IT-Manager wetten

So arbeitet die IT in zehn Jahren

02.09.2011 von Swen Rehders
Swen Rehders, Executive Vice President Strategic Sales Engagements, Atos, wettet, dass im Jahr 2021 ... Wetten Sie mit!
Swen Rehders ist Executive Vice President Strategic Sales Engagements bei Atos.
Foto: Atos

"Ich wette, dass es im Jahr 2021 keine IT- bzw. Outsourcing-Dienstleister mehr geben wird, sondern nur noch ‚Prozessdienstleister‘. Sie optimieren mit dem Kunden gemeinsam dessen Geschäftsprozesse."

Der Wecker klingelt auch im Jahr 2021, allerdings muss der Process Consultant Markus M. (früher IT-Consultant) seine Wohnung nicht verlassen. Ausgestattet mit den notwendigen Online-Dokumenten wählt er sich per Videokonferenzsystem gleich nach dem Frühstück um 9:00 Uhr in das erste Kunden-Meeting ein. Am virtuellen Besprechungstisch sitzen der CPO (Chief Process Officer), der Abteilungsleiter Qualitätssicherung sowie ein IT- und ein CRM-Experte des Unternehmens.

E-Mail fast komplett verschwunden

Thema der Besprechung: Wie lassen sich Kundenempfehlungen und das Beschwerdemanagement in sozialen Netzwerken direkt in die Qualitätssicherung des Unternehmens einbinden? Der CRM-Experte hat einen möglichen Prozess skizziert, CPO und IT-Experte legen komplexe Flussdiagramme zu Anwendungen und Infrastruktur auf den Tisch. Sämtliche Dokumente sind virtuell in Echtzeit verfügbar. Die E-Mail ist im Jahr 2021 fast komplett aus dem Geschäftsleben verschwunden, und die Korrespondenz läuft ausschließlich über soziale Netzwerke.

Pünktlich um 11:00 Uhr ist die Konferenz beendet. Der Process Consultant unterteilt den Auftrag in kleine Teilprojekte, um sie in der nächsten Konferenz um 16:00 Uhr an seine Mitarbeiter zu übergeben. Nach einem kurzen Spaziergang mit dem Hund wirft er einen Blick in den unternehmensinternen Wiki-Blog zum Thema "Prozesse zur Qualitätssicherung".

Und tatsächlich: Erst vor drei Tagen hat der Kollege in Bangalore einen ähnlichen, erfolgreich abgeschlossenen Prozess in Form eines moderierten Webcasts eingestellt. Aus dieser Best Practice kann Markus M. Szenarien für seinen eigenen Auftrag ableiten und für seine Kollegen bewährte Lösungsansätze entwerfen. Die geplante Webkonferenz um 16:00 Uhr, bei der konkrete Arbeitspakete definiert und verteilt werden, kann pünktlich stattfinden. Und um 17:30 Uhr - nachdem er bei seinem vernetzten Kühlschrank den Wocheneinkauf beauftragt hat - besucht Markus M. noch schnell den Kunden. Er stellt dem CPO einen ersten Vorschlag zur Vorgehensweise persönlich vor. So oder so ähnlich wird ein ganz normaler Arbeitstag eines Process Consultants (heute noch IT-Consultant) im Jahr 2021 aussehen.

Noch ist die IT eine Black Box

Aber denken wir in Zukunft nur noch über Arbeitsabläufe nach und nicht mehr über die IT? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Im Prinzip präsentiert sich die IT dem Anwender heute bereits als eine Art Black Box, die Services für bestimmte Prozesse bereitstellt.

Die Prozessorientierung in der IT wird sich aber deutlich verstärken. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die zunehmende Globalisierung und neue Work-Live-Balance-Trends machen die Belegschaft deutlich mobiler. Damit die Unternehmen mit dieser Entwicklung Schritt halten, sollten sie den flexiblen Arbeitsplatz für die Zukunft definieren. Aber wie sieht eine flexible Arbeitsplatzumgebung aus? Wichtiger Bestandteil ist die Desktop-Virtualisierung, gepaart mit dem sogenannten User-Owned-Device-Konzept: Die PC-Leistung wandert ins Rechenzentrum und die Applikation in vielen Fällen gleich mit. Der Anwender kann so an jedem Ort remote auf dem Endgerät seiner Wahl seine Anwendungen nutzen.

