Warum es SAP im Mittelstand weiter schwer hat

SAP zu komplex und zu teuer

10.06.2009 von Thomas Pelkmann
Auch im Mittelstand gehört SAP zu den mit Abstand bekanntesten Marken mit der größten Kompetenz. Allerdings fällt die Kaufentscheidung meist für andere Hersteller aus, wie eine aktuelle Studie von RAAD Research zeigt.
Trotz bester Bekanntheits- und Kompetenzwerte: Auch im Mittelstand hat SAP Probleme bei der Neukundengewinnung.

Die Voraussetzungen für Vertriebserfolge im Mittelstand könnten für SAP kaum besser sein: Wer in mittelständischen Unternehmen was mit IT zu tun hat, kennt die Marke aus dem baden-württembergischen Walldorf zu 100 Prozent. Und immerhin gut die Hälfte (52 Prozent) haben SAP-Produkte auf die Long List der Anwendungen gesetzt, die für die Anschaffung infrage kommen.

Für eine positive Investitionsentscheidung reicht das aber dennoch nicht aus, wie der auf Enterprise Applications spezialisierte Marktanalyst RAAD Research aus Münster in einer Studie über "Treiber und Barrieren für SAP im Mittelstand" feststellt: Vor allem der Preis und die Komplexität der SAP-Anwendungen würden negativ bewertet. Das aber führe im kostenbewussten und wenig IT-affinen Mittelstandsmarkt eben oft zur Entscheidung gegen SAP.

Dazu komme, dass SAP den Mittelstandsmarkt lange als unwichtig angesehen habe, um Geld zu verdienen, da das Unternehmen über lange Zeit im Bereich der Großunternehmen gutes Geld verdient habe. Allerdings seien die "Jahre vorbei, in denen SAP ein deutlich zweistelliges Umsatzwachstum bei Großunternehmen verzeichnen konnte", heißt es in der Studie. Und nun brauche SAP eben den Mittelstand, "um zu wachsen".

Großes Vertrauen in die positiven Eigenschaften reicht nicht. SAP-Produkte gelten im Mittelstand als zu komplziert und zu teuer.

Der allerdings, so die Analysten, habe nicht auf den Auftritt der Walldorfer gewartet. Vielmehr träten SAP und Partner hier "gegen eine Übermacht von mehr als 200 ERP-Herstellern an, die sich in ihrem Kundenbeziehungsmanagement schon genau auf dieses Klientel eingestellt hat".

Dazu komme, dass SAP auch den für die Eroberung des Mittelstandes dringend benötigten Partnern nicht immer fair gegenüber trete. RAAD zufolge beklagten sich diese wiederholt, "dass SAP den Vertrieb im Mittelstand teilweise an sich reiße". Das sorge kurzfristig für Frust bei den Partnern und langfristig für Misstrauen gegen die offenbar bloß verbal vorgetragene Überzeugung SAPs, nur mit Partnern im Mittelstand erfolgreich sein zu können. Vielmehr entstünde der Eindruck, dass SAP "Partnerschaften nur dann lebe, wenn es gerade opportun erscheine".

SAP muss Partner fair behandeln

Für den Umgang mit externen Serviceunternehmen fordern die RAAD-Marktforscher denn auch ein Umdenken der SAP: "Die Partner bringen die im deutschen Mittelstand entscheidenden Erfolgsfaktoren mit: Branchenspezialisierung, häufig bereits etablierte Beziehungen zu mittelständischen Kunden, das ‚Vor-Ort-Sein’ sowie die Sprache - deutsch und kein ‚Denglisch’ oder ‚SAPonesisch’".

Danach gehe es im Konzept der Eroberung des Mittelstandes darum, die "extrem hohe Anzahl von negativen Assoziationen" zu verringern. Zwar würden Funktionalität und Qualität der SAP-Software im Mittelstandsmarkt eher positiv bewertet; Preis und Komplexität der Anwendungen gäben aber dennoch den Ausschlag gegen die Produkte aus Walldorf.

Komplexität der Produkte reduzieren

Da aber der Mittelstand nur wenig IT-Affinität besitze, müsse SAP die Komplexität seiner Produkte auf allen Ebenen reduzieren. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) hätten zwar auch komplexe Geschäftsprozesse, heißt es in der Studie. "Aber ihnen fehlt die finanzielle Kraft für aufwändige Implementierungen." Notwendig seien daher vorkonfigurierte Lösungen, die dennoch die Individualität der Kunden berücksichtigten.

Preisgestaltung besser kommunizieren

Verbesserungspotenzial erkennen die Marktforscher von RAAD auch in der Kommunikation der Preisgestaltung bei SAP: "Wenn der Preis öffentlich nicht diskutiert wird, auf welcher Basis sollen die Entscheider in den Unternehmen ihre Meinung zu SAP ändern?", lautet die rhetorische Frage zum Thema. SAP-Partner müssten künftig in die Lage versetzt werden, die Unternehmen auch über transparente Preismodelle dazu zu bewegen, SAP einzuführen, anstatt bloß vorhandene Systeme zu modernisieren.

Allerdings warnt die RAAD vor einem offenen Preiskampf: "Das könnte in einem Desaster enden, da eine ‚Wir sind billiger’-Kampagne aufgrund der aktuellen Wahrnehmung aus Sicht potenzieller Kunden wenig glaubwürdig ist". Stattdessen empfiehlt der Marktanalyst einen "wertorientierten Vertriebsansatz" mit Gegenargumenten zu jedem einzelnen Wettbewerber im Mittelstandsmarkt.

Klassischer Vertriebsansatz wird scheitern

Das Potenzial im Mittelstand sei da, heißt es in der RAAD-Studie: "Der Mittelstand wird in den kommenden Jahren in Software investieren müssen." Allerdings sei nicht abzusehen, wie sich die aktuelle konjunkturelle Lage auf die Investitionsbereitschaft auswirken werde.

Zudem sei der Mittelstandsmarkt ein Verdrängungsmarkt, weil die meisten Unternehmen längst ERP-Lösungen einsetzten, nur eben nicht von SAP. Aber auch, wenn nicht "jeder dogmatische SAP-Ablehner" sofort überzeugt werden könne, sei der deutsche Mittelstand heterogen und groß genug, um geeignetes Potenzial identifizieren und realisieren zu können.

Allerdings sei es der SAP alleine kaum möglich, die zahlreichen mittelständischen Unternehmen in Deutschland gezielt zu adressieren. "Ein klassischer Vertriebsansatz kann hier kaum erfolgreich sein", mahnen die Analysten von RAAD. Vielmehr gehe es darum, den Partnern den Vertrieb der Mittelstandsprodukte schmackhaft zu machen. Zudem sei es wichtig, für die Standardisierung, Vergleichbarkeit und Transparenz der Produkt- und Anbieterinformationen zu sorgen, weil mittelständische Unternehmen selten aufwändige Produktrecherchen betreiben könnten. Erst dann, so das Fazit der Studie, könne SAP auch im Mittelstand bestehen.

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