Kunde im Mittelpunkt

Radikales Umdenken durch Design Thinking

02.09.2015 von Werner Kurzlechner
Die Methode des agilen Lernens hemmt sich nicht durch einen perfektionistischen Ehrgeiz. Die kulturelle Transformation kann allerdings Jahre dauern, so Forrester.
  • Design Thinking rückt den Kunden in den Mittelpunkt
  • Wichtiger als Perfektion ist beständiges Lernen durch Ausprobieren
  • RWE sammelte mit dem Ansatz zuletzt gute Erfahrungen
  • Ratsam ist die Zusammenarbeit über Fachbereichsgrenzen hinweg
Zur Technologie und zum Geschäft gesellt sich der Kunde. Um ihn soll beim Design Thinking alles kreisen.
Foto: Forrester Research

Buzzword-Coup für Forrester Research: Testet man das Wort "hyperadoption" bei Google, verweist tatsächlich mehr als eine Handvoll Einträge auf die Analysten. Ganz oben erscheint ein Blog-Eintrag von Forrester-Analyst James McQuivey, der sich begeistert darüber äußert, dass dieser Begriff bisher unbesetzt geblieben war. "Gewöhnen Sie sich an das Wort", rät McQuivey seinen Lesern keck. Denn Hyperadoption werde die kommenden zehn Jahre der persönlichen und beruflichen Existenz eines jeden definieren.

Werkzeug für Innovationsbaustellen

Auf Deutsch wurde der Begriff - wir erfahren es dank Google - mit zuallererst von der Beraterin Eva Schoch hyperadoptiert. Sie vermittelt einen ersten überschwänglichen Eindruck, um was es inhaltlich grob geht:

"Willkommen in einer neuen Zeit. Die alten Regeln sind tot. Wir haben nicht länger die 4Ps im Marketing: Produkt, Preis, Platz und Promotion! Wir haben jetzt ein K und das ist der Kunde. Kunden-Engagement ist das neue Zentrum der Realität. Kunden kontrollieren die Information, den Preis und die Location. Hyperadoption verändert die Kunden. Werte sind der Heilige Gral für Kunden-Emotionen. "

Forrester Research benutzt das Wort auch, um die Relevanz eines weiteren Begriffs mit offenkundiger Konjunktur zu begründen: Design Thinking. Analystin Allegra Burnette führt aus, dass "Hyperadoption" ein neu erscheinendes Kundenverhalten bezeichne. Dieses befeuere mit bislang unbekanntem Lärm und Getöse das Verlangen nach neuen Produkterfahrungen. Ein Umstand, der die Annäherung an die drei Haupttreiber eines anspruchsvollen Kundenerlebnisses - Leichtigkeit, Effektivität und Emotion - erschwere. Umso mehr, wenn althergebracht Prozesse und Systeme die Suche nach neuen Wegen zusätzlich bremsten. Der Ausweg: Design Thinking.

Grundlegende kulturelle Transformation notwendig

Burnettes Analyse ist eine von zwei Studien, die Forrester in kürzester Zeit zum Thema veröffentlicht hat. Während sie sich tendenziell an Marketing-Leute wendet, zeigen ihre Kollegen Frederic Giron und Ryan Hart die Relevanz für CIOs auf. Warum also und wann sollten sich CIOs im Zeitalter der Hyperadoption mit Design Thinking befassen? Forresters Antwort: Weil dieses Konzept einen Ausweg darstellen kann, erfolgreicher als oft in der Vergangenheit Innovation in geschäftlichen Erfolg zu münzen. Nötig sei dafür aber grundlegende kulturelle Transformation, die nicht trivial umzusetzen ist.

Die Analysten liefern diese Definition für Design Thinking: "Ein kollaborativer Ansatz der Produkt- und Service-Innovation, der die Anforderungen und Erwartungen des Kunden ins Zentrum eines Projektes rückt, das ein menschliches oder geschäftliches Problem durch kreatives Experimentieren lösen will."

"Design Thinking ist keine Wunderwaffe", schreiben Giron und Hart. "Es ist vielmehr ein Tool in einem breiteren kulturellen Transformations-Werkzeugkasten, denn CIOs auf einige ihrer digitalen Innovationsbaustellen mitbringen können." In den meisten Firmen, warnen die Analysten, werde die Schaffung einer vom Kunden "besessenen" Kultur Jahre dauern.

4 Ursachen des Misserfolgs

Die Analysten zitieren Marketing-Guru Peter Drucker: "Kultur verspeist Strategie zum Frühstück." Für CIOs bedeutet das: Sie scheitern derzeit aus kulturellen Gründen daran, strategische Innovationsanleitungen umzusetzen. Forrester benennt vier Ursachen dieses Misserfolgs:

1. Der Wert für den Kunden wird nachrangig behandelt: Die Innovationsteams neigten dazu, sich sofort auf die Technologie zu stürzen. Eine natürliche Vorgehensweise bei Informatikern, befindet Forrester. Auf der Strecke bleibe dabei aber häufig ein vertieftes Verständnis der Kundenerwartungen.

2. Ein Scheitern ist ausgeschlossen: Die auf ständigen Erfolg geeichten Belohnungssysteme in Unternehmen unterminieren eine Innovationskultur, weil sie eventuell mit Scheitern einhergehendes Eingehen von Risiken abstrafen. Darunter leiden auch CIOs, wie Forrester weiß und mit einer verzweifelten Klage eines IT-Chefs über die Selbstgefälligkeit des mittleren Managements illustriert.

3. Collaboration ist leichter gesagt als getan: Leider scheitern CIOs selbst daran, Leute zur Unterstützung digitaler Innovations-Initiativen zusammenzubringen. Und zwar Mitarbeiter aus verschiedenen Fachbereichen, um ein Scheitern an Betriebsblindheit zu verhindern.

4. Es ist unmöglich, die Kundenanforderungen zu antizipieren: Das ist nach Forresters Einschätzung tatsächlich so. Das Kundenverhalten verändert sich so schnell, dass Firmen bei der Entwicklung neuer Produkte kaum mehr Schritt halten können. Allerdings lohne es sich, durch schlanke und agile Methoden zu versuchen, halbwegs den Anschluss zu halten, auch wenn man den Kundenempfindungen nie voraus sein könne.

CIOs und ihre Teams sollten demnach danach streben, die Innovationsprozesse zu beschleunigen und schneller zu verwerten. Forrester rät zu einer Abkehr von der deduktiven Mentalität des Planens für alles Eventualitäten. Stattdessen sollte man die induktive Herangehensweise des beständigen Testens und Lernens versuchen.

Ein konkretes Beispiel genau dafür hat Forrester in der Bundesrepublik gefunden. Die RWE-Gruppe sei durch die Energiewende unter Druck geraten. Bislang habe der Konzern in einer Geschwindigkeit agiert, die durch den rund 40-jährigen Lebenszyklus von Kraftwerken geprägt war. Nun habe man sich einem ehrgeizigen Transformationsprozess verschrieben - mit offener Innovation als Treiber und Design Thinking als Methode. Der jahrzehntelang gewohnte Perfektionismus weiche einen "Lernen durch Denken und Machen".

Gulp über agiles Projektmanagement
Agile und hybride Methoden des Projekt-Managements ...
... setzen sich immer mehr durch. An der Studie von Gulp haben sich 114 IT- und Engineering-Experten beteiligt.
Agile Methoden gefragt
Gulp zufolge hat die Nutzung agiler Methoden in den vergangenen zwei Jahren massiv zugenommen. Immerhin jeder zwanzigste Befragte konnte keine Methode identifizieren oder hat keine angewendet.
Hybrid liegt im Trend
Trotz des Ausbaus agiler Methoden werden die meisten Unternehmen einen Mix anwenden, erwarten die Befragten.
Geht es ums Geld und die Terminplanung ...
... sehen die meisten Befragten agile Methoden nicht als die bessere Wahl an - zumindest nicht mit Blick auf IT-Projekte.
Was Auftraggeber wollen
In mehr als jeder zehnten Projektanfrage verlangen die Auftraggeber auch Kenntnisse in agilen Methoden von den Freelancern.
Stefan Symank, Marketingleiter von Gulp
"Man nimmt die bewährten Methoden und erweitert sie um neue effiziente und nachhaltige Ansätze. Hieran lässt sich sehr gut erkennen, wie lebendig und progressiv das Projekt-Management in seiner Funktion ist."