Neben der Mobilität der Mitarbeiter werden steigende Sicherheitsanforderungen sowie wachsende Informationsmengen in den Unternehmen die Aufgaben von IT-Dienstleistern stark beeinflussen. Denn unabhängig davon, ob Speicherkapazitäten on-demand vom Outsourcing-Dienstleister oder Applikationen direkt aus der Cloud geordert werden - die Sicherheit von geschäftskritischen Daten und Prozessen steht an erster Stelle.

Bei jeder Form von Outsourcing sind deshalb ganzheitliche Konzepte für Identity and Access Management (IAM) gefragt. Außerdem wird die Nutzung von externen IT-Diensten in Zukunft zunehmen. Warum? Neue Technologien wie Cloud Computing beziehungsweise Software-as-a-Service (SaaS) machen es vielen, gerade kleineren und mittelständischen Unternehmen leichter, Outsourcing-Dienste zu nutzen. IT-Dienstleister können diesen Trend verstärken und davon profitieren, indem sie ihre Services weitgehend standardisieren und industrialisieren. So können sie Kostenvorteile an den Kunden weitergeben und zugleich den Spielraum nutzen, um den Unternehmen individuelle und maßgeschneiderte Lösungen bereitzustellen.

Arbeitsabläufe der Zukunft gestalten

Wer treibt wen? Zuerst der Prozess, dann die technische Unterstützung, oder umgekehrt? Die Frage, wie Arbeitsabläufe künftig gestaltet werden, ist für IT-Dienstleister bereits heute ein Kernthema. In den nächsten Jahren werden Systemintegration und klassische Unternehmensberatung noch stärker ineinandergreifen, wenn es um Kostensenkung und Steigerung der Produktivität geht. Die Gründe: Immer mehr Prozesse sind IT-gesteuert und werden zunehmend miteinander verzahnt - auch über Unternehmensgrenzen hinweg. So lassen sich beispielsweise Warenwirtschaftssysteme hervorragend mit Produktionssystemen (Manufacturing Execution System, MES) verbinden, um doppelte Datenhaltung und Papierverkehr abzubauen.

Damit sie sich besser auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können, übergeben Unternehmen bereits heute, neben Betrieb und Pflege von Infrastrukturen und Applikationen, auch komplette Geschäftsprozesse an Outsourcing-Dienstleister. Bei Atos stellen wir beispielsweise unser Einkaufswissen im Rahmen von Global Procurement Services zur Verfügung. Das reicht von der Beratung in Beschaffungsfragen bis hin zum Aushandeln von strategischen Rahmenverträgen.

Das komplette Rechenzentrum von demselben Hersteller, die homogene IT-Landschaft als Ideal - das war gestern. In Zukunft geht es darum, die richtige (IT-)Lösung für den Geschäftsprozess zu finden. Sie kann sich aus Cloud-Anwendungen, On-Premise-Systemen und BPO (Business Process Optimization) zusammensetzen.

Wenn ich beispielsweise Turnschuhe produziere, habe ich mein MES vielleicht in meinem Rechenzentrum laufen und die integrierten ERP- und PLM-Lösungen (Enterprise Resource Planning und Product Lifecycle Management) beziehe ich aus der Cloud. Den Einkaufsprozess für bestimmte Hilfsmittel, wie zum Beispiel Ersatzteile für Maschinen, habe ich im Rahmen eines Procurement-BPO-Abkommens an einen spezialisierten Dienstleister vergeben. Das ist die Herausforderung der CPOs (früher: CIOs) und der Process-Dienstleister: Nur der effiziente, reibungslos laufende Prozess zählt, die Applikationen und Dienste dahinter orientieren sich am Unternehmen, nicht umgekehrt.

Was haben schicke neue Sportschuhe und IT-Services im Jahr 2021 und vielleicht schon heute gemeinsam? In beiden Fällen sorgen industrialisierte (Herstellungs-)Prozesse für eine weltweit gleich hohe Qualität bei einem günstigen Preis. Die Industrialisierung hat in der Fertigungsindustrie im vergangenen Jahrhundert ungeahnte Produktivitätsfortschritte gebracht. Was heute noch in den Kinderschuhen steckt, wird auch im Dienstleistungssektor bald Realität. Im Jahr 2021 hat die IT-Dienstleistungsbranche diesen Wandel ebenfalls teilweise hinter sich. Viele Unternehmen industrialisieren ihre Prozesse zwar heute schon, meistens aber nur in der Infrastruktur- und noch nicht auf der Applikations- oder gar Kernprozessebene.

