Krankenhaus-Neubau

Projekt: Alle Prozesse vorher simuliert

01.08.2012 von Hartmut Wiehr
Neubauten sind schnell hochgezogen. Bei den Elblandkliniken kommt zuerst die Planung der Prozesse und der IT-Infrastruktur. Stimmt die Simulation, wird gebaut.
Projektleiter und IT-Stratege Dirk Jaeckel setzt auf langfristige Planung beim Neubau der Elblandkliniken in Riesa.
Foto: Elblandkliniken

In der Automobil-Industrie stehen die Prozesse von den ersten Entwürfen bis zum fertigen Produkt, das vom Fließband rollt, fest. Dennoch fällt der Startschuss für ein neues Modell immer erst dann, wenn alles durch eine software-gestützte Simulation gelaufen ist und alle Eventualitäten abgeklärt sind. Dieses äußerst erfolgreiche Vorgehen hat die Beratungsfirma Unity bewogen, es auf andere Branchen zu übertragen, inklusive der Gesundheitswirtschaft.

Krankenhäuser sind zwar alles andere als eine Fabrik – oder sollten es zumindest vom Ansatz her, den Patienten individuell zu helfen, so sein –, dennoch hat man sich bei den Elblandkliniken davon faszinieren lassen, als es um die Planung eines Krankenhausneubaus in Riesa (Sachsen) ging. Wie der zuständige Projektleiter und IT-Stratege Dirk Jaeckel im Gespräch mit CIO Healthcare-IT erklärt, hatten bisher bei den Krankenhausneubauten immer zuerst die Architekten das Wort. Sie legten die prinzipielle Planung der Abteilungen, Operationssäle, der langen und kurzen Wege innerhalb der komplexen Anlage fest.

Erst danach konnte die IT-Abteilung ihre Ansprüche anmelden und in die bestehende Planung integrieren. Das führte, so Jaeckel, immer wieder zu Problemen, so perfekt die Krankenhäuser auch ansonsten durchdacht waren. Und diese nachträglichen Probleme führten zu einer Erhöhung der Projekt- und Baukosten.

Diskrepanzen bei Ausschreibungen

Da die Fördermittel für den Krankenhausbau immer weniger üppig ausfallen, muss laut Jaeckel die Planung umso genauer "sitzen“, Ausrutscher könne man sich nicht leisten. Die klassischen Ausschreibungen hätten öfter zu Diskrepanzen zwischen den Grundrissplanungen und den Prozessbeziehungen geführt – und damit zu Nachbesserungen und Kostensteigerungen.

Bei der Planung für den Krankenhausneubau in Riesa, der 2015 abgeschlossen sein soll, ist man deshalb einen anderen Weg gegangen. Dieser sei in Europa bisher einzigartig, ist sich Jaeckel sicher. Man habe sich im Vorfeld verschiedene Krankenhäuser näher angesehen und sich dann für ein Simulationsmodell entschieden. Bei diesem werden die Prozesse langfristig und unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung durchkalkuliert und visualisiert, so dass sich alle an der Planung beteiligten medizinischen Abteilungen und Mitarbeiter selbst ein Bild machen könnten. Eingesetzt wird dafür die Software "Plant Simulation“ von Siemens.

4-Ebenen-Modell zur Prozess-Bestimmung

Der Neubau in Riesa wird von den Elblandkliniken generalstabsmäßig durchgeplant. So will man auch die Kosten im Griff behalten.
Foto: Elblandkliniken

Die Elblandkliniken sind die größte kommunale Klinikkette in Sachsen, mit Sitzen in Riesa, Meißen und Grossenhain. Nach dem Ende der DDR mussten alle Kreiskliniken massive Änderungen in ihrer Organisation und in den Verantwortlichkeiten erleben, hervorgerufen durch diverse Landkreisreformen und die neue Ausrichtung auf Wirtschaftlichkeit und Gewinnerzielung.

