch ein Privatleben haben, gestalten Sie die Terminplanung zwischen ihm und dem Job noch engmaschiger, nutzen Sie jede freie Minute.
Gesund leben? Maßlos überschätzt!
Gesundes Essen wird als Zeitkiller abgeschafft zugunsten von Fast Food und belegten Semmeln. Damit Sie überhaupt entspannen und von Ängsten und anderen unangenehmen Gefühlen abschalten können, gönnen Sie sich regelmäßig abends etwas Alkoholisches.
Perfektion, Perfektion, Perfektion
Seien Sie nie zufrieden mit Ihren Ergebnissen, auch wenn andere begeistert sind. Sie sind Ihr strengster Kritiker. Weniger als perfekt kommt für Sie nicht in Frage. Stecken Sie sich zusätzliche Ziele. Erlernen Sie eine Fremdsprache, machen Sie eine berufsbegleitende Ausbildung und laufen Sie Marathon.
Probleme? Ach was!
Lösen Sie keine Konflikte und Probleme grundlegend. Schieben Sie alles vor sich her, damit der Berg von Unerledigtem immer höher wird.
Ein Ausstieg ist möglich!
Falls Sie sich in unserem Text zu stark wiedererkennen, steiegen Sie aus! Je früher, desto besser. Gehen Sie zum Arzt, ändern Sie Ihre Lebensweise, solange es noch früh genug ist. Das raten Ihnen Ruth Hellmich, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin von CoachingTraining.
Verzweiflung, Stress, Überarbeitung: Vor allem Chefs müssen bei ihren Mitarbeitern erste Anzeichen von Burnout erkennen.
Foto: MEV Verlag

Gerade bei IT-Chefs steigt die Burnout-Gefahr. Aber ein Mitarbeiter wird seinem Chef wohl kaum sagen, dass er ihn für überarbeitet hält. "Und die Führungskräfte haben ja eine Vorbildfunktion für ihre Mitarbeiter", sagt Rabenau. Wenn sie sich also nicht schonen, wirkt sich das kaum gut auf die Gesundheit ihrer Angestellten aus. Daher müssen die Führungskräfte besser auf sich selbst achten. "Wir machen bei unseren Führungskräften einen regelmäßigen Gesundheits-Check", sagt Rabenau.

Denn: Vor allem Führungskräfte aus dem IT-Bereich müsse man eher mit harten Zahlen konfrontieren. Wenn also das Gewicht zunimmt, der Cholesterinspiegel steigt und der Schlaf unruhig wird, dann lässt sich auch ein Entscheider schon mal überzeugen, dass an seinem Lebensstil vielleicht nicht alles rund läuft. "Bei den ITlern ist wohl aufgrund des Jobs die Bereitschaft, die Lebensweise zu ändern, größer", sagt Rabenau. Da sich die Technologie ohnehin die ganze Zeit ändere, sei es für sie meist kein Problem, sich anzupassen. "Und in der IT-Führungsebene machen bei uns alle Sport."

Ständig zu viel Adrenalin - das blockiert das Denken

Ein weiteres typisches Zeichen für Burnout: Quantität statt Qualität. "Viele, die kurz vor dem Burnout stehen, lasten sich selbst immer mehr Arbeit auf", sagt Rabenau. "Sie wissen, dass die Qualität ihrer Arbeit nicht mehr gut genug ist. Das versuchen sie mit Mehrarbeit zu kompensieren." Der Gesundheitsexperte vergleicht es mit einem Säbelzahntiger: Wer gestresst ist, der hat viel Adrenalin im Blut. Begegnete man früher einem Säbelzahntiger, brauchte man das Hormon, um weglaufen oder angreifen zu können. Säbelzahntiger gibt es freilich keine mehr - Adrenalin wird aber weiterhin ausgeschüttet. Nur kann man den Chef schlecht mit dem Sessel eins überziehen, wenn der einem einen Arbeitsauftrag gibt.

Ein Angestellter - oder ein Chef - kurz vor dem Burnout steht aber ständig unter Adrenalin. "Das blockiert aber das Hirn beim Denken", sagt Rabenau. Und deshalb arbeiten sie mehr, auch wenn die Qualität schlechter ist. Auch darauf können Führungskräfte also achten: Halst sich ein Mitarbeiter immer mehr Arbeit auf, kann das ein Anzeichen für Burnout sein. Dazu muss er aber erst einmal eine Beziehung zu seinem Mitarbeiter aufgebaut haben.

Früh handeln und Mitarbeiter sofort ansprechen

Leidet ein Mitarbeiter, sollten Chefs ihn rasch und einfühlsam darauf ansprechen.
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Doch wie soll man handeln, wenn einer der Mitarbeiter erste Anzeichen von Burnout aufweist? Ihn sofort darauf ansprechen. "Das darf man auf keinen Fall auf die lange Bank schieben", sagt Rabenau. Trotzdem bleibt natürlich Fingerspitzengefühl angesagt. Denn rein rechtlich darf ein Chef seinen Mitarbeiter eigentlich nur dann ansprechen, wenn seine Leistung im Job gefährdet ist. "Am besten spricht ein Chef den Mitarbeiter mit einer "Ich-Botschaft" an", sagt Rabenau. "Ich mache mir Sorgen um dich, weil…." Das ist besser, als ihn anklagend zu kritisieren. Das gilt vor allem für ITler, denn die sind besonders gefährdet.

Führungskräfte sollten sich auch in solchen Gesprächen selbst Hilfe holen, gegebenenfalls die Personalabteilung ansprechen oder den Betriebsrat, wenn die eigene Firma nicht so gut ausgerüstet ist wie die Otto Group. Dort gibt es eine spezielle psychotherapeutische Beratungsstelle, wo Ärzte den Mitarbeitern helfen können. Das freut den Chef gleich zweifach: Seinem Kollegen geht es besser und die Arbeit bleibt nicht liegen.