Der Ex-CIO von Babcock Borsig

Sauberer Abgang

07.04.2003 von Johannes Klostermeier
Lothar Dietrich war bis Ende vergangenen Jahres CIO beim Oberhausener Maschinen- und Anlagenbauer Babcock Borsig. Das Unternehmen hat Anfang Juli 2002 Insolvenz angemeldet. Jetzt will Dietrich ein Buch über seine Krisenerfahrungen schreiben.

Anfang des Jahres meldete sich der Ex-CIO des Maschinen- und Anlagenbauers Babcock Borsig, Lothar Dietrich, bei seinen Geschäftspartnern und Freunden mit einem Brief zurück: "Seit dem 1. Januar habe ich die Geschäftsführung der Firma Manß & Partner GmbH übernommen." Statt also die IT eines Riesenkonzerns strategisch zu führen, leitet der 52-Jährige jetzt das 100-Mann-SAP-Beratungshaus mit Hauptsitz in Wermelskirchen bei Köln. In seinen Augen ist dieser Wechsel jedoch kein Abstieg. Er freut sich im Gegenteil darüber, dass er in seiner neuen Position als alleiniger Geschäftsführer jetzt sein eigener Herr ist.

Lothar Dietrich (52), Geschäftsführer beim IT-Beratungsunternehmen Manß & Partner in Wermelskirchen bei Köln, vom 1. Juni 2000 bis Ende 2002 Konzern-CIO beim Maschinen- und Anlagenbauer Babcock Borsig, Schwerpunkt: IT- und Prozessstandardisierung, berufliche Stationen: Assistent an der Technischen Universität Berlin, Krupp in Essen, Nixdorf AG/ Siemens-Nixdorf, Erbslöh (Automotive-Industrie)

Die Babcock-Borsig-Pleite nimmt er nicht persönlich. "Ich bin niemand, der seine Probleme aus dem Job nach Hause trägt und deshalb nachts schlecht schläft", betont Dietrich. Die Erfahrungen, die er während der Krise gemacht hat, könnten ihm im weiteren Berufsleben sogar nützen, meint er. Sein Fazit: "Die Insolvenz ist eine sehr interessante Erfahrung gewesen, bei der ich meine bisherigen Praxiserfahrungen erweitert habe."

Schuldige für den Niedergang des Unternehmens zu benennen ist Dietrichs Sache nicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Mitte Juli vergangenen Jahres wegen Untreue und Insolvenzverschleppung gegen den ehemaligen Vorstandschef Klaus Lederer und prüft seit Januar dieses Jahres auch Vorwürfe gegen mehrere prominente Aufsichtsratsmitglieder.

Nach dem Verkauf des Babcock-Filetstücks, der Kieler Marinewerft HDW, an den US-Finanzinvestor OEP war das von Lederer ausgeklügelte Cash-Clearing-System der verschiedenen Holding-Bereiche in sich zusammengebrochen. Im Schiffbau ist eine Vorfinanzierung durch den Kunden üblich; HDW hatte Babcock gleichzeitig als eine Art Hausbank für finanzielle Engpässe gedient.

"Standardisierung, Standardisierung, Standardisierung" lautet sein Credo, das Dietrich auch in der Zeit als CIO von Babcock Borsig verfolgt hat. Zusammen mit dem Ende Juli 2001 ausgeschiedenen IT-Vorstand Gisbert Rühl verfolgte er das ehrgeizige Ziel, 70 Prozent der Anwendungen mit SAP-Templates abzudecken. "Zusammen mit Rühl habe ich bei Babcock Revolution gemacht." Dass es dann einen langfristigen Erfolg nicht mehr geben konnte, findet er bedauerlich. "Die Insolvenz ist eingetreten, als der IT-Bereich auf einem guten Weg mit deutlichen Kostenreduzierungen war."

Seine Erkenntnisse aus der Krise will der Ex-CIO jetzt niederschreiben. Das Buch (Arbeitstitel: "IT-Sanierung") soll Ende des Jahres im Heidelberger Springer Verlag erscheinen. "Das ist eine einmalige Chance", so Dietrich.

"In der IT-Sanierung habe ich große Erfahrung gesammelt." Schon bei der kränkelnden Nixdorf AG sei es darauf angekommen, den Computerkonzern wieder auf Kurs zu bringen. Weiter ging das Sanierungsgeschäft beim Automobilzulieferer Erbslöh. Es war die Zeit des knallharten Preisdrückers Jose Lopez auf Volkswagen-Seite, der Kostensenkungen von mehr als 20 Prozent von den Zulieferern forderte.

Für Dietrich war nach der Insolvenz schnell klar, dass er von Bord gehen wird. Seine Nachfolge bei Babcock ist geregelt: Bis auf zwei Mitarbeiter wüssten alle, wo sie in Zukunft ihren Arbeitsplatz haben und wer die IT-Interessen der zu schließenden Gesellschaften vertritt.

Dem Ex-CIO ist wichtig, dass am Ende eine positive Formulierung steht. Hier ist sie: Ein Teil der Arbeitsplätze der Babcock-Unternehmen konnte durch Verkäufe oder Verselbstständigung gerettet werden. Zahlreiche Aufträge werden von der Auffanggesellschaft Babcock Borsig Power Systems mit 2600 Beschäftigten weitergeführt, die gerade an die japanische Babcock-Hitachi verkauft wurde.

"Die IT-Systeme haben wir noch auf die Anforderungen der neuen Gesellschaft zugeschnitten, sodass eine stabile Abwicklung der Geschäftsprozesse möglich ist", sagt Dietrich. "Dieser saubere Abgang wird mir auch weiterhin meinen guten Ruf als IT-Berater erhalten."