Service-orientierte Architekturen in der Diskussion

SOA lohnt sich nur für die wenigsten Firmen

04.09.2006 von Thomas Mach/CW.at
Die Hersteller und Anbieter versprechen eine dynamische, flexible IT, die sich agil und optimal an die Bedürfnisse der Anwenderunternehmen anpasst und einen klaren Wettbewerbsvorteil bietet. Die Anwender wiederum wissen teilweise nicht einmal, was sich dahinter verbirgt: Service-orientierte Architekturen (SOA) spalten die Branche.

"Wer braucht überhaupt SOA", fragt beispielsweise der Geschäftsführer eines heimischen Mittelständlers. Die Antwort darauf fällt weit differenzierter aus als erwartet. "Im Grunde ist SOA nur für einen kleinen Teil des Gesamtmarkes interessant. Und zwar für alle Unternehmen, die sich in dynamischen Märkten bewegen und stark wachsen", erläutert Stefan Stille, Manager Business Consulting beim ERP-Anbieter SSA Global. Auf alle europäischen Unternehmen bezogen sei SOA für maximal zehn bis zwanzig Prozent interessant. "So genau kann man das aber nicht sagen", relativiert Stille. Es komme auf das jeweilige Unternehmen an, welche Anforderungen sich aus dem Geschäftsalltag heraus ergeben würden und welche Prozesse dafür genutzt würden.

"Was fehlt, ist das Wissen und Verständnis beim Kunden", erklärt Carl Greiner, Senior Vice President Infrastructure, Software und IT-Services bei Ovum. Greiner zufolge hätte der überwiegende Teil der potenziellen Kunden gar keine Ahnung, welche Geschäftsprozesse unternehmensintern vorhanden sind und genutzt werden. "Hier ist Übersetzungs- und Überzeugungsarbeit gefragt", betont Michael Väth, Senior Vice President und General Manager EMEA bei Hitachi Data Systems. Und ergänzt: "Das ist mit ein Grund dafür, warum wir momentan verstärkt Consultants einstellen."

Einer der gravierendsten Treiber von SOA ist derzeit die Kostenfrage. "CIO und IT-Manager stehen heute - wie auch schon die letzten Jahrzehnte - vor der Herausforderung, die IT-Kosten unter Kontrolle zu bekommen, die Qualität der IT zu verbessern und rasch auf neue Anforderungen der Fachabteilungen zu reagieren", erläutert Christoph Cerny, bei Capgemini Österreich/CEE für IT-Architektur verantwortlich. Die Komplexität und Heterogenität habe sich zumeist durch einen unkontrollierten Wildwuchs ergeben. Das bessere Business-/IT-Alignment werde vor allem dadurch verstärkt, dass Unternehmen heute zumindest eine Basis an IT-Infrastruktur und Applikationen benötigen, um überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. "Im Grunde brechen SOA monolithische Applikationen in unterschiedlichen Schichten auf und bieten Services an."

Dieses Konzept sollte, betont Cerny, jedoch nicht nur auf einzelne Applikationen beschränkt sein, sondern müsse unternehmensweit gesehen werden und abteilungsübergreifende Prozesse umsetzen. "In diesem Fall sprechen wir von der Service oriented Enterprise (SOE), wobei SOE nicht nur Applikationen sondern auch die Technologie-Infrastruktur abdeckt - die so genannte Service orientierte Infrastruktur (SOI). SOI besteht im Wesentlichen aus der Virtualisierung der Infrastruktur-Ressourcen, die an die Bedürfnisse der gerade ausgeführten Geschäftsprozesse angepasst werden."

Erfolgsfaktor: Zusammenspiel zwischen der IT und den Fachabteilungen

Ein Nutzen durch den Einsatz von SOA kann aber nur von IT und Fachabteilungen gemeinsam erzielt werden, erklärt Cerny. "Serviceorientierung ist ein übergreifendes Strukturprinzip. Wie schon der Begriff deutlich macht, geht es um eine Orientierung. Die Einstellung der Fachabteilungen zu einer übergreifenden Harmonisierung von Geschäftsprozessen und der Wille der IT aus dem starren Auftraggeber / Aufragnehmer-Rollenmodell auszubrechen."

Mit dem Ziel Business-/IT-Alignment müssten Strukturierungsimpulse der Service-Orientierung konsequent von oben nach unten erfolgen. "Nur so lassen sich Prozesse und zugehörige Services identifizieren. Kritisch für den Erfolg ist daher der Schulterschluss zwischen Fachabteilungen und IT, um gemeinsam die richtigen fachbereichs- und produktübergreifenden Business-Services (SOE) zu definieren." Die IT realisiere und komponiere aus diesen fachlichen Anforderungen dann mit herstellerübergreifend etablierten Standards die Services und verwaltet diese.

Service-Orientierung gebe also einen Weg vor, wie Fachabteilungen und IT auf Basis einer gemeinsamen Gesamtarchitektur den Herausforderungen erhöhter Anpassungsfähigkeit begegnen können. "Sie stellt den inhaltlichen Kern dar, der künftig den Dialog zwischen Fachabteilung und IT über spezifische Anforderungen bestimmen muss", erklärt Cerny. Die Zusammenarbeit für diesen gemeinsamen Verantwortungsbereich bedürfe aber klarer Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse entlang des Service-Lebenszyklus von der Definition des Umfangs der Services, seiner technischen Realisierung, seiner Einführung, seiner laufenden Wartung, seiner Wiederverwendung, seiner verursachungsgerechten Leistungsverrechnung bis hin zu seiner Einstellung.

