Es lebe die Kommunikation

Schöner arbeiten im Büro

11.07.2012
Neue Arbeitsplätze sind mehr als moderne Möbel und viel Licht. Die Unternehmenskultur müsse sich ändern, Hierarchien abgebaut werden. Die Atmosphäre müsse zur Kommunikation anregen. Zu dem Ergebnis kam eine Tagung in Berlin.
Wilhelm Bauer, Fraunhofer IAO: Arbeitsplätze müssen dem Individuum angepasst werden und nicht umgekehrt.
Foto: Karsten Häcker

Wie müssen Büros und Arbeitsplätze in Zukunft aussehen, damit sie die Produktivität fördern? Antworten auf diese Frage suchte die Euroforum-Tagung "Future Workplace & Office" in Berlin. Konsens herrschte darüber, dass vor allem die Rahmenbedingungen stimmen und die Unternehmen flexibel und familienfreundlich sein müssen.

"Jüngere Arbeitnehmer haben klare Vorstellungen über ihr Arbeitsleben: Sie wollen Social Media nutzen und von zu Hause oder unterwegs arbeiten", stellte Professor Wilhelm Bauer zur Eröffnung der Tagung fest. Der Leiter des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO zitierte aus einer Microsoft-Studie: Flexibel wollen Arbeitnehmer sein, um Kinder und ältere Verwandte, aber auch um Haustiere zu versorgen.

Insgesamt 85 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass eine gelebte Work-Life-Balance Statussymbol werde. Eine gute Arbeitsausstattung und -umgebung seien wichtige Faktor bei der Arbeitgeberwahl, so eine Umfrage der Jobbörse Stepstone. Bauer betonte, dass Arbeitsplätze dem Individuum angepasst werden müssten und nicht umgekehrt. Im Anschluss gaben Unternehmen wie Vodafone, Adidas oder Unilever Einblick in ihre Versuche, den idealen Arbeitsplatz zu schaffen, sei es durch einen Neubau oder durch ein flexibles Arbeitskonzept.

Flexibel arbeiten
Neue Bürowelt
Mitarbeiter sollen heute den Arbeitsplatz frei wählen und sich in offenen Räumen vernetzen. Accenture ( hier im Bild), Siemens und Telefónica praktizieren schon heute eine flexible Arbeitskultur.
Accenture
Große Glasfassaden, Ruhezonen, Besprechungsräume mit Telepresence und weite Flächen bestimmen das Bild.
Accenture
Wände, Vorhänge und Stühle sind je nach Stockwerk in bunten Farbtönen gehalten. Freihängende oder stehende Wände und Deckenpaneele absorbieren die Geräusche.
Accenture
Auf den Schreibtischen befinden sich lediglich Telefone und Netzwerkkabel. Wer mehrere Tage im Gebäude ist, kann seine Utensilien in Schließfächern verstauen.
Siemens
Die Herausforderungen, die sich durch das "Siemens Office" ergeben, sind gewaltig: Etwa 140.000 Arbeitplätze werden über die kommenden Jahre umgestaltet.
Siemens
Unter "Siemens Office" versteht der Konzern fünf Kernelemente: mobile Working, Work-Life-Integration, mobile IT, offene Bürolandschaften und die freie Arbeitsplatzwahl.
Siemens
Zur offenen Bürolandschaft gehören weite Räume und "Think Tanks", die durch Glaswände abgetrennt sind und für Besprechungen oder längere Telefonate genutzt werden. Als Raumteiler dienen Bambusstäbe und Pflanzen.
Siemens
Spezielle "Meet-and-Talk"-Bereiche sind für Gespräche und Telefonate vorgesehen.
Telefónica
Auch Telefónica erprobt gerade ein neues Bürokonzept.
Telefónica
Um das Zwischenergebnis zu begutachten, muss man mit dem Fahrstuhl 36 Stockwerke nach oben fahren, denn eines der drei Pilotprojekte befindet sich im "Uptown München", dem höchsten Gebäude der Stadt.
Telefónica
Die Bürofläche ist in verschiedene Zonen eingeteilt: Erst betritt man eine große Lounge, dann verschiedene Arbeitsbereiche. Im Inneren des Bürokomplexes sind verschiedene Besprechungsräume und Fokus-Boxen, in die sich die Angestellten für Gespräche zurückziehen.
Telefónica
Der Laptop wird am Schreibtisch per USB-Dockingstation an das Firmennetz angeschlossen, ansonsten ist alles mit WLAN ausgeleuchtet, um Bewegungsfreiheit zu haben.

