Ganzheitlicher Ansatz für Personal-Entwicklung nötig

Schwierige Suche nach den Führungskräften von morgen

29.01.2008 von Nicolas Zeitler
Drei von vier Personal-Managern sehen sich selbst nicht in der Lage, qualifizierte Führungskräfte schnell zu entwickeln. Viele Firmen könnten dadurch in Schwierigkeiten geraten. Denn wegen der stark wachsenden Märkte in Schwellenländern und anstehender Pensionierungen wird eine große Zahl neuer Führungspersönlichkeiten gebraucht. Zu diesem Ergebnis kommt eine weltweite Studie von IBM.
Mangelnde Führungsqualität ist eine der größten Herausforderungen, der sich Unternehmen weltweit gegenüber sehen.
Foto: IBM

Mangelnde Führungsqualitäten sind für Unternehmen eines der größten personalbezogenen Probleme. Mehr als jeder Dritte der Befragten gab dies an. Vor allem die schnelle Expansion wirft diese Problematik bei vielen Firmen auf. Betroffen sind überdurchschnittlich oft Organisationen, die im asiatisch-pazifischen Raum tätig sind. In dieser Region sind viele Firmen rasch gewachsen, so dass der eher kleine Pool erfahrener Führungskräfte nahezu ausgeschöpft ist. Konfrontiert werden mit diesem Mangel auch Firmen, die sich in die Region ausdehnen möchten: Weil sich nur wenige angestammte Mitarbeiter für den Einsatz in Asien gewinnen lassen, sind auch diese Organisationen auf Manager aus der Gegend angewiesen.

Nach Branchen unterschieden sind vor allem Unternehmen aus der Industrie dem Führungskräftemangel ausgesetzt. Mehr als jede zweite Firma ist davon betroffen. Ein Grund hierfür sind die vielen Expansionen von Fertigungsbetrieben in neue Märkte und Regionen. Alternde Belegschaften sehen viele Personalverantwortliche als weiteren Grund für einen Mangel. Dieser wird verstärkt durch unzureichende Nachfolgeplanung - wie viele Personal-Manager einräumen.

Der Aufbau talentierter Führungskräfte ist denn auch für drei von vier Verantwortlichen eine der wichtigsten Herausforderungen. Besonders ausgeprägt ist dieses Problem im asiatisch-pazifischen Raum, wo 88 Prozent der Befragten sich damit konfrontiert sehen. Europa, der Nahe Osten, Afrika und Lateinamerika liegen mit 74 Prozent im weltweiten Durchschnitt, während die Japaner (73 Prozent) und vor allem Personalverantwortliche in Nordamerika dies seltener als Problem ansehen (69 Prozent).

Die Rotation von Führungskräften in verschiedene Geschäftsbereiche oder andere Regionen sieht fast die Hälfte der Befragten als wertvolles Mittel an, um Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Der Umsetzung stehen indes oft Hindernisse im Weg, wie jeder Dritte angab. Ein Problem liegt zum Beispiel darin, dass einzelne Abteilungen ihre besten Leistungsträger nur ungern gehen lassen.

Vier von zehn Verantwortlichen sehen bei den eigenen Mitarbeitern Defizite darin, sich an Veränderungen anzupassen.
Foto: IBM

Der Mangel an Führungspersonal kann der Untersuchung zufolge ernsthafte Folgen für Unternehmen haben. Nur starke Manager könnten den Weg durch eine immer komplexere Wirtschaftswelt weisen. Ansonsten werde es für eine Firma immer schwieriger, ihre Geschäftsziele zu erreichen. Die Studienautoren argumentieren, dass es nur mit starken Führungspersönlichkeiten möglich sei, eine wandlungsfähige Belegschaft aufzubauen. Und die sei angesichts der starken Veränderungen in der Weltwirtschaft wichtiger denn je. Allerdings sind nur 14 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Belegschaft ihres Betriebs sehr fähig ist, sich an Veränderungen anzupassen.

