Banken müssen neue Geschäftsmodelle entwickeln

SEPA-Chancen bleiben ungenutzt

13.12.2006 von Tanja Wolff
Drei Viertel der deutschen Banken sind auf das neue Zahlungsverkehrssystem Single Euro Payment Area (SEPA) noch nicht ausreichend vorbereitet. Laut der Studie des Lösungsanbieters Tieto Enator verschenken die Finanzdienstleister damit die Chance auf neue Kunden und neue Märkte.

Der Analyse zufolge sind nur rund ein Fünftel der Banken bis zum 1. Januar 2008 gut auf den Start der SEPA vorbereitet. "Zu wenig Banken erklären Auslandstransaktionen zu ihrem Kerngeschäft und sichern sich als First Mover ihren Anteil am europäischen Zahlungsverkehr", sagt Hans-Willi Hüsch, Vice President Banking Division bei Tieto Enator Deutschland. Indem die Finanzdienstleister nur die Mindestanforderungen von SEPA erfüllen, würden sie die Chance auf neue Kunden und neue Märkte verschenken.

Die abweisende Haltung der Banken führt dazu, dass sich nur 15 Prozent der führenden Unternehmen und Organisationen der öffentlichen Hand von ihrer Bank in der Umstellung auf SEPA aktiv betreut fühlen. Trotzdem sind zwei Drittel der Befragten mit der Situation zufrieden, was an der geringen Erwartung der Firmen liegen könnte.

44 Prozent der Unternehmen erhoffen sich von dem neuen Zahlungsverkehrssystem niedrigere Kosten für Auslandstransaktionen und rund 42 Prozent eine Prozessoptimierung. Mehr als zehn Prozent wollen zusammen mit ihrer Bank über Mehrwertleistungen, wie beispielsweise durchgängige elektronische Rechnungsstellung, neue Potenziale erschließen. Trotz der geringen Vorbereitungen möchten mehr als zwei Drittel der befragten Finanzhäuser ihren Marktanteil an Auslandstransaktionen vergrößern oder zumindest halten.

Innovations-Management wird vernachlässigt

Im Ranking der künftigen Herausforderungen bilden die Optimierung von Geschäftsprozessen und das Innovations-Management das Schlusslicht. So weisen drei Viertel aller Innovationsprojekte bei den befragten Banken eine Laufzeit von weniger als sechs Monaten auf. Das ist ein weiterer Hinweis auf das zögerliche Verhalten bei SEPA. Das Zahlungsverkehrssystem erfordert nämlich eine langfristige Innovationsstrategie und zum Teil völlig neue Geschäftsmodelle.

Die Untersuchung zeigt, dass der von der EU-Kommision gewünschte marktgetriebene Prozess bei deutschen Finanzinstituten nur eingeschränkt in Gang kommt. Auf Basis der neuen Standards im Zahlungsverkehr entwickeln zurzeit nur wenige Unternehmen gemeinsam mit ihren Kunden neue, wettbewerbsfähige Mehrwertleistungen. Dabei sollten Banken sich nicht nur auf die Minimierung ihrer Anpassungskosten konzentrieren. Es ist wichtiger den Kunden zu erklären, dass SEPA nicht nur Kosten, sondern auch adäquate Mehrwerte bedeutet.

Laut der Studie müssen Banken in den kommenden Jahren völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln. Unter dem Stichwort Shared Services werden sich die Wertschöpfungskette und vor allem die Wertschöpfungstiefe der Banken umfassend verändern. Unter anderem gewinnt dabei die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Dritten in Sourcing-Modellen zur Optimierung der Service- und Fertigungstiefe an Bedeutung. Zurzeit mangelt es hier noch an der nötigen Transparenz.

Kaum die Hälfte der Banken ist ausreichend auf die Ein- und Auslagerung von Prozessen vorbereitet, so die Analyse. Bisher werden am häufigsten stark automatisierbare und standardisierbare Prozesse wie IT-Betrieb oder Wertpapierdepotverwaltung mit Partnern betrieben.

Insgesamt lagern nur knapp 30 Prozent der Finanzinstitute ihren Auslandszahlungsverkehr an Dritte aus. Etwa zwei Drittel der untersuchten Banken arbeiten mit Dienstleistern zusammen. Dabei wählen sie ihren Partner hauptsächlich nach branchenfachlichem Wissen und weichen Faktoren aus.

Für die Studie "Fit für Europa? Banken im Wettbewerb" befragte die deutsche Banking Division von Tieto Enator 113 Banken und zusätzlich 66 Unternehmen sowie Organisationen der öffentlichen Hand.