Trotz IT-Fachkräftemangel

Recruiting-Methoden altbacken

14.09.2012 von Werner Kurzlechner
Nirgends ist der Fachkräftemangel ausgeprägter als in der IT. Dennoch trauen sich Firmen an Kommunikationskanäle wie Youtube nicht heran, moniert Kienbaum.

Werden Sorgen beispielsweise über Fachkräftemangel geäußert, keimt schnell ein Verdacht von Panikgeschrei auf. Es könnte sich schließlich um pures interessegeleitetes und öffentlichkeitswirksames Wehklagen handeln. Womöglich Alarmgedöns ohne Substanz, um politische Forderungen durchzusetzen. Nun, dem ist derzeit offenkundig nicht so – und in der IT schon gleich gar nicht. Das zeigt die aktuelle HR-Trendstudie der Managementberatung Kienbaum deutlich.

Knapp drei Viertel der etwa 170 befragten Unternehmen haben demnach einen hohen Bedarf an Fachkräften und Spezialisten. 41 Prozent suchen Auszubildende, 35 Prozent Hochschulabsolventen und Trainees. 31 Prozent der Personalentscheider spüren den Fachkräftemangel bereits deutlich. Mehr als die Hälfte der Befragten erhalten auf ausgeschriebene Stellen wesentlich weniger Bewerbungen, die obendrein teils von minderer Qualität sind.

Kompetenzen für Employer Branding stärken

46 Prozent der Firmen suchen IT-Fachkräfte.
Foto: Kienbaum

Ganz besonders brennt es in der IT. 46 Prozent der Befragten haben eigenen Angaben Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von IT-Spezialisten. Nirgends sind die Probleme ausgeprägter. Dahinter folgen das Ingenieurswesen mit 38 Prozent sowie Vertrieb- und Kundenbetreuung mit 31 Prozent.

„Fast drei Viertel der Personalentscheider halten die öffentliche Diskussion über den Mangel an Fachkräften für gerechtfertigt und keinesfalls für reine Panikmache“, berichtet Kienbaum. Mehr als die Hälfte der Befragten versuchen die Kompetenzen für Employer Branding und Recruiting in ihrem Unternehmen zu stärken und ihre Prozesse und Instrumente in diesem Bereich zu optimieren. Etwa zwei Fünftel der Firmen beschäftigen sich intensiv mit der Frage, wie sie ihr Unternehmen für qualifizierte Mitarbeiter attraktiv machen und diese für sich gewinnen können.

So sehen die Prioritäten der Personalchefs in diesem Jahr aus.
Foto: Kienbaum

Das beliebteste Instrument zur Rekrutierung passender Bewerber ist die Jobbörse. 57 Prozent verwenden diesen Kommunikationskanal immer und 37 Prozent regelmäßig, um die gewünschten Zielgruppen anzusprechen. Ähnlich häufig nutzen Unternehmen eine spezielle Karriere-Webseite für ihr Recruiting. 88 Prozent der befragten Personaler setzen dieses Instrument immer oder regelmäßig ein.

Veränderte Prioritäten

Nur ein Fünftel nutzt demgegenüber TV- und Radiospots, um Bewerber auf sich aufmerksam zu machen. Die Experten von Kienbaum finden das ziemlich unklug. „Viele Unternehmen scheuen sich auch davor, moderne Kommunikationsformen wie Blogs und Foren oder das Videoportal Youtube zu nutzen, um sich als Unternehmen zu präsentieren“, moniert Walter Jochmann, Vorsitzender der Geschäftsführung von Kienbaum Management Consultants. „Dabei bieten diese Kanäle die Möglichkeit insbesondere die jüngeren Bewerberzielgruppen zu erreichen.“

Insgesamt zeigt die Studie zwei bemerkenswerte Sachverhalte: Zum einen haben sich die Prioritäten der Personalentscheider im Vergleich zum Vorjahr merklich verschoben. Dahinter könnte sich die positive Entwicklung verbergen, dass Hausaufgaben erledigt werden konnten. Zum anderen haben so manche Themen für die Entscheider bislang nicht die Priorität, die sie nach Einschätzung von Kienbaum genießen sollten.

