Größe ist nicht alles im Business-Umfeld

Praxistest: Samsung Note Pro 12.2 als PC-Ersatz

06.08.2014
Mit dem Galaxy Note Pro 12.2 offeriert Samsung ein Android-Phablet mit Stiftunterstützung für den professionellen Einsatz, das erstmals alle Vorteile des Pen-Computings in einem Gerät zu vereinen scheint. Wir haben getestet, ob das Tablet als ausschließliches Werkzeug für den Business-Alltag taugt.
Das Samsung Galaxy NotePRO 12.2.
Foto: Samsung

Schnell während eines Telefonats Fakten auf einer Web-Seite recherchieren, gleichzeitig dem Gesprächspartner eine Telefonnummer aus dem eigenen Kontaktverzeichnis vorsprechen und nebenbei den Gesprächsverlauf handschriftlich protokollieren? Was mit einem Smartphone höchster Fingerfertigkeit bedarf ist mit dem Samsung Galaxy Note Pro dank dessen Größe und Stiftbedienung kein Problem. Auf dem Gerät können fünf Apps nebeneinander am Bildschirm genutzt und mit dem Stift zielsicher bedient werden. Das Gerät spielt so mit der überarbeiteten Android-Software seine wichtigste Stärke souverän aus - die Größe.

Mit dem das fast DIN A4 großen Samsung Galaxy Note Pro 12.2 wird sein Besitzer auf alle Fälle auffallen. Besonders wenn es klingelt und man mit Knopf im Ohr und Stift in der Hand während des Telefonats Notizen auf ihm macht. Was auf den ersten Blick wie eine Spielerei erscheinen mag, wollten wir nach etwas Gewöhnungszeit aber gar nicht mehr missen. Die Bildschirmgröße und -schärfe machen süchtig, die Einfachheit der Stiftbedienung auch.

Seit der Samsung-Galaxy-Note-Reihe ist die Bedienung von Smartphones und Tablets mit dem Stift keine Seltenheit mehr. Andere Hersteller versuchen längst, Samsungs Erfolg zu kopieren. Mit dem Note Pro treibt Samsung die Stiftbedienung aber nochmals deutlich voran und zielt damit auf den professionellen Anwender. So sind im Alltag viele kleine Detailverbesserungen gegenüber früheren Modellen zu merken. Bei den großen Neuerungen knirscht es dagegen noch etwas.

Stiftbedienung 2.0

Mit der neuen Version der Stiftunterstützung von Samsung ist nun bei den Eingabefeldern einer App eine direkte Stifteingabe möglich. So nimmt jetzt nicht mehr die Bildschirmtastatur mit der integrierten Handschrifteingabe den halben Bildschirm ein. Vielmehr erledigt ein kleines Eingabefenster die Handschrifterkennung und ermöglicht die Bearbeitung von Feldinhalten. Das stört den Arbeitsfluss deutlich weniger und geht auch schneller von der Hand. Die Handschrifterkennung selbst ist inzwischen so ausgefeilt, dass ihr nur nachlässige Schreibweise, lange zusammengesetzte Wörter oder komplizierte Eigennahmen Probleme bereiten.

Die wahren Stärken des S-Pen-Stiftes zeigen sich im Multi-Windows-Modus des Galaxy Notes Pro. Bis zu vier Apps können nebeneinander und bis zu fünf Apps überlappend angezeigt werden. Spätestens bei der Steuerung der überlappenden Apps hört dann auch der Finger-Spaß auf. Mehrere sich überlappende Fenster auf dem Display zu dirigieren ist auch mit den dünnsten Fingern kein Kinderspiel. Mit den S-Pen kann man die Fenster dagegen sicher "greifen, ziehen und ablegen". Auch die Bedienung der entsprechend verkleinerten Apps ist mit dem Stift wesentlich einfacher und geht deutlich schneller.

Je nach persönlicher Arbeitsweise kann man Gruppen von nebeneinander laufenden Apps auch als Set abspeichern und später wieder in diesen Konstellationen aufrufen. Werden häufig Notizen zu Internet-Recherchen gemacht, so würde etwa ein Browser neben einem Notizprogramm Sinn machen. Werden dagegen Termine auf dem Tablet vorausgeplant? Dann dürfte der Anwender wohl die Aufgabenliste mit den Kontakten und dem Kalender als sinnvolle Kombination zusammenstellen. So lassen sich für viele Situationen App-Kombinationen finden, die die Arbeit deutlich erleichtern.

Auch für das Telefonieren lässt sich eine solche Kombination nutzen. Die Telefon-App stellt sich ohnehin selbst als Fenster dar und darunter kann mit einem Klick die gewünschte App-Kombination eingeblendet werden. Hier bieten sich etwa Kontakte, Kalender und Notizprogramm an. Das Fenster der Telefon-App lässt sich zudem minimieren, sollte es im Weg stehen. Für die sich überlappenden Fenster steht diese Abspeicherung von Kombinationen allerdings nicht zur Verfügung.