Keine ganzheitlichen Ansätze

Offenbar mangelt es oft an ganzheitlichen Ansätzen um künftige Führungskräfte zu entwickeln oder zu identifizieren. Wenn Unternehmen in Maßnahmen zur Nachfolgeplanung investieren, dann tun sie dies zu oft nur auf regionaler Ebene. Ein Überblick über die in der gesamten Organisation verfügbaren künftigen Top-Manager lässt sich so nicht gewinnen. Notwendig ist der Studie zufolge, Informationen über Führungskräfte an allen Standorten eines Unternehmens weltweit zu sammeln und zu wissen, an welchem Standort ein solcher Mitarbeiter derzeit tätig ist. Außerdem sollten sein Leistungsniveau und seine Transferbereitschaft bekannt sein. Als mögliches Werkzeug hierfür nennt die Untersuchung spezielle Talent-Management-Software.

Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Führungskräfte-Entwicklung könnte demnach die Bereitschaft des gesamten Unternehmens sein, Verantwortung für die Auswahl einzelner Mitarbeiter zu übernehmen. Der Personalbereich allein könne dies nicht leisten. Er spiele eine wichtige Rolle dabei, anspruchsvolle und kreative Karrierewege als Aufstiegsmöglichkeiten zu entwickeln. Die dafür notwendigen Ressourcen und die richtige Unternehmenskultur müsse jedoch eine Organisation als Ganzes bereitstellen.

Nur 39 Prozent der Studienteilnehmer gaben indes an, dass in ihrem Unternehmen ein regelmäßiger Dialog zwischen dem Personalbereich und anderen Geschäftseinheiten stattfinde. Für solche Gespräche fehlt demnach oft auch die notwendige Datengrundlage. Personalbezogene Daten mit Vertriebs-, Finanz- oder anderen Informationen zu verknüpfen, stellt in vielen Firmen ein Problem dar. Häufig können nicht einmal zwischen Anwendungen innerhalb der Personalabteilung Daten ausgetauscht werden.

Personal-Trends erkennen

Die Verfasser der Untersuchung sehen unter anderem die CIOs in der Pflicht. Sie müssten die passenden Technologien einführen, mit denen sich Entwicklungen beim Personal erkennen lassen. Außerdem haben die IT-Verantwortlichen die Aufgabe, den Mitarbeitern Lerninhalte zu vermitteln und Personen zu vernetzen, die räumlich getrennt im Unternehmen arbeiten.

Personalverantwortlichen empfiehlt IBM hingegen, öfter auch über den Tellerrand des eigenen Unternehmens hinauszublicken. Die meisten Personaler konzentrierten sich darauf, in der eigenen Firma Schwierigkeiten bei der Mitarbeiterentwicklung zu bekämpfen und die Fachkenntnisse der angestammten Mitarbeiter auf künftige Anforderungen des Geschäfts auszurichten. Externe Bewerber zu gewinnen genießt dagegen wenig Beachtung. Dabei ist die zunehmende Fluktuation von Beschäftigten für 47 Prozent der Befragten ein Thema. Gleichzeitig sind aber die meisten davon überzeugt, die Reputation ihres Betriebes führe dazu, dass vorhandene Angestellte im Boot bleiben oder sich neue Mitarbeiter von außerhalb um eine Stelle bewerben.

Die "IBM Global Human Capital Study 2008" basiert auf einer Befragung von mehr als 400 Personalverantwortlichen aus 40 Ländern. Die Teilnehmer arbeiten als hochrangige HR-Verantwortliche bei privaten, öffentlichen und gemeinnützigen Organisationen aus allen Regionen der Welt. Die Unternehmen sind unter anderem in der Industrie, Finanzdienstleistungs- und Kommunikationsbranche tätig. Ihre Größe reicht von weniger als 1.000 bis zu mehr als 50.000 Mitarbeitern. Die Umsätze liegen zwischen unter 500.000 und mehr als 25 Milliarden US-Dollar. Erstellt haben die Studie der Bereich Human Capital Management der IBM Global Business Services und das IBM Institute for Business Value. Eingeflossen sind neben den Interviews Erfahrungen von IBM und weitere Analysen.