Analysten-Kolumne

Outsourcing muss selektiver und versierter angegangen werden

09.02.2005
Deutsche Unternehmen machen weitere Schritte in Richtung Outsourcing von Kernaktivitäten. Dabei müssen sie selbst professioneller werden – und gängige Outsourcing-Mythen über Bord werfen. Negativerfahrungen internationaler Player können so vermieden werden.

Über 30 Prozent aller Unternehmen verfehlen die Ziele ihrer Outsourcing-Aktivitäten. Dies zeigt eine Untersuchung (The New CFO Agenda: Global G&O Survey Insights and Implications) der Management- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton unter 150 global aufgestellten Unternehmen.

Die überraschende Erkenntnis: Nach wie vor beherrschen fehlendes Know-how und Mythen das wettbewerbsintensive und zahlengetriebene Outsourcing-Geschäft auf Kundenseite. Statt detaillierten Vertragswerken gibt es teilweise noch immer wenig formalisierte Partnerschaften, die im Kern auf guten Beziehungen zwischen zwei Geschäftsführern basieren.

Transparenz und Steuerbarkeit sichern

Nach wie vor weit verbreitet ist auch die Vorstellung, dass mit Outsourcing die Management-Komplexität reduziert werden kann. Entsprechend gering sind Zeit und Budget für anspruchsvolle Planungen, Vorbereitungen und Vertragsgestaltungen.

Typische Fehlentscheidungen geschehen häufig dann, wenn den Unternehmen Transparenz und Steuerbarkeit während der Planung einer Auslagerung aus der Hand gleitet. Häufig wird versucht, dieses Problem durch eine besonders kompetitive Anbieterauswahl zu kompensieren. Das hat einen gravierenden Nachteil: Die Outsourcing-Anbieter müssen ihre Preise extrem senken und in der Folge ihre Einsparziele schon nach kurzer Vertragslaufzeit wieder korrigieren.

Besonders verbreitet ist auch die Annahme, dass ineffiziente Prozesse vor einer Auslagerung optimiert werden müssen. Besser wäre eine belastbare Abschätzung der Kosten für eine Prozessoptimierung. Die sollte der Outsourcing-Anbieter nach detaillierten Vorverhandlungen dann besser selbst durchführen.

Deutsche Unternehmen setzen Risiko vor Potenzial

Nicht zuletzt aufgrund solcher Mythen war die Diskussion über Outsourcing bei deutschen Unternehmen lange Zeit eher theoretisch. Selbst bei nur unterstützenden Wertschöpfungsaktivitäten waren deutsche Unternehmen zurückhaltend. In den USA und Großbritannien dagegen stieg das Outsourcing-Volumen stetig, auch Offshoring wurde in großem Umfang umgesetzt.

Das Standardmodell in Deutschland ist bislang eher die Auslagerung von IT-Aktivitäten in einem eigenen "kaptiven“ IT-Unternehmen, wie beispielsweise die Rechenzentralen im Sparkassen- und Genossenschaftssektor oder ausgelagerte IT-Dienstleister von größeren Unternehmen und Konzernen.

Mit dem Kostendruck der letzten Jahre ist aber Bewegung in das Thema Outsourcing gekommen. In Branchen wie der Automobilindustrie werden bereits ganze Kernaktivitäten ausgelagert, so beispielsweise das komplette Outsourcing der Fertigung des BMW-Modells X3 an Magna Steyr International in Graz, Österreich. Auch global aufgestellte Dienstleistungsunternehmen wie die Deutsche Bank mussten auf die geringen Faktorkosten reagieren, die die Wettbewerber durch Offshoring erreichen.

Outsourcing ganz oben auf der Agenda

Das Thema Outsourcing steht heute ganz oben auf der Agenda der CIOs und in der Regel auch der CEOs, sowohl bei Banken und Versicherungen als auch in anderen Branchen. Zum einen geht es dabei verstärkt um den Grad der Auslagerung: Wenn nicht Offshoring, dann zumindest Nearshoring, z.B. im ost-europäischen Raum.

Zum anderen verschieben sich Umfang und Wertschöpfungstiefe der Auslagerung immer mehr auch in Richtung Kernaktivitäten, beispielsweise in Richtung Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Investment Banking Research oder Darlehensabwicklung bei Banken und Versicherungen.

Es lohnt der Blick über den Teich

Das Dilemma der Entscheider liegt dabei in der Abwägung zwischen hohem Potenzial des Outsourcing auf der einen Seite und den hohen Risiken auf der anderen Seite. Zurückhaltung ist hier häufig ein guter Ratgeber, wie der Blick in die USA oder nach Großbritannien zeigt. Gerade große Outsourcing-Verträge konnten hier in den vergangenen Jahren die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen.