Kein vollwertiges Fenstersystem

Weiterer Wehrmutstropfen ist der Multi-Window-Modus, der noch nicht mit jeder App funktioniert, auch nicht jeder von Samsung. So lässt sich etwa die wichtigste Stift-App, S-Note von Samsung zwar nebeneinander nutzen, aber nicht als überlappendes Fenster. Ferner lässt sich auch nur eine Untermenge der vorinstallierten Apps im Multi-Window-Modus nutzen. Von den vorinstallierten Apps von Drittherstellern sind das lediglich Twitter und Evernote, sowie Hancom Office Viewer. Die "nebeneinander" Darstellung funktioniert dagegen mit der Mehrzahl der vorinstallierten Apps und auch für viele Apps von Drittherstellern wie beispielsweise Papyrus, eine Stift-Anwendung.

Leider ist auch die Stift-Unterstützung im Multi-Window-Modus nicht immer durchgängig verfügbar. Bei manchen Apps lässt sich nur die reine Bildschirmtastatur aktiveren, bei anderen ist auch das Stifteingabefeld nutzbar. Das separate Stift-Fenster für Eingabefelder ist im Multi-Window-Modus gar nicht aktiv und auch Apps die eine direkte Stifteingabe vergleichbar zu S-Note ermöglichen unterstützen den Multi-Windows-Modus erst gar nicht.

In unserem Test zeigte sich auch, dass der Multi-Window-Modus noch kein vollwertiges Fenster-System ist. Es fehlt ihm eine entscheidende Eigenschaft, die den größten Produktivitätsgewinn bringt: Drag and Drop. Eine Adresse aus den Kontakten in einen Briefentwurf ziehen oder einen Text aus einer Internetseite in die Notizen ziehen - was für den Windows-Benutzer am PC selbstverständlich ist, fehlt dem Note-User. Funktionen, die dem Multi-Windows-Modus Feuer verleihen würden. Hier hat Samsung noch viel Potenzial sich von der Konkurrenz abzusetzen. Ohnehin scheint Samsung viele bekannte Dienste mit eigenen Apps zu kopieren, damit diese dann im Multi-Windows-Modus funktionieren.

Mit verschiedenen lizensierten Apps und Bundle erhöht Samsung den Mehrwert des Gerätes für professionelle Nutzer, aber kaum eine dieser Apps nutzt die zusätzlichen Möglichkeiten des Note Pro. DropBox, WebEx von Cisco, Sketchbook von Autodesk und auch die Lese-Apps von Businessweek, Handelsblatt und NYTimes und funktionieren mit dem Stift, aber nicht in den Multi-Windows-Modi. Bei Apps aus den Stores kommt es auf den Einzelfall an, eine Liste der unterstützen Apps steht bislang nicht zur Verfügung.

Office Integration

Die für professionelle Anwender wichtige Office-Integration wird durch den vorinstallierten Hancom Office Reader realisiert, der in beiden Multi-Window-Modi funktioniert, aber nur lesenden Zugriff auf Office-Dokumente ermöglicht. Von Microsoft sind für das Android-Tablet lediglich OneNote sowie Lync und Outlook.com verfügbar. Mit dem hier von uns beschriebenen Trick kann aber auch das Microsoft Mobile Office auf Tablets installiert werden. OneNote lässt sich neben anderen Apps aufrufen, besteht dabei aber auf einer Anzeige im Hochformat.

Der Outlook.com Client funktioniert problemlos, kann aber nur als alleinige App am Bildschirm betrieben werden und nutzt dabei den verfügbaren Platz nicht sinnvoll aus. Besser schlägt sich IBMs Notes Traveler, der je nach Bildschirmgröße zusätzliche Benutzerelemente einblendet, Traveler unterstützt aber leider auch nicht den Multi-Windows-Modus. Unter den Office- Anwendungen steht Microsoft Office 365 nur in der Browserfähigen Version zur Verfügung, wenn sie nicht zu unserem obigen Trick greifen. Von den vielen Office kompatiblen Werkzeugen die alle unter Android laufen sticht einzig OfficeSuite 7 von MobiSystems positiv heraus. Es ist auch im nebeneinander Multi-Windows-Modus nutzbar, allerdings nicht im Fenster-Modus.

Fazit

Die Multi-Window-Fähigkeit des Note Pro bringt bei richtiger Konfiguration in der Praxis deutlich mehr Produktivität, ist aber nicht ausschlaggebend für den Erfolg des Gerätes. Die hat einen ganz anderen Grund: Hat man sich an die Größe gewöhnt, macht diese süchtig. Mit dem Note Pro im Arm und dem S-Pen in der Hand, scheint man auf interaktives Papier zu schreiben und nicht mehr auf einen Notizzettel. Man kann seinen Gedanken freien Raum lassen und wird nicht mehr vom drohenden Ende des Bildschirms limitiert. Das ist die wahre Praxiserfahrung mit dem Gerät - vielleicht ist Größe doch alles.