IT-Strategietage

Sloterdijk: IT ist eine Revolution wie der Buchdruck

10.02.2012 von Kolja Kröger
Die Seele des Menschen erweitern wollen Philosophen seit 3000 Jahren. Jetzt gibt die Technik uns endlich die Möglichkeit, staunte Philosoph Peter Sloterdijk in der CXO-Lounge auf den Hamburger Strategietagen.
Philosoph Peter Sloterdijk in der CXO-Lounge der Hamburger Strategietage 2012.
Foto: Nicola Rübenberg

Technikfeindlich seien die Deutschen heute kaum noch, konterte Deutschlands wohl bekanntester Philosoph der heutigen Zeit, Peter Sloterdijk gestern auf den Hamburger IT-Strategietagen eine Befürchtung von Microsoft-Managerin Marianne Jannick. Sie zeigte sich besorgt, die German Angst vor technischen Revolutionen lähme die Innovationskraft in unserem Land. So ihre These in einer Diskussion auf der CXO-Lounge, hoch über den Dächern Hamburgs im alten Unilever-Hochhaus.

Sloterdijk hielt dagegen: Jeder fünfte will heute einen Job in der Digitalen Industrie. In den fünfziger Jahren wollte die Hälfte noch Förster werden. Diese Technikfeindlichkeit der Deutschen, sie spuke vor allem wie ein Geist durch die Feuilletons. „Noch nie wurde jemand durch Angst gelähmt.“

IT gibt dem einzelnen mehr Macht als Julius Caesar

Von den technischen Möglichkeiten unserer Zeit zeigte sich der Philosoph beeindruckt, der die Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe leitet. „Die Welt im 21. Jahrhundert wird eindeutig durch das Internet geprägt“, auf ähnliche Weise habe zuletzt die „scheinbar lächerliche“ Innovation von Johannes Guttenberg die Welt verändert, als er austauschbare Bleilettern für unsere Schrift und damit den Buchdruck erfand.

„Mit einem Mal haben wir ein System von Fernnachbarschaften, auf das wir gar nicht vorbereitet sind. Die Chinesen sind plötzlich unsere Nachbarn!“ Seit 3000 Jahren wollten die Philosophen die Seele des Menschen erweitern, jetzt gebe uns die Technik endlich die Möglichkeit. Sloterdijk sprach von einem Quantensprung im Makrobereich für die Souveränität des Individuums. Ein junger Student von heute hätte heute mehr Einfluss als Julius Caesar auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs.
Foto: Nicola Rübenberg

Die Möglichkeiten bergen für Sloterdijk allerdings auch Gefahren. Sorgen um mangelnden Datenschutz müssten ernst genommen werden. Hier sieht er die „deutsche Hysteria als Vorsorge für potenzielle künftige Missbrauchsfälle“. Wir müssten aufpassen, dass nicht einzelne Wissensmonopole erlangen. Doch da sei auch der mündige User gefragt. Digital mündig, das heißt für Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, zu wissen, was man im Netz preis gibt. Das betonte sie in der Diskussion.

Vereinfachungsrevolution erst am Anfang

Sloterdijk erwartet von den Herstellern, dass sie die Erziehung des mündigen Users mit in die Hand nehmen. „Wir leben in einer Zeit des Kundendienstes! Das birgt riesige Implikationen der Hersteller in Bezug auf Verbrauchertechnik.“ Sprich: Verantwortung. Noch sei das Chaos in der Technik so groß, dass er jeden zweiten oder dritten Tag mit Chaosmanagement zu tun hat. Denn die Vereinfachungsrevolution, ausgelöst von Menschen wie Steve Jobs, sie stehe erst am Anfang.