Firmen können Produktivität ohne zusätzlichen Kapitaleinsatz erhöhen

Produktionsdaten zeitnah auswerten

25.01.2008 von Nicolas Zeitler
Den Ertrag ohne zusätzliche Investitionen erhöhen - dieser Wunsch vieler Unternehmen ist der wichtigste Grund, warum sie sich dem Thema Enterprise Manufacturing Intelligence (EMI) widmen. Wer in Echtzeit Daten aus dem Produktionsprozess gewinnt und auswertet, kann die Leistung seines Betriebs damit deutlich verbessern. Eine Untersuchung der Aberdeen Group zeigt, dass Firmen solche Initiativen mit höchst unterschiedlicher Intensität verfolgen. Diejenigen der Spitzengruppe setzen mehr als doppelt so oft auf EMI wie Unternehmen, die die Studie als "Nachzügler" identifiziert.

EMI wird nach Ansicht der Marktforscher immer entscheidender für den effizienten Betrieb von Produktionsstätten. Grundlage dafür ist es, Daten aus der Fertigung sichtbar zu machen, wie es die Autoren der Untersuchung formulieren. Entscheidend für den Erfolg ist es dann, die gewonnenen Informationen in den richtigen Zusammenhang mit den Vorgängen in einem Betrieb zu bringen und die Erkenntnisse daraus in Echtzeit für Entscheidungen zu nutzen. Dem von Aberdeen als "Klassenbeste" bezeichneten Fünftel der untersuchten Firmen gelingt genau das. Sie haben erkannt, dass EMI ein entscheidendes Werkzeug ist, das Informationen aus dem Herstellungsprozess mit Geschäftsdaten des Unternehmens in Verbindung bringt.

56 Prozent der als führende EMI-Anwender identifizierten Unternehmen setzen dieses Instrument vorrangig mit dem Ziel ein, ohne zusätzlichen Kapitaleinsatz mehr zu produzieren. Zu den weiteren Gründen zählt unter anderem auch die Erhöhung der Qualität. 41 Prozent der Firmen ist dieser Punkt wichtig.

Erfolgreich ist das führende Fünftel der Studienteilnehmer vor allem, weil es diesen Firmen gelingt, sicherzustellen, dass kontinuierliche Verbesserungsprogramme auch wirklich den erwarteten Nutzen abwerfen. Diese Unternehmen können flexibel auf sich verändernde Anforderungen reagieren. Von großer Bedeutung ist es laut Aberdeen, dass Führungskräfte Zugriff auf die mittels EMI erhobenen Daten haben und auf deren Basis Entscheidungen fällen - geht es dabei um die Auslieferung, Rabatte oder auch das Einstellen von neuem Personal.

In den Firmen, die für die anderen die Messlatte in puncto EMI setzen, sind bestimmte Voraussetzungen gegeben, die die Studie aufzeigt. So werden die EMI-Initiativen auf der Ebene der Herstellung vorangetrieben. Bei Alarmmeldungen sind standardisierte Verfahren vorgegeben. Der Verkauf hat Zugriff auf Daten über Nachfrage, Qualität und die voraussichtliche Auslieferung von Produkten. Die Kunden schließlich können den aktuellen Status ihrer Bestellung abrufen.

Verschiedene Faktoren veranlassen Firmen, sich mit EMI zu beschäftigen. Am stärksten ist der Druck, ohne zusätzlichen Kapitaleinsatz produktiver zu werden.
Foto: Aberdeen

Möglich wird all das zum Beispiel durch tragbare Geräte, die den ständigen Zugriff auf die gewonnenen Informationen gewähren. Zur Langzeitüberwachung und um Entwicklungen zu erkennen ist außerdem die automatische Auswertung der Daten in festgelegten Rhythmen wichtig.

Einblick für die Kunden

Im Vergleich einzelner Kriterien werden die Unterschiede zwischen Firmen mit vorbildlicher EMI und denen, die noch Nachholbedarf haben, deutlich. So bietet jedes dritte Unternehmen aus der Führungsgruppe seinen Kunden Einblicke in den Status bestellter Waren. Firmen, die im Mittelfeld liegen, gewähren diesen Einblick in jedem fünften Fall. Bei den Schlusslichtern sind es indes nur 15 Prozent. Bei weniger als jedem zehnten von ihnen hat der Verkauf Überblick über Daten aus Nachfrage, Qualität und Auslieferung. Die Spitzengruppe hat hier deutlich die Nase vorn. In fast drei von zehn Firmen stehen dem Verkauf solche Informationen zur Verfügung.

