Untaugliche Prozesse beenden

Prozess-Piraterie mit SaaS

24.05.2012 von Michael Kallus
Um verkrustete Abläufe aufzubrechen, kann die Geschäftsleitung in einzelnen Bereichen gezielt SaaS als Kontrapunkt positionieren. Das zeigen zwei Beispiele aus der Praxis.
Foto: Clipper-DJS e.V.

Diese tödliche Ruhe. Das Unternehmen war viele Jahrzehnte erfolgreich. Doch als die Bilanzen der vergangenen Jahre plötzlich in roten Zahlen endeten, hielten viele Mitarbeiter den Atem an. Was tun? Klar war nur, es musste etwas passieren.

Um schnell zu einer fundierten Analyse zu gelangen, holt sich die Geschäftsleitung unter anderem Experten im Bereich Human Resources (HR) ins Haus. Sie sollten einen unbefangenen Blick ermöglichen. Die neuen Köpfe decken schnell einige Schwachpunkte auf.

Das Unternehmen, um das es geht, hat mehrere tausend Mitarbeiter, die vornehmlich in europäischen Ländern sowie weltweit in kleineren Offices tätig sind. Und überall macht man es ganz anders: Jedes Land handhabt etwa Jobausschreibung, Mitarbeiterentwicklung und Talent-Management mit eigenen Prozessen.

Selbst die Unternehmenskommunikation ist stark fragmentiert. Es gibt nicht einmal ein unternehmensweites Intranet und es kursieren Unmengen von verschiedenen Vorlagen. Zieht ein Kollege in ein anderes Landesbüro, kommt das organisatorisch einer Neueinstellung gleich - für das Unternehmen wie für den Mitarbeiter, der sich auf viele Neuerungen einstellen muss.

Die Geschäftsleitung handelt schnell. Und ohne lange die IT-Abteilung hinzuzuziehen. Geleitet von der Erkenntnis, dass die eigene HR kein Wettbewerbsvorteil ist, den es zu bewahren gilt, entscheidet das Management, die neuen Abläufe an einer neuen Lösung auszurichten.

CRM-System geentert

"Beschlossen wurde, mit Hilfe einer externen SaaS-Lösung eine Best Practice einzuführen", erläutert Nikolaus Krasser, Vorstand der Pentos AG, die sich auf SaaS-Beratung spezialisiert hat.

Dieses Vorgehen erforderte einigen Mut, denn es ist zunächst einmal eine Lösung gegen die eigene IT. Unternehmensweit ist bereits seit langen Jahren SAP Standard. "Doch jedes Land hatte jeweils eigene SAP-Lösungen, es lagen mehrere unterschiedliche Mandanten-Gruppen vor", berichtet Krasser. "Daher wäre es immens teuer gekommen, die traditionelle IT zusammenzuführen."

Nun setzt das Unternehmen auf eine SaaS-Lösung, die gerade umgesetzt wird. Schon jetzt zeigen sich erste Synergien, "Die Lösung sorgt unternehmensweit für einheitliche Prozesse", sagt Krasser. "Es herrscht Klarheit, wer etwa den Arbeitsvertrag macht und was nach der Probezeit passiert. Die Effizienz steigt enorm."

Hinzu kommen neue Funktionen, beispielsweise ein Kalibrierungs-Tool, das die Management-Gehälter weltweit nach Erfolg ausrichtet. Das SaaS-Tool liefert exakte Blaupausen für alle Abläufe mit und klärt Fragen wie: Wo baue ich das ein? Wer soll kalibrieren? Für welche Arten von Gehalt gilt das?

Von der Einführung profitiert letztendlich auch das IT-Team. Es bekommt langsam ein Gefühl für die Lösung und es zeigen sich neue Aufgaben. Beispielsweise erfordert es neue Wege, Single-Sign-On auch für die SaaS-Lösung zu realisieren. Doch nicht nur das IT-Team kann durch die Einführung einer SaaS-Lösung übergangen und geentert werden. In einem anderen Unternehmen musste das CRM-Team daran glauben.

Der Maschinenbauer hat stark expandiert, mittlerweile gehörten fast 20.000 Mitarbeiter dazu. Über die Jahre hinweg hatte das Unternehmen mittels Open Source eine Perle für sein CRM entwickelt: eine Angebotsmaschine, die den Preis selbst großer Anlagen auf Mausklick berechnet.

Diese Perle war eingebettet in CRM-Standardlösungen, die mittlerweile veraltet waren. Deshalb drängten die Vertriebsmanager darauf, die CRM-Komponenten zu modernisieren. Das zog sich jedoch über lange Zeit hin.

Direkte Attacke auf den Vorstand

Schließlich verloren die Vertriebsmanager die Geduld und ritten eine direkte Attacke auf den Vorstand - um das CRM-Team herum. "Die Vertriebsmanager zeigten dem Management einfach die alte CRM-Lösung und die Manager konnten zunächst gar nicht glauben, was sie da sahen", berichtet Krasser. "Die dachten, das wäre eine teure Adresslösung."

Die beiden Parteien einigten sich schnell: Um die Investition niedrig zu halten und rasch eine modernere Lösung zu erhalten, sollten die CRM-Komponenten durch eine SaaS-Lösung ersetzt werden. Die Angebotsmaschine hingegen sollte weiterhin im Haus vorgehalten werden.

"Diese Kombination macht Sinn", erläutert Krasser. "Standardprozesse sind mit SaaS oft gut aufgehoben. Sobald es um einen USP geht, bietet eine On-Premise-Lösung einige Vorteile."

Vorausschauende IT-Teams verhindern Meuterei

Die IT-Teams werden künftig mehr mit den beiden Welten On premise und SaaS balancieren. "Der Schlüssel steckt in effizienten IT-Systemen, die den Unternehmensbetrieb sicherstellen, und ergänzt werden durch flexibel gestaltbare "Eigenentwicklungen" in bestimmten, wettbewerbsdifferenzierenden Bereichen des Unternehmens", erläutert Krasser.

Beim Blick in die Glaskugel prophezeit er neue strategische Möglichkeiten für die IT: "Das Verbinden von mehreren Cloud-Lösungen kann einen USP generieren. Wenn die IT hier mitdenkt und sich für solche Ansätze engagiert, kann sie einen großen Mehrwert für das Unternehmen generieren, neue Aufgabenfelder finden und sich die Flexibilität selbst auf die Fahne schreiben."