JP Morgan ist ein Beispiel dafür: Das Unternehmen kündigte nach zwei Jahren einen fünf Milliarden US-Dollar-Vertrag für das Outsourcing von Rechenzentren und Netzwerk-Betrieb. Ursprünglich war der Vertrag auf sieben Jahre angelegt. Zusätzlich stoppte JP Morgan die Übernahme des Kreditkarten-Processings durch First Data. Unzufrieden waren auch Capital One und Lehmann Brothers. Wegen der mangelnden Service-Qualität des ausgelagerten Help-Desks beendeten sie ihre Offshoring- Aktivitäten in Indien.

Auch die Deutsche Bank hatte Probleme, ihre Outsourcing-Ziele bei Kosten und Service zu erreichen. Sie hatte ab Anfang 2003 den Betrieb aller europäischen Rechenzentren fremdvergeben.

Verträge werden in kleinere Einheiten aufgeteilt

Nach Jahren der "Mega-Deals“ setzen Unternehmen jetzt mehr auf selektives Outsourcing. Große Verträge werden zunehmend überprüft, in kleinere Einheiten aufgeteilt und neu ausgeschrieben. Das zeigt zum Beispiel General Motors mit der aktuellen Neuausschreibung der Outsourcing-Aufträge für Betrieb und Wartung von IT-Systemen.

Diese Unternehmen haben erkannt, dass man die äußerst komplexen vertraglichen Regelungen umfangreicher Outsourcing-Vorhaben nicht ausreichend steuern kann. Stattdessen teilt man die Outsourcing-Bereiche in kleinere Einheiten mit besserer Planung, detaillierteren Vertragswerken und transparenten Steuerungsmechanismen/-systeme.

Aus diesen Erfahrungen lassen sich eindeutige Faktoren für erfolgreiches Outsourcing ableiten. Deutsche Unternehmen, die über Outsourcing nachdenken, können deshalb in hohem Maße von den Erfahrungen anderer internationaler Unternehmen profitieren.

Faktoren für erfolgreiches Outsourcing

Booz Allen Hamilton hat die Outsourcing-Erfahrungen von Unternehmen aus den USA, Großbritannien und Asien analysiert. Dabei wurde deutlich, dass sich die betrachteten Firmen mittlerweile konsequent auf die Interaktion mit zahlreichen internen und externen Zulieferern einstellen. Mit großem Vorlauf bauen sie entsprechende Organisationsstrukturen und Kompetenzen auf, um die Beziehungen mit Outsourcing-Partnern zu steuern. Dazu gehört eine professionelle und detaillierte Prüfung externer Faktoren, wie z.B. die Behandlung von Mehrwertsteuern, des Arbeitsrechts oder regulatorischer Rahmenbedingungen.

Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus eine weitere Erkenntnis: Internes Wissen reicht in den seltensten Fällen aus, um Outsourcing-Deals und entsprechende Vertragverhandlungen erfolgreich zu gestalten. Erfolglose Auslagerungen wurden fast immer von den Verantwortlichen für den auszulagernden Prozess verhandelt. Heute setzt man den professionellen Teams des Outsourcers erfahrene Fachleute mit Finanz-, Rechts- und Verhandlungs-Skills gegenüber. Eine Investition, die sich angesichts des Vertragsvolumens immer auszahlt.

Vorarbeit ist erfolgsentscheidend

In einem zweiten Schritt muss die Zielerreichung durch detaillierte Service-Parameter sichergestellt werden, wie zum Beispiel durch Leistungsdefinitionen, Service Level Agreements oder Kosten-Baselines. Später nicht erreichte Einsparziele lassen sich zu großen Teilen auf Versäumnisse bei dieser Vorarbeit zurückführen. Das heißt auch: Die Dauer bis zur Unterzeichnung eines Outsourcing-Deals darf nicht zu kurz angesetzt werden. Nur wer hier genau arbeitet und alle internen Stakeholder einbindet, kann später die Früchte des Outsourcing ernten.

Aus der Begleitung zahlreicher Outsourcing-Projekte durch Booz Allen Hamilton ist zudem deutlich geworden, wie wichtig eine transparente und belastbare Berechnung des Business Cases ist. "Financial Engineering“ durch den Outsourcer, etwa zur kurzfristigen Variabilisierung fixer Kosten, führt häufig dazu, dass ursprüngliche Einsparziele nicht mehr nachvollziehbar sind oder nur noch schwer gemessen werden können. Ein verständlicher, abgestimmter und in seinen langfristigen Auswirkungen transparenter Business Case ist vor diesem Hintergrund eine zentrale Säule für ein erfolgreiches Outsourcing-Vorhaben.

Fazit

Deutsche Unternehmen beginnen vielfach erst damit, Outsourcing- und Offshoring Potenziale zu erschließen. Wenn sie dabei nicht gängigen Outsourcing-Mythen aufsitzen und darüber hinaus die Erfahrungen aus dem anglo-amerikanischen Bereich berücksichtigen, kann schrittweise auch die nächste Outsourcing-Generation - mit der Auslagerung von Kernaktivitäten - erfolgreich umgesetzt werden.

Dr. Alexander Köppen ist Senior Projektleiter, Michael Heinzel ist Mitglied der Geschäftsleitung von Booz Allen Hamilton.

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