DSAG-Investitionsumfrage

SAP-Anwender schimpfen über Cloud-Preise

03.05.2023 von Martin Bayer
SAP-Kunden müssen Geld in die Hand nehmen, um Migrationsprojekte voranzutreiben. Doch es herrscht Unmut – über höhere Preise für SAPs Cloud-Lösungen und vernachlässigte Branchenlösungen.
SAPs Preispolitik sorgt wieder einmal für Ärger in Reihen der Anwenderschaft.
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Die SAP-Anwenderunternehmen nehmen mehr Geld für ihre IT- und SAP-Landschaften in die Hand. Das hat die aktuelle Investitionsumfrage der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) ergeben. Demzufolge steigen bei mehr als der Hälfte der 265 befragten Unternehmen die IT- und SAP-Budgets.

IT- und SAP-Budgets steigen. Das verwundert nicht - viele Unternehmen haben aufwendige und teure Migrationsprojekte vor der Brust.
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Den Aufwärtstrend wertet der DSAG-Vorstandsvorsitzende Jens Hungershausen trotz schwieriger Zeiten als Zuversicht bei den Unternehmen, dass Krisensituationen gut gemeistert werden. "Zudem laufen einige etablierte SAP-Lösungen demnächst aus der Wartung und die Projekt-Pipelines der Unternehmen sind gut gefüllt - entsprechend wird Budget benötigt", stellt der Anwendervertreter fest.

Die S/4HANA-Uhr tickt

SAP drängt seine Kunden, auf das aktuelle ERP-Release S/4HANA zu wechseln, am besten gleich in die Cloud. Die Standardwartung für die Business Suite läuft 2027 aus. Die teurere Extended Maintenance läuft bis 2030 - dann ist Schluss und SAP wird den S/4HANA-Vorgänger nicht weiter unterstützen.

DSAG-Mann Hungershausen warnt davor, die Migration trotz des vermeintlich langen Zeithorizonts auf die leichte Schulter zu nehmen. "Je nach Komplexität können Migrationsprojekte mehrere Jahre in Anspruch nehmen." Es gelte, alten Code zu ersetzen und Stammdaten zu bereinigen. Neue Technologien müssten evaluiert und eingeführt, sowie Prozesse neu gedacht werden. "Eine rein technische Migration bringt keine Vorteile", stellt Hungershausen fest.

Es kann eng werden mit dem Umstieg, warnt DSA-Chef Jens Hungershausen. Die Unternehmen dürften die Komplexität der Migration auf S/4HANA nicht auf die leichte Schulter nehmen.
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Dazu kommen Unterschiede in der Funktionalität zwischen S/4HANA und dem Vorgänger. SAP habe Features aus dem Anwendungs-Layer in die Infrastrukturebene, genauer gesagt in die Business Technology Platform (BTP) verlagert. Daher müssten die Anwenderunternehmen genau analysieren, an welchen Stellen zusätzliche Lösungen und Tools in die künftige SAP-Landschaft einzubauen sind.

S/4HANA-Migration: Henkel wechselt mit neuem SAP-System in die Cloud

Um die Herausforderungen im Zuge der Migration zu meistern, benötigten die Anwenderunternehmen Unterstützung von Partnern, konstatieren die DSAG-Verantwortlichen. Das Problem: Aus Sicht der Anwender gibt es derzeit nicht genug Ressourcen am Markt. Der Verband sieht SAP hier in der Pflicht, die Partner stärker zu befähigen, bei Migrationsprojekten adäquat zu unterstützen.

Auch in SAPs Business Suite investieren die Kunden weiter.
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Angesichts des näher rückenden Wartungsendes überrascht es nicht, dass die Investitionsbereitschaft in S/4HANA wächst. Zwei Drittel der Befragten planen hier hohe (28 Prozent) beziehungsweise mittlere (38 Prozent) Investitionen. Im vergangenen Jahr lag der Anteil noch bei insgesamt 44 Prozent. Als überraschend wertete Hungershausen indes die steigenden Investitionen in die Business Suite. 28 Prozent planen hohe (sechs Prozent) oder mittlere (22 Prozent) Investitionen. Im vergangenen Jahr waren es 24 Prozent, die hohe (sechs Prozent) beziehungsweise mittlere (18 Prozent) Investitionen budgetiert hatten.

Business Suite hält sich hartnäckig

Ein Blick auf die von den Anwendern aktuell eingesetzten SAP-Lösungen verrät jedoch, dass die Business Suite weiter deutlich in Führung liegt. 79 Prozent der Befragten (2022: 75 Prozent) setzen nach wie vor auf das beliebte SAP-Release. Auf Platz zwei liegt S/4HANA in der On-premises-Variante mit 41 Prozent (2022: 32 Prozent), gefolgt von S/4HANA Private Cloud mit acht Prozent (2022: sechs Prozent) und der Public-Cloud-Edition von S/4HANA mit drei Prozent (2022: zwei Prozent).

Die Zahlen belegen, dass die meisten Anwenderunternehmen ihr SAP-System im eigenen oder gemanagten Rechenzentrum betreiben wollen. Die Cloud ist aus Sicht der DSAG-Mitglieder nur für die wenigsten eine Option. Damit scheint auch das von SAP Anfang 2021 gestartete Programm Rise with SAP, das darauf abzielt die Migrationsbewegungen in Richtung Cloud zu lenken, zumindest in Kreisen der DSAG-Mitglieder bislang wenig zu verfangen.

