Verpackungsmüll vermeiden

Otto und Tchibo setzen auf Mehrwegversandtaschen

05.08.2020
Die Versandhändler Tchibo, Otto und Avocadostore sagen dem stetig wachsenden Verpackungsmüll den Kampf an. In einen dreijährigen Forschungsprojekt testen sie Mehrwegversandtaschen von Repack in der Praxis.
Die Mehrwegversandtaschen von Repack.
Foto: Tchibo GmbH

Die Erfahrungen und Ergebnisse sollen systematisch und anwenderorientiert aufbereitet, in eine Online-Toolbox überführt und der E-Commerce-Branche zur Verfügung gestellt werden. So sollen sich nachhaltige Lösungen im Versandhandel schnell etablieren. In dieser ersten Phase, die bei Tchibo, Otto und Avocadostore im August startet, wird das Repack-System getestet.

Die Repack-Mehrwegversandtasche besteht aus recyceltem Kunststoff, kann vom Kunden auf Briefgröße zusammengefaltet und über die Post frei zurückgesendet werden. Dadurch ist sie 20 Mal und öfters im Umlauf. Repack übernimmt für Tchibo und Avocadostore die Rückführungslogistik, den Reinigungs- und Aufbereitungsservice - außer bei Retouren. Diese gehen direkt an die Versandhändler zurück. Bei diesem Test geht es um Antworten auf folgende Fragen: Wie können wiederverwendbare Versandtaschen in die eigene Logistik eingeführt werden? Sind sie praktikabel? Wie ist die Akzeptanz beim Kunden? Schickt er sie zurück? Und wäre er sogar bereit dafür einen Aufpreis zu zahlen?

Jährlich werden in Deutschland etwa 800.000 Tonnen Versandverpackungen aus Papier, Pappe, Karton oder Kunststoff verbraucht.
Foto: George Sheldon - shutterstock.com

"Wenn es im Handel so weitergeht, knacken wir in vier Jahren die Eine-Million-Tonnen-Marke für Versandverpackungsmüll", sagt Lisa Rödig vom Hamburger Institut für Ökologie und Politik (Ökopol). "Eine Lösung, um diesen Ressourcenverbrauch einzudämmen, ist, die Einweg- mit Mehrweg-verpackungen im Versandhandel zu ersetzen."

Ökopol koordiniert das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt praxPACK. Ziel des Projektes ist die Verbreitung von kreislauffähigen Verpackungen. Tchibo, Otto und Avocadostore erarbeiten gemeinsam in einem "Kooperationslabor" konkrete Lösungen rund um praxisfeste und selbsttragende Mehrwegsysteme für die Branche.

Seit Anfang 2019 sitzen die Partner zusammen, um die Rahmenbedingungen, die Abläufe und zeitliche Meilensteine des Projektes festzulegen. Am 1. Juli 2019 fiel der offizielle Startschuss. Konkrete Ergebnisse werden Anfang 2022 erwartet.

Tchibo startet Ende August 2020

Die derzeitig eingesetzten Versandtüten bei Tchibo sind bereits aus mindestens 80% recyceltem Material und mit dem Blauen Engel zertifiziert. Jetzt möchten die Hamburger noch einen Schritt weitergehen und eine Mehrweglösung testen, um den Verpackungsmüll weiter zu reduzieren. Ab Ende August wird Tchibo rund 7.500 Einwegversandtüten durch die Repack-Mehrwegtaschen ersetzen.

Tchibo wird bei diesem Versuchsprojekt hauptsächlich Versandaufträge für Textilien innerhalb Deutschlands berücksichtigen. Die Kunden werden dabei nach einem Zufallsprinzip ausgesucht. Eine parallele Kundenbefragung ist geplant, um die Akzeptanz des Systems und Verbesserungen zu erfragen. "In der Testphase sind einige Punkte entscheidend: Wie gut durchläuft die Mehrwegtüte die logistischen Prozesse? Welche Auswirkungen verursacht die Mehrwegtüte am Packplatz? Und nicht zuletzt: Werden die Kunden die Mehrwegtüten auch zurücksenden? Wir sind sehr gespannt auf die Reaktionen und hoffen auf eine gute Mitarbeit unserer umweltbewussten Kunden," sagt Alexander Ralfs, Director Supply Chain Management & Logistics bei Tchibo.