Auf dem Weg zu einer effizienten Service-Organisation werden erfolgreiche Anbieter in den nächsten Jahren von der Industrie lernen: Es gilt, Prozesse stringent zu standardisieren und zu automatisieren sowie Services zu modularisieren und kontinuierlich zu verbessern. Die Verwendung von Qualitätskonzepten wie Six Sigma aus der industriellen Fertigung wird im Jahr 2021 auch in der Entwicklung von IT-Dienstleistungen und Prozessen Standard sein. Das setzt voraus, die Serviceprozesse im Hintergrund so weit wie möglich zu automatisieren und auf effiziente Arbeitsteilung zu setzen. Ein Beispiel dafür ist unter anderem die Application-Management-Organisation bei Atos, die virtuell und international angelegt ist.

Einsatz von Knowledge-Management-Tools wie SharePoint

"Von den Besten lernen" - das wird in Zukunft ein marktentscheidendes Prinzip für IT-Consultants. Ich bin überzeugt, dass gut funktionierende Knowledge-Management-Systeme immer stärker zu einem Wettbewerbsvorteil werden. In unserem Expertensystem setzen wir schon heute stark auf Wissensmanagement-Tools. So vermitteln sich in einigen Geschäftsbereichen die Mitarbeiter ihr Wissen und ihre Fachkompetenz gegenseitig nach einer festgelegten Vorgehensweise über SharePoint, und zwar standortübergreifend weltweit. Im Jahr 2021 gehören solche Systeme zum Standard, so wie heute die Projektbesprechung.

Knowledge-Management lebt natürlich von kontinuierlichem Input und der Pflege neuen Wissens und wird daher auch in Zukunft Anreizsysteme brauchen. Entscheidend ist aber, dass die Verantwortlichen im Rahmen eines konsequenten Change Managements den Austausch von Wissen vorleben und transparent kommunizieren. So motivieren sie die entscheidenden Know-how-Träger, die Consultants vor Ort und die IT-Experten im Backoffice zur Weitergabe ihres Wissens. Wie auch Mahatma Gandhi schon erkannt hat: "Be the change you want to see in the world".

Soziale Netzwerke spielen bei Knowledge-Management-Systemen in Zukunft eine wichtige Rolle. Der Prozessberater von morgen nutzt Unternehmenswikis, Blogs beziehungsweise Expertenforen. Die Möglichkeiten für einen schnellen und unkomplizierten Wissensaustausch sowie für die länder- oder abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist dank entsprechender IT-Technologien bereits heute gegeben.

So lässt sich mit dem Einsatz von Videomaterial in themenspezifischen Blogs zum Beispiel so manche kurze Schulung attraktiver gestalten. Oder durch konkrete finanzielle Anreize die Weitergabe des eigenen Wissens in einem Wiki fördern. Wichtig ist dabei, dass diese Tools einfach zu nutzen sind und auch Spaß machen. Die Unternehmen sollten deshalb nicht nur Social-Media-Guidelines entwickeln, sondern konkrete Strukturen, mit denen sie soziale Netzwerke zur Wissensgenerierung nutzen können.

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Foto: IDG Business Media GmbH

In eingeschränktem Maße sind auch externe soziale Netzwerke zum Wissensaustausch geeignet. Hier können die Unternehmen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zunächst einmal steigern sie den Bekanntheitsgrad ihres Unternehmens und seiner Dienstleistungen. Vor allem aber treten sie mit ihren Zielgruppen in den Dialog und nehmen Feedback direkt auf. Auf diese Weise können sie die Kunden in die Verbesserung ihrer Dienstleistungen aktiv einbinden. So haben wir beispielsweise schon heute Kompetenzgruppen zum Thema Application Management gegründet - unter anderem auf der Competence Site, auf LinkedIn oder auch auf XING.

Themenspezifische Communities halten Einzug ins Unternehmen

Im Jahr 2021 werden globale, themenspezifische Communities in den Unternehmen Standard sein. Und der Prozessberater beziehungsweise Process Designer wird unter anderem mithilfe von Social-Media-Tools gemeinsam mit dem Kunden die Arbeitsabläufe der Zukunft in einer flexiblen Arbeitsumgebung nach den Unternehmenszielen gestalten.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

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