Hilfe gegen Scheitern

Roland Berger: Checkliste für Großprojekte

13.06.2012 von Andreas Dietze und Patrick Hallinger
Die Erfahrung zeigt: Je größer ein IT-Projekt, desto größer das Risiko des Scheiterns. Das muss nicht sein. Andreas Dietze und Patrick Hallinger von Roland Berger zeigen Ihnen, woran Sie erkennen können, ob Ihr Projekt gefährdet ist und wie Sie es auf Kurs halten können.
Andreas Dietze ist Partner im Competence Center InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.
Foto: Roland Berger

IT-Großprojekte sind oft zum Scheitern verurteilt. Bei kleineren IT-Projekten mit einem Mitarbeiter-Team von maximal sechs Personen und einer Projektlaufzeit von ca. sechs Monaten liegt die Erfolgsquote bei mehr als 55 Prozent. Nimmt jedoch die Größe des Projektes zu, so tendiert die Erfolgswahrscheinlichkeit zunehmend Richtung Null (siehe Abbildung 1 - Standish Group).

Definition: Was ein Großprojekt ist

Als IT-Großprojekt verstehen wir ein Projekt, das mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt: Die Projektlaufzeit beträgt mindestens 1,5 Jahre und das Team umfasst mindestens 150 Personen. Außerdem grenzt sich die Projektorganisation klar von der restlichen Unternehmensstruktur ab; in manchen Fällen ist sogar eine separate Projektgesellschaft dafür vorgesehen. Darüber hinaus beinhalten IT-Großprojekte 50.000 bis 100.000 Vorgänge, die stark miteinander vernetzt sind.

Doch warum sind solche Großprojekte eher gefährdet als kleine? Erfahrungsgemäß beeinflussen viele Stakeholder das Projektziel, da jeder seine eigene Agenda und seine eigenen Ziele hat. Außerdem sind IT-Projekte häufig schon lange überfällig: Betroffene Unternehmen haben daher kaum noch Zeit, um die neuen IT-Anforderungen sauber zu definieren. Schließlich tun sich auch die beteiligten Mitarbeiter mit den Projektinhalten und der Vorgehensweise oft schwer, weil diese zu abstrakt definiert sind. Die Folgen: eine hohe Komplexität des Projektes und überzogene Erwartungen.

Checkliste: 6 Anzeichen für ein Scheitern

Abbildung 1: Erfolgsquote in Abhängigkeit der Projektgröße.
Foto: Standish Group

Wichtig ist es daher, dass Unternehmen in erster Linie prüfen, ob ein IT-Projekt möglicherweise gefährdet sein kann. Die folgende Checkliste kann dabei helfen:

1. Es sind keine oder nur inadäquate (Teil-)Projektzeitpläne vorhanden

2. Neue IT-Anforderungen kommen ständig dazu - kein "Freeze", dafür Überlappung mit der Implementierungsphase

3. Die Projektmitarbeiter können sich aufgrund des operativen Geschäfts nicht auf das Projekt konzentrieren

4. Die Projektleitung trifft nicht die notwendigen Entscheidungen, sondern verweist auf andere Entscheider

5. Wichtige Projektschritte werden ständig verschoben, der Projektfortschritt ist intransparent

6. Budgetaufstockungen sind notwendig oder werden immer wieder diskutiert

5 wichtige Elemente des Projektmanagements

Um IT-Großprojekte zum Erfolg zu führen, sollten Unternehmen andere Elemente des Projektmanagements in den Vordergrund rücken lassen. Hierzu zählen in erster Linie

  1. das Erwartungs- und Scope-Management

  2. die Projektplanung und -steuerung

  3. das Risikomanagement

  4. das Topmanagement-Reporting und Projektmarketing

  5. sowie das Ressourcen-Management.

1. Erwartungs- und Scope-Management

Gerade bei Großprojekten müssen die Teams dem Erwartungs- und Scope-Management hohe Aufmerksamkeit widmen. Auftraggeber und Auftragnehmer müssen deutlich absprechen, was das Projekt leisten kann und was nicht. Leider zeigt die Praxis immer wieder, dass Auftragnehmer die Anforderungen an das IT-System unabhängig vom (internen) Kunden definieren. Die notwendige Interaktion zwischen beiden Parteien fehlt.

2. Projektplanung und -steuerung

Bei vielen Projekten, die zu scheitern drohen, fehlt eine Gesamtprojektplanung oder die vorhandene Planung wird nicht regelmäßig aktualisiert. Doch gerade die Projektplanung bietet die einzige Möglichkeit, die Zukunft des Projektes detailliert zu durchdenken, Abhängigkeiten festzustellen, Aufwände abzuschätzen und Ressourcen zuzuordnen - wesentliche Aspekte, die sowohl intern als auch extern abgestimmt werden sollten. Sicherlich können immer wieder unerwartete Abweichungen vom ursprünglichen Projektplan entstehen, doch Ziel sollte sein, auf mögliche Abweichungen bestmöglich vorbereitet zu sein.