Dass EMI auf der Ebene der Herstellung in den Fabriken gesteuert werden soll, haben fast zwei Drittel der vorbildlichen Firmen erkannt (61 Prozent). Nur in drei von zehn Betrieben dagegen, die Aberdeen in die Gruppe derer mit großem Nachholbedarf einordnet, ist dies der Fall. Auch auf der Ebene der Technologie trennt sich die Spreu vom Weizen. 72 Prozent der Firmen aus der Spitzengruppe setzen ERP-Lösungen ein, die weniger fortschrittlichen Betriebe fallen mit 60 Prozent merklich zurück. Mit Lösungen zur effizienten Steuerung der Fertigung (Manufacturing Execution Systems, MES) arbeitet in der Spitzengruppe ein Drittel, bei den "Nachzüglern" nur 17 Prozent.

Daten automatisch erheben

Firmen, die EMI bisher vernachlässigt haben, rät Aberdeen, sich in drei Schritten diesem Thema anzunähern. Zunächst sollte ein Betrieb dazu übergehen, Daten automatisch zu sammeln. Denn wo Informationen im einzelnen von Hand erhoben werden müssen, können eher Fehler passieren. Automatisch erhobene Daten können in einem nächsten Schritt über Computer-Systeme den zuständigen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Dazu müssen sie allerdings auch im richtigen Zusammenhang mit dem Produktionsvorgang dargestellt werden. Nur so können sie Entscheidungshilfen für die Verantwortlichen liefern. Um in EMI einzusteigen, sollten Firmen sich zudem nicht davor scheuen, mit erfahrenen Anbietern entsprechender Lösungen Partnerschaften einzugehen, um so unter anderem die eigenen Mitarbeiter zu schulen.

Pläne zu entwickeln, wie EMI-Technologien nach und nach umgesetzt werden können, rät Aberdeen den Unternehmen, die laut der Untersuchung zur mittleren Gruppe gehören. Sie sollten einen Zeitrahmen für die Implementierung erarbeiten. Außerdem sollte das EMI-System in der gesamten Fertigungsstätte sichtbar sein, um seine Wirkung über den gesamten Herstellungsprozess zu entfalten. Wichtige Entscheidungsträger sollten auch von Fern auf kritische Daten zugreifen können.

Auch den Klassenbesten gibt Aberdeen Ratschläge mit auf den Weg, um auch künftig erfolgreich Daten über die Produktion erheben und auswerten zu können. EMI sollte demnach Teil ständiger Verbesserungs-Initiativen in einem Unternehmen sein. Außerdem empfehlen die Autoren der Studie, den Anwendungsbereich von EMI möglichst breit zu gestalten und nicht nur auf die eigentliche Fertigung zu begrenzen. Für die Weiterentwicklung der eigenen EMI-Technologien sollten die Firmen außerdem eng mit ihren Technologie-Partnern zusammenarbeiten.

Die Aberdeen Group hat die Untersuchung unter dem Titel "Manufacturing IQ: Taking Manufacturing Intelligence To the Enterprise" veröffentlicht. Finanziell unterstützt haben die Studie Rockwell Automation, SAP und Transpara. Im Jahr 2007 befragten die Marktforscher übers Internet Führungskräfte aus mehr als 230 Industrieunternehmen zu ihrem Einsatz und ihren Erfahrungen mit EMI. Zusätzlich führten Aberdeen-Mitarbeiter Telefon-Interviews mit ausgewählten Studienteilnehmern.

Die Firmen sind in verschiedenen Zweigen tätig. Fast ein Drittel arbeitet in der Hochtechnologie (29 Prozent), ein Fünftel gehört zur Automobilbranche (22 Prozent). 57 Prozent haben ihren Sitz in Nordamerika, 28 Prozent in Europa, dem Nahen Osten und Afrika, die übrigen in Asien und dem Pazifischen Raum. Drei von zehn der Unternehmen erwirtschaften jährlich mehr als eine Milliarde US-Dollar, etwas mehr als ein weiteres Drittel (36 Prozent) sind mittlere Firmen mit Erträgen zwischen 50 Millionen und einer Milliarde Dollar.