Für die detaillierte Planung der Prozesslandschaft im Neubau von Riesa haben die Elblandkliniken die Management-Beratung "Unity“ beauftragt, die ursprünglich aus dem Heinz-Nixdorf-Institut heraus entstanden ist. Unity arbeitet neben der Nutzung von Software-Simulationen mit einem 4-Ebenen-Modell und der "Omega-Methode“ zur Bestimmung der Prozesse bei ihren Kunden:

  1. Zusammen mit dem Kunden (hier: den Fachabteilungen, zum Beispiel Ärzte und Pflegepersonal sowie IT) die bisherigen Prozess-Erfahrungen erfassen und erste Ziele festlegen (Ist-Analyse).

  2. Ableitung von Strategien aus diesen Kontakten.

  3. Ummünzen und definieren in konkrete Prozessschritte (Soll-Prozesse).

  4. Unterstützung dieser Prozesse durch geeignete IT-Maßnahmen.

Tim Meisen, bei Unity einer der Projektbetreuer, betont das Aufeinanderzugehen der beiden Partner – Prozess- und IT-Seite hätten jede ihren Part. Know-how um die Arbeitsabläufe treffe auf das nötige Wissen um die IT-Infrastruktur. Zum Vorgehen gehöre auch das rechtzeitige Ausprobieren und Umorganisieren, bevor die eigentlichen Baumaßnahmen beginnen.

Die Elblandkliniken setzen auf eine moderne IT mit Tablets und RFID. Software-Simulation hilft bei der Erprobung neuer Prozesse.
Foto: Elblandkliniken

So setzen die Elblandkliniken heute die KIS-Software "Orbis“ von Agfa ein (Klinikinformationssystem). Die IT-Abteilung überprüft bereits zum jetzigen Zeitpunkt, welche künftigen Arbeitsabläufe in Orbis abgebildet werden können. Funktioniert das nicht, werden sofort Anpassungen am Programm vorgenommen oder eventuell noch Module nachgekauft.

RFID für Notfallopfer

Ein weiteres Beispiel für die Vorbereitung auf neue IT-Anforderungen: Die IT-Abteilung, so berichtet der zuständige Projektleiter Jaeckel, spielt bereits verschiedene Szenarien für den künftigen RFID-Einsatz in Riesa durch. So wird getestet, wie die Technologie beim Patiententracking funktioniert (welcher Patient ist zur Zeit in welcher Leistungsstelle oder wo bewegt er sich gerade im Krankenhaus?) oder wie man sie beim Demenzschutz in der Geriatrie-Abteilung einsetzen kann: Wenn sich ein älterer Patient im Gebäude verläuft oder vergisst, wo sich sein Zimmer befindet, ist er über ein RFID-Armband leicht aufspürbar.

RFID im Bereich Notfallambulanz ist ein zusätzlicher Einsatzbereich, der schon jetzt überprüft wird. Während aus dem Rettungswagen oder dem Hubschrauber erste Informationen über das Unfallopfer an die Klinik übertragen und per IT-Tools festgehalten oder abgeglichen werden, kann später über ein RFID-Band oder eine entsprechende Plakette die Behandlung auf den einzelnen Krankenhausstationen verfolgt werden.

Jaeckel verweist darauf, dass sich damit auch das "Manchester Triage System (MTS)“ verbinden lässt: Ein Orbis-Modul bildet die Behandlungsreihenfolge für verschiedene Patientenkategorien fest, selbst bestimmte Arztkontakte und Behandlungszeiten sind festgelegt und können kontrolliert werden. Eine Monitoringfunktion überprüft, ob alle vorgeschriebenen Schritte auch eingehalten werden. MTS wurde speziell für die Notfallmedizin entwickelt und wird in Deutschland auch von dem Berliner Charité-Krankenhaus eingesetzt.

Zu den Prozessen, die ebenfalls im Vorfeld abgeklärt werden, gehören der zukünftige Einsatz von mobilen Geräten wie Tablets oder Smartphones, Geräten für Telekommunikation (Tele Presence), Identity Management, Rollenkonzepte oder Datenschutz.