Aufpreis für Mehrwegversandtasche bei Avocadostore

Avocadostore als Online-Marktplatz für Eco Fashion und Green Lifestyle verfolgt im Rahmen des praxPACK-Projektes weitere Ziele: Sie wollen eine Vorreiterrolle für ihre Labels einnehmen und unter ihren 4.000 Marken Mehrwegversandtaschen etablieren. Dabei benutzen Avocadostore und viele der Marken, die über den Online-Marktplatz verkaufen, bereits recycelte Materialien für die Verpackungen, versenden teilweise ohne Plastik, mit DHL GoGreen oder klimaneutral. Avocadostore kompensiert den CO2-Ausstoß seines Paketversandes mit der Anpflanzung und dem Schutz von Bäumen in Deutschland.

Ab Mitte August geht es los: Der nachhaltige Marktplatz plant bis zu 2.000 Eigenhandelspakete im Bereich Eco Fashion mit dem Repack-Mehrwegsystem zu versenden. Avocadostore wird - anders wie bei Tchibo - seinen Kunden aktiv die Mehrwegversandtasche als Option beim Check-Out-Prozess anbieten. Sollte sich der Kunde dafür entscheiden, nimmt er für die umweltfreundlichere Versandlösung einen Aufpreis in Kauf. Darüber hinaus will das Unternehmen noch gezielte Fokusgruppen mit Kunden bilden, um weitere qualitativ wertvolle Daten erheben zu können.

Gutscheine für das Zurücksenden

Wie Tchibo möchte auch Avocadostore eine parallele Kunden-Umfrage durchführen. So geht es um die Akzeptanz, die Wirtschaftlichkeit und die Optimierung des Repack-Systems: Sind die Avocadostore Kunden zufrieden? Inwieweit sind sie bereit, die Mehrkosten zu übernehmen? Wie könnte beispielsweise ein erfolgreicher Anreiz aussehen, die Repack-Taschen zu retournieren? In dieser ersten Testphase wird Avocadostore seine Kunden mit Gutscheinen für das Zurücksenden belohnen.

"Unsere Kunden, die besonders bewusst und kritisch sind, was Nachhaltigkeit angeht, werden uns sicherlich sehr viel Feedback zu diesem Piloten geben. Davon wird das praxPACK-Forschungsprojekt profitieren", sagt Mimi Sewalski, Geschäftsführerin von Avocadostore. "Wir freuen uns besonders darüber, unsere Erfahrungen später an unsere Labels weitergeben und so explizit kleine Eco-Unternehmen und Startups unterstützen zu können."

Otto will die Repack-Mehrwegtaschen auf Massentauglichkeit testen und sich dabei zentrale Fragen stellen: Welche Hürden muss der Logistikpartner Hermes Fulfilment mit dem Einsatz der Repack-Taschen über den gesamten Logistikprozess nehmen? Wie werden die Kunden das Mehrwegsystem annehmen? Und wie viel weniger Müll wird durch den geringeren Einsatz von Rohstoffen durch die Umstellung von Einweg- auf Mehrwegsysteme produziert?

"Ziel ist, bis zum Projektende Anfang 2022, umfangreiche Erkenntnisse zu generieren, wie Mehrwegsysteme gestaltet sein müssen, damit sie praxistauglich und wirtschaftlich tragfähig sind, und welche branchenspezifischen und politischen Rahmenbedingungen hierbei unterstützen können. Avocadostore, Otto und Tchibo leisten dabei als Vorreiter der Branche einen wertvollen Beitrag für die Etablierung von Mehrwegsystemen im Onlinehandel und zur Ressourcenschonung", sagt Lisa Rödig von Ökopol. (rs)