Bei der Service-Qualität von Behörden hinkt Deutschland hinterher

Schlechte Noten für deutsche Amtsstuben

03.09.2007 von Nina Gut
Deutsche Amtsstuben werden ihrem Ruf mal wieder gerecht: Die Deutschen sind zunehmend unzufrieden mit dem Service ihrer Behörden. 70 Prozent der Bundesbürger fühlen sich nicht ausreichend über die Angebote der Verwaltungen informiert. Jeder Vierte meint, der Service verschlechtere sich von Jahr zu Jahr. Bei der Gesamtbewertung von Verwaltungsdienstleistungen in 22 Ländern landet Deutschland auf Platz 15. Spitzenreiter ist Singapur, gefolgt von Kanada und den USA. Das ergab eine Studie des Beraters Accenture.
Deutschland steht nicht gut da: Die Grafik zeigt, wie unzufrieden die Deutschen mit der Entwicklung des Öffentlichen Dienstes sind.

Länder wie Singapur, Kanada und die USA schaffen es, ihre Leistungen in der öffentlichen Verwaltung kontinuierlich zu steigern, indem sie vier Grundregeln beachten: Den Bürger und seine Bedürfnisse kennen, die passende Infrastruktur in ihren Verwaltungen bereitstellen, qualifizierte Mitarbeiter einsetzen und mit Bürgern, Gemeinden, Unternehmen, nichtstaatlichen Organisationen und anderen Interessensvertretern zusammenarbeiten.

Den Spitzenreitern der Studie ist eines gemeinsam: Sie sorgen dafür, dass ihre Bürger ausgiebig über Verwaltungsinitiativen informiert werden. Auf diese Weise erreichen sie, dass ihre Service-Angebote in der Bevölkerung positiv wahrgenommen und intensiv genutzt werden. "Andere Länder machen vor, was in Deutschland bis heute nicht gelungen ist: Sie handeln als Dienstleister für ihre Bürger, die öffentliche und private Dienstleistungen vergleichbar gestaltet sehen wollen", sagt Holger Bill von Accenture.

Zwar unternehme die Regierung mit Initiativen wie "Deutschland Online" vereinzelte Anstrengungen, um die Service-Qualität zu verbessern. Doch das reiche nicht aus. Holger Bill: "Um das Vertrauen ihrer Bürger zu gewinnen und die wachsende Differenz zu privaten Unternehmen und internationalen Verwaltungen zu schließen, müssen die deutschen Behörden ihren Dienstleistungsgedanken von Grund auf ändern."

Von allen Teilnehmern der Studie fühlen sich die Deutschen mit 70 Prozent am schlechtesten über die Services ihrer Verwaltungen informiert. Nur jeder Dritte glaubt, gut über die angebotenen Dienstleistungen unterrichtet zu sein. In Finnland behaupten dies mehr als doppelt so viele Bürger von sich (71 Prozent). 37 Prozent der Bundesbürger finden es schwierig, sich den Umgang mit neuen Service-Angeboten selbst anzueignen. Momentan sind 22 Prozent der Deutschen der Meinung, der Service ihrer Behörden habe sich in den vergangenen drei Jahren verschlechtert und bleibe hinter dem von Wirtschaftsunternehmen zurück. In Singapur hingegen glauben nur zwei Prozent, die Dienstleistungsqualität in Ämtern habe abgenommen.

Mit den Standards von Privatunternehmen können Behörden laut Einschätzung der Befragten bei weitem nicht mithalten: So schneidet die Service-Qualität in Banken um 47 Prozent besser ab als die in deutschen Ämtern. Kaufhäuser kommen um 44 Prozent besser weg, Fluggesellschaften um 28 Prozent.

Schlechte Kommunikation und mangelhafte Vernetzung: Deutsche meiden Behördengänge

Als besonders lästig empfinden es die Deutschen, wenn sie für ein einziges Anliegen mit mehreren Behörden in Kontakt treten müssen. Sechs von zehn Befragten halten die Vernetzung zwischen den Ämtern für unzureichend. Für jeden Vierten (23 Prozent) hat sich das Verhältnis zur öffentlichen Verwaltung allgemein verschlechtert. Die Deutschen entpuppen sich zunehmend als Behördenmuffel: Drei Viertel der Befragten (74 Prozent) haben in den zurückliegenden zwölf Monaten keinen Kontakt zu einer Behörde aufgenommen. Im Vorjahr waren es 71 Prozent.

Laut Studie spielt das Telefon in Deutschland die wichtigste Rolle bei der Abwicklung von Behördenangelegenheiten. Mehr als die Hälfte der Deutschen greifen zum Hörer, wenn sie ein Amt kontaktieren. Einen erfolgversprechenden Schritt, um das angeschlagene Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltungen zu verbessern, sieht Holger Bill deshalb in der Einführung eines zentralen Bürgertelefons. Unter einer einheitlichen Rufnummer "115" sollen Bürger rund um die Uhr Behördendienstleistungen erfragen und abwickeln können. Die "115“ berge die Chance für einen grundlegenden Wandel der Service-Kultur in deutschen Ämtern. Außerdem sei sie wichtiger Erfolgsgarant für den Standort Deutschland. Vorbild ist die Ämter-Hotline "311" in New York, wo im Juni der 50-millionste Anrufer in fünf Jahren gefeiert wurde.

Die Studie "Leadership in Customer Service - Delivering on the Promise“ untersucht die Service-Qualität von Behörden im internationalen Vergleich. Bewertet wurden die Benutzerfreundlichkeit von Verwaltungsdienstleistungen, deren Online-Verfügbarkeit und die Zufriedenheit der Bürger. Für die Erhebung hat Accenture rund 9.000 Bürger aus 22 Ländern sowie 52 Mitarbeiter in öffentlichen Verwaltungen in 17 Ländern befragt. In Deutschland nahmen 400 Bürger an der Befragung teil.