3. Risikomanagement

Abbildung 2: Bewertungsschema für Projektrisiken mittels Risikokoeffizient (Beispiel)
Foto: Roland Berger

Die Regel ist: Je umfangreicher das Projekt, desto wichtiger das Risikomanagement. Dabei ist es in den meisten Fällen völlig ausreichend, Risiken aufzulisten und sie einfach nach Eintrittswahrscheinlichkeit und möglichen Auswirkungen zu bewerten. Nach dem Muster:

1. Auswirkung (A) bei Eintreten des Risikos – Bewertung von 1-10 (1 = minimal, 10 = K.O.)

2. Wahrscheinlichkeit (W), dass das Risiko eintritt – Bewertung: von 0-100%

Der Risikokoeffizient (RK), der sich aus A und W ergibt, ist die wichtigste Maßeinheit für das Gesamtprojekt (vgl. Abbildung 2).

4. Topmanagement-Reporting und Projektmarketing

Da Projektmanager oft nicht die Projektverantwortlichen sind, ist ein transparentes Berichtswesen entscheidend. Doch in der Praxis werden Reportings oft unterschätzt. Dabei bieten sie die Möglichkeit, die Plausibilität sowie den Soll- und Ist-Status eines Projektes zu prüfen und Teilerfolge zu kommunizieren. Informationen sollten daher so aufbereitet werden, dass sie auch für Personen verständlich sind, die nicht in das Projekt involviert sind.

5. Ressourcen-Management

Patrick Hallinger ist Senior Projekt-Manager im Competence Center InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.
Foto: Roland Berger Strategy Consultants

IT-Großprojekte verlangen ein durchdachtes Ressourcen-Management, um erfolgreich durchgeführt zu werden. Dabei geht es nicht nur um die personelle Besetzung des Projektmanagements, sondern auch um weitere Aspekte, wie die Entwicklungsperspektiven von projektkritischen Mitarbeitern. Erfolgreiche Großprojektmanager verfügen über langjährige Erfahrungen in diesem Bereich und können daher andere Team-Mitglieder entsprechend motivieren. Denn für sie ist es wichtig zu wissen, dass das Projektmanagement keine Sackgasse für die eigene Karriere darstellt.

Kerngedanken - worauf es sonst noch ankommt

Für die meisten Beteiligten haben IT-Projekte leider oft einen sehr abstrakten Charakter. Zusätzlich zu den gewöhnlichen Aspekten eines Großprojektes, wie z.B. der hohen Komplexität, kommen daher weitere Problematiken, wie das Erwartungsmanagement, die Unternehmen nicht unterschätzen sollten.

5 Leitsätze für den Projekterfolg

Abbildung 3: Fünf Leitsätze für den Projekterfolg.
Foto: Roland Berger

Um all diese Faktoren erfolgreich zu meistern, sollten Firmen daher die folgenden fünf Leitsätze beachten (vgl. Abbildung 3):

1. Launch Management ist Handwerk: Bestehen Sie auf gut ausgebildete Mitarbeiter und setzen Sie von Anfang an eine integrierte Gesamtplanung durch.

2. Legen Sie sich nicht auf Best Case-Planungsszenarien fest: Gehen Sie offen und ehrlich mit den Erwartungen des (internen) Kunden um.

3. Schnüren Sie nach Möglichkeit kleinere Projektpakete: Je übersichtlicher das Projekt, desto leichter ist es zu realisieren. Verteilen Sie deshalb, wenn möglich, große Aufgaben auf mehrere unabhängige Teilprojekte.

4. Geben Sie bekannten Technologien den Vorzug: Setzen Sie neue Technologien im Projekt ein, dann bewerten und planen Sie diese sehr sorgfältig. Ist der Einsatz neuer Technologien nicht unbedingt notwendig, greifen Sie lieber auf bewährte Standards zurück.

5. Bestehen Sie auf offene Kommunikation und klare Entscheidungswege: Richten Sie institutionalisierte und klar definierte Berichtswege zum (internen) Kunden und zum Topmanagement bzw. dem Projektsponsor ein.

Haben Sie all diese Punkte beachtet, dann ist viel erreicht. Denn, so der Musik-, Theater- und Literaturkritiker Joachim Kaiser: "Alles Gelingen hat sein Geheimnis, alles Misslingen seine Gründe."

Andreas Dietze ist Partner und Patrick Hallinger Senior Projekt-Manager im Competence Center InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants .