Komplett-Outsourcing abgeschlossen

SAP größter Ressourcenfresser

06.12.2010 von Johannes Klostermeier
Der Verlag der "Neuen Westfälischen" hat SAP nach außen gegeben. IT-Chef Bernd A. Müller berichtet über seine Erfahrungen mit der neuen bedarfsorientierten SAP-Lösung.

CIO.de: Warum haben Sie sich dafür entschieden, Ihre SAP-Anwendungen komplett nach außen zu geben?

Bernd A. Müller, EDV-Leiter bei der Neuen Westfälischen in Bielefeld, gab SAP nach außen und ist sehr zufrieden damit.
Foto: Neue Westfälische

Bernd A. Müller, EDV-Leiter beim Zeitungsverlag Neue Westfälische GmbH & Co. KG: Vor zweieinhalb Jahren wurde ein Konsolidierungsprojekt gestartet, bei dem zwei Medien-IT-Abteilungen zueinander geführt werden sollten. Bei der Prüfung und Identifizierung der Konsolidierungsmöglichkeiten kam dann heraus, dass die SAP-Systeme die größten "Ressourcenfesser" waren und zwar vor allem hinsichtlich des eingesetzten Personals, der Betriebskosten und der technischen Ausstattung. Nach Definition der betriebsrelevanten Eckdaten und der Service Level Agreement für die SAP-Systeme war uns klar, dass wir durch das Outsourcing eine höhere Verfügbarkeit und ein Einsparungspotenzial von bis zu 50 Prozent realisieren könnten. Daraufhin haben wir den Markt sondiert und das Vorhaben relativ schnell umgesetzt.

CIO.de: Wie kam es zu dieser Überdimensionierung der SAP-Systeme?

Müller: Das ist im Grunde ein übliches Problem bei SAP. Die SAP-Systeme werden fast immer für den Spitzenbetrieb (die höchste Auslastung) dimensioniert. Bei uns standen HP/UX-Maschinen und große SAN-Systeme, die eher in Großunternehmen als bei mittelständischen Unternehmen eingesetzt werden.

CIO.de: Sie haben dann also gesagt, das brauchen Sie nicht mehr, wir konzentrieren uns aufs Kerngeschäft. Und das ist nicht SAP, oder?

Müller: Ja, das stimmt. Ich habe eine Matrix erstellt, in der die Systeme, die wir haben, abstrahiert dargestellt wurden. Auf der einen Seite stand die Infrastruktur, auf der anderen die Business-Applikationen, mit denen wir Wertschöpfung haben. Überall, wo es keine Wertschöpfung gab, habe ich damit begonnen zu standardisieren. Und innerhalb des Bereichs der Standardisierung haben wir dann überlegt, welche könnten wir durch externe Unternehmen abbilden lassen oder komplett outsourcen.

CIO.de: Wie lief der Auswahlprozess des Dienstleisters?

Müller: Wir sind eine regionale Tageszeitung und haben uns erst einmal lokal umgeschaut. Aufgrund der Skills, des Know-Hows, des Portfolios und des Verständnisses für die Probleme der Medienbranche haben wir uns dann für arvato systems entschieden.

CIO.de: Wie war der Zeitrahmen des Projekts?

Müller: Wir hatten einen engen Zeitplan. Auf der Messe für die Zeitungs- und Medienindustrie IFRA im Oktober 2009 haben wir den Letter of Intent unterschrieben. Die Projektierungsphase dauerte zwischen acht und zehn Wochen, während der wir über das Thema gesprochen haben. Kurz nach Vertragsunterzeichnung begannen wir mit der Umsetzung. Im April 2010, also nach einem halben Jahr, sind wir schon live gegangen.

Nach der Umstellung kaum nennenswerte Probleme

CIO.de: Wie hat die Umstellung funktioniert?

237.809 Exemplare vertreibt die gesamte Zeitungsgruppe Neue Westfälische im dritten Quartal 2010 täglich. Sie ist die auflagenstärkste Zeitung in der Region Ostwestfalen-Lippe.
Foto: Neue Westfälische

Müller: Zuerst gab es große Skepsis – sowohl bei den Endnutzern als auch im Expertenkreis. Es gab kaum Dokumentationen, auf die wir zurückgreifen konnten, aber viele technische Eigenheiten, die hier entwickelt worden waren und begradigt werden mussten.

Nach der Umstellung gab es dann im Dialogverhalten der Systeme kaum nennenswerte Probleme. Selbst deutlich komplizierte Schnittstellen zu angrenzenden Systemen liefen weitestgehend fehlerfrei. Heute können wir sagen, dass sich die Verfügbarkeit und der Service Level deutlich erhöht haben.

CIO.de: Sie würden diesen Schritt anderen Verlagen auch empfehlen?

Müller: Auf jeden Fall. Wir haben jetzt eine bedarfsorientierte SAP-Lösung.

CIO.de: Wie viel haben Sie denn nun eingespart?

Müller: Wir haben ein klassisches SAP-System mit FI, CO etc. sowie eine SAP-Instanz, auf der wir eine Branchen-Software vom Gutenberg-Rechenzentrum betreiben, und wir hatten ein Data Warehouse. Die erwartete Kostensenkung hat sich dann gleich nach der Umstellung eingestellt. Heute, nach der Migration des Data Warehouse, gehen wir davon, dass wir durch die Umstellung insgesamt rund 50 Prozent der bisherigen Kosten einsparen.

CIO.de: Wie zufrieden sind Sie mit dem laufenden Betrieb?

Müller: So lange man nichts hört, ist das ein sehr gutes Zeichen, finde ich. Ich habe deswegen ein sehr gutes Gefühl. Ich stehe auf der Verteilerliste für die Tickets, und seit der Umstellung im April gab es lediglich 73 Fälle, das meiste davon sind aber eher unwichtige Sachen.

Sie brauchen jemanden, der ein Projekt führen kann

CIO.de: Wie lautet Ihr Fazit?

Müller: Bei einem solchen Projekt geht es natürlich um viele technische Aspekte. Noch wichtiger ist es aber, partnerschaftlich mit Menschen zu arbeiten, die persönlichen Einsatz und tiefgehendes Know-how miteinander verbinden und als Team agieren. Man braucht nämlich ein gemeinsames Verständnis dafür, was man umsetzen möchte.

Systemlandschaft vor der Migration:
• 450 SAP-User
• drei SAP-Produktions-Systeme (ERP, BI und VI&VA)
• drei SAP-Test-System (ERP, BI und VI&VA)
• Hardware: 2x RX6600 / 1x RX3600 unter HP/UX
• Speichersysteme: 2x SAN von EMC Symmetrix (HA-Cluster)
• zwei SAP-Basisadministratoren und zwei SAP-Applikationsspezialisten
• drei Mitarbeiter am Service-Desk (nicht ausschließlich SAP)
• zwei Standorte der SAP-Systeme

Zeitungsverlag „Neue Westfälische“ in Bielefeld:
• NW Gesamtausgabe rund 150.000 Exemplare
• Ostwestfalen rund 250.000 Exemplare in der Zeitungsgruppe Neue Westfälische, Mindener Tageblatt, Lippische Landes-Zeitung, Haller Kreisblatt, Vlothoer Anzeiger
• Ausgaben: zwölf Titel / 16 Lokalausgaben
• 620 Mitarbeiter im Verlag und der Druckerei / rund 1.200 Zeitungszusteller
• Umsatz: rund 110 Mio. Euro