Als Priorität bei der Personalarbeit nennen 34 Prozent die Steigerung der Führungs- und Managementqualitäten, 30 Prozent die Rekrutierung von Personal und 28 Prozent das Feilen an der Attraktivität als Arbeitgeber. Die letzten beiden Punkte verweisen zusammen betrachtet durchaus darauf, dass sich der Fachkräftemangel verschärft hat.

Im vergangenen Jahr fielen die Antworten indes noch ganz anders aus. Häufig genannt wurden damals die Besetzung von Schlüsselpositionen, strategische Personalplanung und die demografische Herausforderung. Allesamt haben diese Themen an Bedeutung verloren und werden höchsten noch von jedem vierten Unternehmen als vorrangig angeführt.

So reagieren die Firmen auf die Herausforderungen bei der Rekrutierung. Häufig zu konventionell, wie Kienbaum moniert.
Foto: Kienbaum

26 Prozent sagen, Talent-Management habe für sie aktuell Priorität. Knapp ein Drittel der Unternehmen legen ihren Schwerpunkt in der Personalarbeit darauf, Mitarbeiter zu rekrutieren. 28 Prozent der Unternehmen wollen für geeignete Bewerber attraktiver werden und 26 Prozent konzentrieren sich darauf, Talente langfristig an das Unternehmen zu binden.

Diversity Management ist Stückwerk

Knapp vor der Work-Life-Balance rangiert das Diversity Management mit nur sechs Prozent auf dem vorletzten Platz der Prioritätenliste. Mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen besitzen keine explizite Diversity-Strategie. 85 Prozent der Personalverantwortlichen lehnen außerdem eine gesetzliche Frauenquote ab. Mehr als die Hälfte erwarten, dass es in den kommenden Jahren zu einer solchen Regelung kommt. 54 Prozent befürworten aber eine Selbstverpflichtung der Unternehmen.

Kienbaum kritisiert die Zurückhaltung in diesem Bereich scharf. „Obwohl das Thema Diversity in aller Munde ist, hat die politische Diskussion nicht dazu geführt, dass die Unternehmen hierzu strategisch arbeiten“, kommentiert Jochmann. „Häufig ist das Diversity Management in den Unternehmen eher Stückwerk als planvolles Handeln.“

Gut ein Drittel der Studienteilnehmer strebt einen Frauenanteil von mehr als 40 Prozent in den Talent-Pools an. Für den Aufsichtsrat und die Geschäftsführung plant hingegen knapp die Hälfte der befragten Personalverantwortlichen, den Frauenanteil lediglich auf bis zu 20 Prozent zu erhöhen.

„Spitzenpositionen sind für Frauen nach wie vor schwierig zu erreichen“, so Jochmann. Die Zusammensetzung des Topmanagements werde sich erst in einigen Jahren signifikant ändern, wenn sich die jetzt einsteigenden Frauen in Spitzenpositionen hochgearbeitet haben.

Für die nahe Zukunft sind die Befragten bei der wirtschaftlichen Großwetterlage weithin optimistisch. 34 Prozent prognostizieren, dass die Mitarbeiteranzahl um bis zu fünf Prozent steigt.

Ein Fünftel erwartet Personalabbau

Sechs Prozent gehen sogar davon aus, dass ihre Belegschaft in den kommenden Jahren um mehr als zehn Prozent aufgestockt wird. 41 Prozent erwarten eine konstante Mitarbeiteranzahl, nur 19 Prozent rechnen mit einem Personalabbau.

Die HR-Trendstudie 2012 ist bei Kienbaum erhältlich. Befragt wurden knapp 170 Personalverantwortliche aus dem deutschsprachigen Raum.