Zumindest das Interesse an der BTP scheint zu wachsen. SAP positioniert die Cloud-Plattform als zentrale Drehscheibe für den künftigen SAP-Betrieb. Über die Plattform werden beispielsweise verschiedene Lösungen - SAP wie auch Non-SAP - miteinander verknüpft. Knapp ein Viertel der von der DSAG befragten Betriebe gab an, in die BTP investieren zu wollen. Einziger Wermutstropfen: Viele der Unternehmen, die die BTP lizenziert haben, nutzen die Plattform derzeit nicht produktiv.

Studie SAP S/4HANA 2022: Wie Anwenderunternehmnen migrieren

Offenbar gibt es noch Vorbehalte unter SAP-Kunden oder es fehlen Ideen, wie die BTP sinnvoll eingesetzt werden kann. Grundsätzlich sei es aus DSAG-Sicht positiv, dass SAP erste Migrationsservices entwickelt habe, die etwa dabei unterstützen, bestehende Integrationsarchitekturen auf die Integration Suite der BTP umzustellen, heißt es in einer Mitteilung der Anwendervertretung. Allerdings seien die Kosten für den Betrieb der Plattform zu hoch.

SAP-Cloud ist Nutzern zu teuer

Die Kostenkritik lässt sich auf die gesamte Preispolitik SAPs in der Cloud übertragen. Fast die Hälfte der von der DSAG befragten Anwender sind damit unzufrieden (32 Prozent) oder sogar sehr unzufrieden (17 Prozent). Hungershausen sieht an dieser Stelle zwar ein grundsätzliches Problem, das Unternehmen mit Anbietern von Cloud-Lösungen haben. Aber: "Die geplante jährliche Preiserhöhung für SAP-Cloud-Dienste hat für viel Kritik bei den DSAG-Mitgliedern gesorgt", stellt der DSAG-Chef fest. Das erschwere den Unternehmen den Weg in die Cloud.

An SAPs Preispolitik in der Cloud wird deutliche Kritik laut.
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Es brauche verlässliche Mechanismen für die Preisentwicklung, die nicht auf pauschalen jährlichen Erhöhungen basieren, fordern die Anwendervertreter. Vor allem die 3,3-prozentige Preiserhöhung auch für Cloud-Services, die in den Maintenance-Modus versetzt werden oder schon abgekündigt sind, stößt ihnen sauer auf. "Wenn Kunden für bereits abgekündigte oder nicht weiter gewartete Cloud-Lösungen noch mehr zur Kasse gebeten werden, erzeugt das einen negativen Eindruck vom Hersteller - und das kann aus DSAG-Sicht kein Ziel von SAP sein", so Hungershausen.

SAP-Landschaften werden modularer und komplexer

Neben der Preispolitik kritisieren die Anwender auch SAPs Branchenstrategie. 23 Prozent der Befragten sind damit unzufrieden, weitere zehn Prozent sogar sehr unzufrieden. Der Ärger lässt sich aus DSAG-Sicht beispielhaft am Gesundheitswesen festmachen. SAP habe mitgeteilt, dass es keine Nachfolgelösung für die Branchenlösung SAP Patientenmanagement in der S/4HANA-ERP-Welt geben wird, was Klinken und Krankenhäuser vor große Herausforderungen stellt, so die Kritik. Auf avisierte Lösungen aus den Reihen der SAP-Partner zu warten, die aber noch gar nicht entwickelt sind, gehe klar am Klinikalltag vorbei, moniert die DSAG. Gefordert wird eine Extended Maintenance ohne Aufpreis über 2030 hinaus.

Ein Drittel der befragten DSAG-Mitglieder ist mit SAPs Branchenstrategie unzufrieden.
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Die Herausforderungen im SAP-Umfeld bleiben also groß. "Es wird langsam eng", sagt Hungershausen mit Blick auf die rasch herannahende Migrationsfrist. Einfacher wird es damit allerdings auch nicht. Der DSAG-Chef verweist darauf, dass die SAP-Landschaften insgesamt modularer, damit aber auch komplexer werden. Mit Spannung sehen die Anwender der für den Herbst erwarteten neuen S/4HANA-Version entgegen. SAP spricht von einem Anker-Release. Die Anwender hoffen, dass die Walldorfer damit weitere funktionale Lücken schließen.

So könnte denn auch die digitale Transformation der SAP-Anwender den nötigen Schub bekommen. 52 Prozent sehen sich selbst dabei als nicht sehr weit fortgeschritten - das sind zwei Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. "Das spricht dafür, dass die Unternehmen während der Pandemie andere Prioritäten gesetzt haben und vielleicht auch angesetzte Digitalisierungsprojekte zunächst aufgrund der existierenden Unsicherheiten zurückgestellt hatten", interpretiert DSAG-Chef Hungershausen diese Zahlen. Ob sich an den unsicheren Zeiten angesichts Inflation, Bankenkrisen, Rezessionsängsten und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine allerdings etwas ändern wird, ist jedoch fraglich.

Viele SAP-Anwender sehen in ihrer eigenen digitalen Transformation noch Luft nach oben.
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