Design Thinking bei RWE

RWE liefert noch weiteres Exempel für die Prinzipien des Design Thinking: Die Tochter RWE SmartHome, europäischer Marktführer für Heimautomatisierung, führte laut Forrester Design Thinking-Workshops durch, um die eigene Denke kundenorientierter zu machen. Man hatte zwar den vermeintlich perfekten Türsensor entwickelt, musste aber erst verstehen lernen, was aus Kundensicht daran eben nicht perfekt war. Das weiterentwickelte Produkt kommt laut Studie Ende des Jahres auf den Markt - rund ein halbes Jahr nach dem Workshop.

5 Tipps für Design Thinking von Forrester

Für CIOs hat Forrester fünf Tipps, wie sie Design Thinking auf den Weg bringen können:

1. Das Verstehen des Kunden zur Grundlage der Transformation machen: Zuallererst müssen die Kanäle vorhanden sein, die der Stimme der Kunden Gehör verschaffen - auch darüber, wie sie denn kommunizieren möchten. Erst wenn man eine tragfähige Governance für das Nachvollziehen von Kundenerwartungen hat, kann das eigentliche Design Thinking beginnen.

2. Den Trainer trainieren: Design Thinking ist laut Forrester wie eine Fremdsprache. Deshalb sollte man als CIO einen Mitarbeiter, der die Herangehensweise verinnerlicht hat, zum Mentor für andere machen. Erste Workshops sollten sich an diejenigen Kollegen wenden, die die Message selbst gut weitergeben können.

3. Ein multidisziplinäres Team versammeln: Weil Innovation das Know-how aus vielen Fachbereichen braucht, sollte das Design Thinking auch über Fachbereichsgrenzen hinweg implementiert werden.

4. Nicht aufhören: Es geht um eine kulturelle Transformation. Und die ist nicht zu Ende, wenn sich erste Erfolge eingestellt haben. Es handelt sich nicht um ein Projekt mit terminiertem Ende, sondern um ein Pflänzchen, das wachsen muss.

5. Auf Basis klarer Ziele selektiv skalieren: Die Vorzüge des Ansatzes, der den Kunden in den Mittelpunkt rückt, sollten im Unternehmen durchaus auf breiter Basis bekannt gemacht werden. Forrester warnt aber vor Übereifer. Nicht jeder Mitarbeiter eignet sich als Innovator oder Design Thinker - und das sei auch nicht schlimm.

Agiles Projektmanagement
Prüfen von Anforderungen in agilen Projekten
Ohne die Priorisierung der Anforderungen des IT-Projekts drohen hohe Folgekosten in einzelnen Sprintphasen.
Verzögerungen durch exportierte Probleme
Neben dem Totalausfall eines Sprints gehören Verzögerungen zur Tagesordnung. Diese entstehen etwa bei unklar definierten Anforderungen, die eventuell im falschen Detaillierungsgrad vorliegen oder durch Überlastung des Product Owners verspätet priorisiert werden.
Zeitverluste durch fehlende Aufgabenzuordnung
Zunächst lassen sich nicht ausreichend gut definierte Anforderungen durch ohnehin erforderliche Routinearbeiten wie der Spezifikation technischer Anforderungen kompensieren. Später droht dagegen der Totalverlust ganzer Sprints.
Anforderungen treffen ungesteuert auf das Projektteam
Bei agilem Projektmanagement stehen viele Unternehmen noch immer auf der Bremse. Der Grund: Viele Projektverantwortliche müssen zusätzlich zu den Projektanforderungen weiterhin Aufgaben im Tagesgeschäft übernehmen.
Anforderungen laufen beim Product-Owner-Team zusammen
In einem Projektteam aus typischerweise sechs bis acht Mitarbeitern laufen alle Fäden beim Product Owner zusammen. Das Product-Owner-Team besteht aus maximal drei Personen. Der Product Owner managed alle an das Team herangetragenen Anforderungen. Das gilt sowohl vonseiten der Auftraggeber als auch der beteiligten Fach- und IT-Abteilungen sowie der Revision. Viele Unternehmen machen dabei den Fehler, Product Owner nicht ausreichend vom Tagesgeschäft freizuhalten.