Vodafone fördert Home Office

Kommunikation zwischen Mitarbeitern fördern wollen moderne Bürokonzepte. Ein Sofa gehört auch dazu, wie im Vodafone-Campus in Düsseldorf.
Foto: Vodafone

Ulrich Kerber, der bislang den Campus-Neubau des TK-Anbieters Vodafone betreut hat, stellte das Arbeitsplatzkonzept "Walk the talk" vor. Das neue Campusgebäude in Düsseldorf, das im Dezember 2012 fertig sein wird, hat 18 Vollgeschosse auf einer Baugrundfläche von rund 85.000 Quadratmetern. Für 5500 Mitarbeiter stehen 4600 Arbeitsplätze zur Verfügung, da flexibles Arbeiten von zu Hause weiter ausgebaut werde, so Kerber.

Im neuen Vodafone-Campus in Düsseldorf gibt es viele Austauschmöglichkeiten.
Foto: Vodafone

'Zudem gibt es ein Mitarbeiterrestaurant mit 1.200 Sitzplätzen, Cafés und eine Sky Lounge, aber auch eine Kinderkrippe, ein medizinisches Center, einen Fitnessbereich, Copy Shops und eine Reinigung. Um der internationalen Belegschaft mit unterschiedlichen Religionen gerecht zu werden, wird ein Raum der Stille geschaffen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war laut Kerber, die Mitarbeiter früh in die Konzeption und Umsetzung einzubeziehen. So Konnten die Mitarbeiter in der Bauphase das Gebäude besichtigen, ein Film informierte über den Baufortschritt. Auch die IT-Ausstattung ist auf hohem Niveau geplant: LAN-Ports für alle Arbeitsplätze, 100 Prozent WLAN, LTE-Netzabdeckung, Voice over IP und Smartphones für alle.

Kurze Wege im Adidas-Forschungscenter

Der von Adidas "Laces" getaufte Neubau , in dem rund 1.700 Mitarbeiter letztes Jahr eingezogen sind, war Thema eines weiteren Praxisberichtes. Ganz unterschiedliche Mitarbeiter haben hier eine ideale Arbeitsstätte zum Testen und Forschen gefunden. Ein biomechanisches Labor, ein hochmodernes Testcenter, kurze Wege und kreative Zentren sollen dazu beitragen, Ideen schneller und effektiver in marktfähige Produkte umzusetzen. Michael Wiebelt (M.O.O.CON) erläuterte das Adidas-Konzept und betonte: "Nur nachhaltige Objekte stiften Identität." Die Büroräume sind hell und offen gestaltet, ein modulares Baukastensystem für die Büromöbel, entworfen von der Design-Company Kinzo, erlaubt die Gestaltung individueller Arbeitsplätze. Eine Vision blieb allerdings: "Es gibt immer noch Papier", stellte Wiebelt fest.

Auch Architekt Jörg Magar, der neue Büroideen des Technologieunternehmens Qiagen zeigte, wies auf die Bedeutung der Kommunikation hin. So gibt es auch hier offene und transparente Arbeitsbereiche, Lounges und Teeküchen, hochwertige Büromöbel und modernste Technik. Der Ansatz: Die Architektur soll die Unternehmenskultur widerspiegeln. Bei Evonik erkannte man ebenfalls, dass die besten Ideen oft spontan entstehen, Mitarbeiter und Büro sich mehr und mehr vernetzen und Informationen schnell verfügbar sein müssen. Mobilität, Device-übergreifendes Arbeiten und Teamorientierung erfordern neue Werkzeuge. Ein Dilemma sei, dass Sicherheit zunehmend wichtiger werde, User aber sicherheitsbedingte Einschränkungen immer weniger akzeptierten.

Unilever schafft feste Arbeitszeiten ab

Die internationale Strategie "Agile Working" bei Unilever stellte Chris Raia vor: Globale Innovationen eng verbunden mit herausragender operationalen Leistungen und der Umbau von einem traditionellen Unternehmen zu einer "anytime anywhere"-Kultur. Damit wolle man auch als Arbeitgeber für die besten Nachwuchstalente attraktiver werden, so Raia. Unilever habe überholte Grenzen wie feste Arbeitszeiten abgebaut und den Arbeitnehmern mehr Wahlmöglichkeiten und Mitbestimmung gegeben. Das Konzept des "Agile Working" sei voll aufgegangen: die Produktivität stieg um 80 Prozent und ein um 86 Prozent höheres Engagement konnte verzeichnet werden, sagte Raia. Wichtig sei am Ende das Arbeitsergebnis, nicht, wie lange ein Mitarbeiter im Büro zugebracht habe.