Von wegen junge Nerds

So sind Hacker und Cyberkriminelle wirklich

27.04.2012 von Christiane Pütter
Das Klischee vom jungen, einzelnen Hacker trügt: Laut britischen Forschern ist Cyberkriminalität meist organisiertes Verbrechen - und die Täter oft über 35.
So sieht die Altersverteilung bei Cyberkriminellen laut London Metropolitan University aus.
Foto: London Metropolitan University/Detica BAE Systems

Sie sind jung und pickelig, lümmeln den ganzen Tag vor dem Rechner und haben keine Freunde - dieses Klischee vom Hacker hat wenig mit der Realität zu tun. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die Studie "Organised crime in the digital age: the real picture" des John Grieve Centre for policing and security. Dieses Centre ist der London Metropolitan University angeschlossen. Unterstützt wurde die Arbeit von dem britischen Anbieter Detica BAE Systems.

Dass die Studie mit gängigen Vorstellungen aufräumt, ist den Autoren klar. "It’s not who you think", schreiben sie. Nach eigener Darstellung haben sie rund 7000 Dokumentationen ausgewertet.

Mehr alte als junge Cyberkriminelle

Beispiel Alter: Eine relative Mehrheit von 43 Prozent der Cyberkriminellen sind älter als 35 Jahre. Elf Prozent haben die Fünfzig überschritten. Am anderen Ende der Skala stellen die 19- bis 25-Jährigen mit 21 Prozent nur ein gutes Fünftel des Feldes.

Stichwort IT-Skills: Man muss heute kein Computer-Genie mehr sein, um sich zum Cyber-Kriminellen zu entwickeln. Nach Aussage der Studienautoren finden Kriminelle beispielsweise genug "ready-made viruses" und andere Tools vor, die auch Nutzer mit durchschnittlichem Sachverstand missbrauchen können.

Die großen historischen Trends beim organisierten Verbrechen laut London Metropolitan University
Foto: London Metropolitan University/Detica BAE Systems

Die London Metropolitan University betrachtet Cyber-Kriminalität grundsätzlich als organisierte Kriminalität. 80 Prozent dieser Aktivitäten fänden als organisierte Form statt. Etwa die Hälfte der Gruppen zähle mindestens sechs Mitglieder.

Neue Ära organisierter Kriminalität

Für die Studienautoren ist das organisierte Verbrechen des digitalen Zeitalters eine neue Ära organisierter Kriminalität. Betrachte man die vergangenen hundert Jahre chronologisch, fielen vier Zeiträume auf: Die 1920er-Jahre, die 1940er-Jahre, die Jahre von 1970 bis Ende 1980 und heute.

Konkret: In den 1920ern organisierten sich Kriminelle vor allem um Alkohol, Glücksspiel und Schutzgelderpressung. Die 1940er waren in Folge des Zweiten Weltkrieges von Schwarzmarkt-Aktivitäten geprägt.

In der Zeit von 1970 bis Ende der 1980er baute das organisierte Verbrechen einen weltweiten Drogenhandel auf. Heute drehe es sich stark um digitale Kriminalität.

Aus Sicht der Forscher ist die IT dabei kein Selbstzweck. Illegales Glücksspiel etwa habe eben nur die Welten gewechselt - von der haptischen in die virtuelle.

Wirklich neue Verbrechensbereiche sehen die Forscher im digitalen Zeitalter nicht. Organisierter Diebstahl von geistigem Eigentum zum Beispiel habe seine physische Entsprechung in Produktfälschung und Falschmünzerei.

Kein Rückgang der Cyberkriminalität zu erwarten

Die London Metropolitan University erwartet keinen Rückgang organisierter Cyberkriminalität - die Verbreitung von Computertechnologie nimmt schließlich in allen Lebensbereichen zu. Wichtig ist den Forschern ein Verständnis dafür, dass das Verbrechen im Zeitalter des Internet nicht neu erfunden wird. Es entstehe keine grundsätzlich neue Qualität.