"Das eigentliche Potential von SOA liegt nicht in einer technischen Innovation, sondern in den Chancen eines fachlichen Strukturierungsprinzips, das Anforderungen an die IT mit der Sprache der Fachabteilung definiert. Business- /IT-Alignment bedeutet nicht zuletzt, dass nur dort, wo Bereitschaft zu übergreifender Zusammenarbeit besteht sowie Wiederverwendung und Komplexitätsreduktion durch Kapselung auf der Bestellliste des Auftraggebers steht, der Auftragnehmer das auch liefern wird", betont Cerny.

Fehle ein derartiges Rollenverständnis, werde die SOA den Anforderungen nicht gerecht. "Es ist viel mehr zu befürchten, dass der Mehrwert der Service-Orientierung auf Grund mangelnder Governance im politischen Kompetenzgerangel und im rein technischen Dialog untergeht", erklärt Cerny. "Aus Projekterfahrung heraus empfiehlt es sich, den Weg zur SOA pragmatisch zu beschreiten. Man muss die Ist-Situation transparent machen, alle Schritte langfristig planen und mit einem Piloten Erfahrungen sammeln. Gelingt dieser erste Schritt, so führen die Potentiale, die vor allem in einer verbesserten Time to Market sowie abteilungsübergreifend harmonisierten Prozesse und einer höheren Effizienz durch Wiederverwendung liegen."

Klare Vorstellung der fachlichen Zielarchitektur

Um die Erwartungen an eine SOA bezüglich einer höheren Flexibilität in den Geschäftsprozessen und der Reduktion von IT-Kosten nach einer initialen Investition zu ermöglichen, sei laut Cerny neben einer guten Planung eine klare Vorstellung über die fachliche Zielarchitektur von entscheidender Bedeutung. "Die Wirkung der IT für den Geschäftserfolg eines Unternehmens hängt maßgeblich von der Erfüllung zweier Rollen ab: Einerseits muss die IT als reaktionsfähige und effiziente Plattform dienen, die auf fachliche Anforderungen rasch, effizient und qualitativ hochwertig reagieren kann. Andererseits soll die IT auch ein Unterstützer strategischer Geschäftsinitiativen sein, im Sinne von Ausrichtung der IT-Strategie an die Unternehmensstrategie und im Sinne der Nutzung von Geschäftschancen durch innovative IT."

Um diese Rollen zu erfüllen, müsse die IT mindestens folgende Eigenschaften erfüllen: Sie müsse agil sein, um dauerhaft und effektiv neue Anforderungen der Fachabteilungen zu unterstützen, zudem sollte sie wirtschaftlich sein, sprich es muss Effizienz im Leistungsangebot gegeben sein. Darüber hinaus müsse Sicherheit geboten werden. "Zum Schutz vor Störungen in der Leistungserbringung", wie Cerny erläutert.

"Architektur als geeignete Gestaltung der Anwendungslandschaft kann dabei als Hebel in allen drei Teilbereichen wirken. Wer als IT-Architekt unternehmensweite Anwendungslandschaften gestaltet, sieht sich dadurch häufig mit verschiedenen Fragestellungen konfrontiert, zu denen er Antworten kennen muss, um daraus Konsequenzen für die Definition der Anwendungslandschaft und den damit verbundenen Services ableiten zu können."

Diese Fragen würden bei der Unternehmensstrategie beginnen. "Die Fragen haben vordergründig erst einmal nichts mit IT zu tun: Mit welchen Produkten tritt das Unternehmen auf welchen Märkten, über welche Wege und mit welcher Fertigungstiefe auf? Was sind mögliche Veränderungen in der mittelfristigen Zukunft?"

Weitere Fragen würden sich im Bereich der Geschäftsprozesse stellen. Hier sollte etwa gefragt werden, was die für die Unternehmenziele benötigten Funktionen sind oder wie Abläufe strukturiert werden.

Und letztlich würden die Fragen das Thema der Informationsverarbeitung erreichen: Was sind die Anforderungen an Informationsverarbeitung und -austausch? Wie ist die Information in idealer Weise zu strukturieren und zu verwalten? Welche manuellen und automatisierten Prozesse müssen verbunden werden?

Für die Gestaltung der Anwendungslandschaft sei es wichtig zu wissen, was davon prägend für das Unternehmen ist und was realistische Szenarien für Veränderungen in der Zukunft sein können.

"Ein Geschäftsprozess ist eine funktions- und stellenübergreifende Folge von Aktivitäten zur Erreichung eines geplanten Zieles im Unternehmen. Er dient direkt oder indirekt der Erzeugung einer Leistung für einen Kunden. Aus Geschäftsprozessen und im Speziellen den Aktivitäten können IT-Architekten ableiten, welche Teile des Geschäfts sinnvoll mit IT unterstützt werden und welche Informationen dabei erzeugt, benötigt und ausgetauscht werden", erklärt Cerny.