Swiss Air Lines

Rechnungen um Wochen früher erledigt

08.11.2011 von Hartmut  Wiehr
Die Lufthansa-Tochter Swiss hat sich für eine elektronische Rechnungsbearbeitung entschieden. Bisher bearbeitete sie Rechnungen fast immer noch manuell.

Die Swiss aus der Schweiz handelt auch nach der 2007 erfolgten Übernahme durch die Lufthansa weitgehend eigenständig und als eigenes Profit-Center innerhalb des Konzerns. Das Luftfahrtgeschäft wird heute sehr stark durch IT unterstützt, von den Flügen und der Flugsicherung selbst bis hin zum Einkauf oder dem Bestellwesen per Internet und elektronischen Tickets, Abrechnungen, Reservierungen oder Online-Checkin. Insofern ist auch eine Fluggesellschaft heute in großen Teilen ein Web-Shop.

René Wieser von der Fluggesellschaft Swiss wollte die Buchhaltung insgesamt schlanker machen. Mit einem einheitlichen IT-Programm ist er diesem Ziel ein Stück näher gekommen.
Foto: Swiss

Innerhalb dieser automatisierten Prozesslandschaft noch Arbeit zu finden, die umständlich und mit viel Zeit per Hand erledigt wird, muss erstaunen. Doch genau dies war bei der Swiss bis vor kurzem der Fall. Die Durchlaufzeit bei der Erledigung von Rechnungen und ähnlichen Dokumenten wird dagegen heute um mehrere Wochen verkürzt, da überflüssige, umständliche und Zeit kostende Instanzenwege rund um den Globus ausgeschlossen sind. Gleichzeitig wird das gesamte Buchhaltungswesen transparenter gestaltet.

So zirkulierten bei der Schweizer Fluggesellschaft jährlich etwa 100.000 Rechnungen, unter anderem für Catering, Landegebühren, IT oder Gebühren für die Flugzeugabfertigung, teils auf Papier, teils in unterschiedlichen Programmen erfasst. Das Unternehmen bearbeitete seine Rechnungen sogar überwiegend manuell - vom Posteingang über die Verteilung an die zuständigen Fachbereiche bis hin zur abschließenden Weitergabe an die Buchhaltung. Erst dort wurden die Rechnungen gescannt, um sie für die digitale Archivierung vorzubereiten.

Bis zu sechs Wochen Bearbeitungszeit

Auch ein solcher, schon digitalisierter Vorgang nahm manchmal bis zu sechs Wochen in Anspruch. Dies verursachte unnötige Abklärungen mit administrativem Aufwand. Außerdem war gelegentlich nicht vollständig klar, wo und in welchem Status sich einzelne Rechnungen befanden.

In dieser Situation entschied sich die Swiss dafür, neue Wege zu gehen. "In einem ersten Schritt analysierten wir die am Markt erhältlichen digitalen Lösungen", erinnert sich René Wieser, Managing Director und Head of Financial Accounting bei der Swiss. "Dann bestätigte sich schnell, dass wir mit elektronisch gestützten Prozessen Fehler und Verzögerungen reduzieren können."

Wie die Anbieter-Auswahl verlief

Eine Handvoll Anbieter stand zur Auswahl. "Manche konnten ihr Produkt aber nicht weltweit anbieten und andere hätten zu hohe laufende Lizenzgebühren verursacht", erklärt Wieser. Schließlich kam die Swiss mit den Lösungen des finnischen Anbieters Basware in Berührung.

Implementiert wurden dessen Produkte Scan & Capture sowie Invoice Processing (IP) von RR Donnelley, einem Schweizer Systemintegrator. Scan & Capture ist eine Scan-Lösung, die Rechnungen digitalisiert und zur weiteren Bearbeitung an Basware IP weiterleitet. Mit IP steht dann ein Werkzeug zur Verfügung, das den Aufenthaltsort von digitalen Rechnungen im gesamten Unternehmen jederzeit schnell erkennt. Systematisch hilft Invoice Processing, die Rechnungen durch den Freigabeprozess bis hin zur Verbuchung und Archivierung in der Buchhaltung zu befördern.

