Statt Standardisierung

Privat-IT: Jeder 3. CIO mit Pilotprojekt

20.10.2011 von Werner Kurzlechner
"Bring Your Own Device" kann die IT-Kosten pro Arbeitsplatz laut A.T.-Kearney-Studie um 22 Prozent senken. Rechtliche Unklarheit behindert den Ansatz aber.

Manchmal ändern sich die Zeiten fast auf einen Schlag. Vor dem schnellen Umdenken sollten dann Momente des Innehaltens und der Verwunderung erlaubt sein – selbstverständlich auch bei CIOs. Denen wurde von Unternehmensberatern jahrelang eingetrichtert, dass Standardisierung die Grundvoraussetzung für Erfolg sei. Die Berater Joerg Augustin und Dr. Marcus Eul von A.T. Kearney räumen unumwunden ein, selbst jahrelang diesen Weg gepredigt zu haben. Nun aber rufen sie wegen Tablets und Smartphones das Ende der Standardisierung aus. Und sie halten das Konzept „Bring your own Device“ (ByoD) für eine vielversprechende Alternative.

Joerg Augustin von A.T. Kearney beobachtet, dass sich das Konzept ByoD bisher vor allem in der Kreativwirtschaft verbreitet.
Foto: A.T. Kearney

„Bei uns fragen immer wieder CIOs deshalb an“, sagt Augustin. „ByoD ist definitiv ein Thema, das IT-Chefs bewegt.“ Das Potenzial loten die Berater in einer aktuellen Studie aus. Für diese wurden „quer durch die deutsche Wirtschaft“ 70 CIOs und 100 Mitarbeiter der jüngeren Generation befragt. Angereichert hat A.T. Kearney dieses Material noch mit praktischen Erfahrungen aus eigenen Projekten.

Verbreitet sei ByoD hierzulande bisher vor allem in kreativen Unternehmen, so Augustin und Eul. In Marketingunternehmen und Werbeagenturen beispielsweise, vor allem aber auch in der Grafik- und Designbranche. Dort hätten sich Mitarbeiter frühzeitig dagegen gewehrt, ihre gestalterischen Leistungen mit normierten Tools erledigen zu müssen. Stattdessen wurden die eigenen Geräte mit ins Büro gebracht. Gearbeitet wird ohnehin nicht nur dort.

In deutschen Großunternehmen ist ByoD noch selten. A.T. Kearney beobachtet allerdings, dass weithin die Planungen und Prüfungen begonnen hätten. In jedem dritten Unternehmen gebe es mittlerweile mindestens ein Pilotprojekt. „Jeder macht die Vorbereitung, um im Zweifel gerüstet zu sein“, so Augustin. Das Ziel der CIOs sei, notfalls binnen eines Vierteljahres implementieren zu können.

So viel Sparpotenzial hat ByoD: eine Modellrechnung von A.T. Kearney.
Foto: A.T. Kearney

Anzumerken ist, dass A.T. Kearney eine recht breite Definition von ByoD benutzt. In der Studie heißt es: „Die Bandbreite der Konzepte reicht dabei von der reinen Erlaubnis, private IT-Endgeräte auch im Unternehmensnetzwerk zu nutzen, bis hin zu komplexen Modellen, bei denen Mitarbeiter selbst einen Teil der Kosten ihres höherwertigen IT-Endgerätes übernehmen, das sie dann auch im privaten Bereich nutzen können.“ Dieses zweite Modell ist es bekanntlich, das gemeinhin mit ByoD gemeint ist.

22 Prozent weniger IT-Kosten pro Arbeitsplatz

Die Berater sehen darin enormes Potenzial. Eul hält es für „nur eine Frage der Zeit“, bis es sich durchsetzt. Der Weg von Tablets in die Unternehmen werde so unaufhaltsam sein wie einst die Einführung von E-Mail-Systemen oder offenen Laufwerken. Noch Mitte der 1990er-Jahre habe man sich den Durchbruch der elektronischen Post mitnichten überall vorstellen können. Er erfolgte dann schnell. „Genauso wird es auch mit den Tablets sein“, sagt Eul.

Was ByoD konkret bringen kann, haben die Berater auf Basis zweier Pilotprojekte durchgerechnet. Demnach lassen sich die IT-Kosten pro Arbeitsplatz um 22 Prozent senken - eingeschlossen sind darin neben der Abschreibungen für Hardware zum Beispiel auch Support-Kosten. Es wird davon ausgegangen, dass Unternehmen und Mitarbeiter sich an den Kosten beteiligen und dass die Mitarbeiter keine weitere private Hardware benötigen. Dann lägen die Einsparungen für das Unternehmen bei 13 Prozent. Die IT-Ausgaben der Mitarbeiter würden gar um 40 Prozent gesenkt.

Neben einer höheren Gesamtproduktivität wegen fortlaufendem E-Mail-Check, gesteigerter Effizienz durch höhere Motivation der Mitarbeiter und einer Entlastung des IT-Budgets beim Hardware-Kauf gehen die Berater derzeit von beträchtlichen Image-Gewinnen durch ByoD aus. „Durch gezieltes Marketing des ByoD-Konzeptes innerhalb sowie außerhalb des Unternehmens wird zusätzlich ein innovatives Image erzeugt, das wiederum die Attraktivität des Unternehmens für hochqualifizierte, technologiebegeisterte und junge potentielle Mitarbeiter steigert“, heißt es in der Studie.

Dennoch gibt es hierzulande noch Hürden, die eine flächendeckende ByoD-Umsetzung verhindern. „Man kann das nur einführen, wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat“, sagt Augustin. Er hat dabei vor allem das Niveau von IT-Infrastruktur und –Architektur im Sinn. Sein Kollege Eul verweist auf weitere Hindernisse. Es seien organisatorische Rahmenbedingungen nötig, die ByoD ermöglichen. Häufig scheitere eine Einführung momentan an fehlenden Vereinbarungen mit Betriebsräten, die die Einhaltung der Tarifarbeitszeit garantieren müssten. Auch sei rechtlich und steuerlich zu klären, inwieweit durch ByoD ein geldwerter Vorteil bei den Mitarbeitern entstünde, die günstig zum Beispiel ein iPad beschaffen könnten.

Als Kernherausforderungen hebt A.T. Kearney in der Studie den Datenschutz, die Bereitstellung eines effizienten Supports und die Optimierung des IT-Einkaufs hervor. „Weniger Standardisierung bedeutet auch eine größere Zahl potenzieller Sicherheitslücken“, so die Berater.

5 zentrale Bausteine für ByoD

Fünf Bausteine müssen nach Einschätzung von A.T. Kearney zusammengefügt werden, damit ein ByoD-Gebäude stabil sein kann: Anpassung des Beschaffungskonzeptes, Optimierung des Lizenz- und Software-Managements, Definition eines umfassenden Kommunikationskonzeptes, Weiterentwicklung des Helpdesks und Einführung virtualisierter Arbeitsumgebungen.

Die Studie „Das Ende der Standardisierung?“ ist bei A.T. Kearney erhältlich.