Das Luftfahrt-Business, auch das der Swiss, steht unter starkem Konkurrenzdruck. Mit modernen IT-Prozessen steigen die Überlebenschancen.
Foto: Swiss

Nach etwa einem Jahr hatte RR Donnelley die Basware-Lösungen in die IT-Umgebung der Schweizer Fluggesellschaft integriert. Neben der Hauptniederlassung verwenden nun 31 Auslandsvertretungen die Software, zum Beispiel in Hongkong, Johannesburg oder New York. Mit knapp 900 Lizenzen arbeiten die Mitarbeiter in den Buchhaltungen und in den Fachbereichen heute.

Zusammenarbeit mit Drittlösungen

Die Prozesse sind jetzt so definiert, dass die Software mit den weiter eingesetzten Drittlösungen anderer Hersteller bei der Fluggesellschaft Hand in Hand geht. Das funktioniert zum Beispiel so: Rechnungen aus den verschiedenen Ländern – egal, ob für ein Produkt oder eine Dienstleistung – treffen in Papierform oder digital in den entsprechenden Länderbuchhaltungen ein. Klassische Rechnungen scannen die Angestellten dort intern mit Scan & Capture. Anschließend werden die gescannten Rechnungen in den Shared Service Centern (Basel, Bangkok, Mexiko und Krakau) vorkontiert. Kommen Rechnungen elektronisch an, befördert eine E-Invoicing-Lösung diese direkt zu Basware IP, wo sie ihre Vorkontierung erhalten.

Papierrechnungen verbleiben nach wie vor in den Buchhaltungen, während Basware IP im nächsten Schritt der Fachabteilung die digitalisierten Rechnungen zukommen lässt. Hier liegt der eigentliche Geschwindigkeitsvorteil gegenüber der klassischen Rechnungsbearbeitung begründet: Die Übertragung erfolgt innerhalb von Sekunden in das E-Mail-Postfach des Empfängers. Keine physische Rechnung ist mehr von Raum zu Raum oder von Gebäude zu Gebäude unterwegs.

Vier-Augen-Prinzip läuft elektronisch

Ein IT-gesteuertes Abrechnungswesen ist nur ein Weg, Abstürze von Fluggesellschaften zu verhindern. Aber auf wirtschaftlichem Gebiet ein recht wirksames.
Foto: Swiss

Im Fachbereich prüfen die verantwortlichen Mitarbeiter, ob alle in der Rechnung enthaltenen Informationen korrekt sind. Dazu gehören etwa das bestellte Produkt oder die Dienstleistung, die Bestellmenge sowie der Preis. Ist alles in Ordnung, setzt der Mitarbeiter die Rechnung auf „geprüft".

Um das bei der Swiss gültige "Vier-Augen-Prinzip" korrekt anzuwenden, muss eine zweite autorisierte Person die geprüfte Rechnung freigeben. Dieser Prozess erfolgt elektronisch und automatisiert unter Berücksichtigung der sogenannten Freigabe-Limits. Anschließend kann die Rechnung an den Zahlungsprozess übergeben werden. Der elektronische Beleg und der dazugehörige Datensatz gehen schließlich an SAP R/3 in der Buchhaltung. Die SAP-Lösung dient der abschließenden Verbuchung und gibt das elektronische Dokument an das Archiv weiter.

Üblicherweise handelt es sich bei den zeitlichen Limits für Zahlungen um einen Zeitraum von 30 Tagen. Das ist aber nicht überall gleich: In bestimmten Ländern verlangen Lieferanten eine Überweisung innerhalb der Hälfte der Zeit.

Das neue Zahlungssystem trägt entscheidend dazu bei, dass alle Arbeitsschritte heute durchschnittlich innerhalb von sechs Tagen über die Bühne gehen. Weltweit den Aufenthaltsort einzelner Rechnungen zu kennen, war vor wenigen Jahren ebenfalls undenkbar. Im nächsten Schritt soll ein Autoflow installiert werden. Dieser Workflow befördert die Rechnungen nach den einzelnen absolvierten Arbeitsschritten automatisch zum nächsten verantwortlichen Angestellten in der Bearbeitungskette.

IT-Workflow gegen den Kostendruck

Das ist vor allem im Ausland ein großer Vorteil: Geprüfte Rechnungen müssen nicht mehr an den verantwortlichen Buchhalter in der Schweiz adressiert werden.

Retailer, die online und weltweit operieren, sollten sich ebenfalls überlegen, welches Potenzial für Rationalisierung per IT-Systeme noch in ihren Arbeitsprozessen steckt.