Gefahr des Kontrollverlusts

Social Media schafft neue Spielregeln

18.05.2011 von Hartmut Lüerßen
Unternehmen sollten Teams bilden, die soziale Netzwerke monitoren und dabei notfalls Eskalation und Krisenkommunikation steuern, meint Hartmut Lüerßen von Lünendonk.
Hartmut Lüerßen ist Partner bei der Lünendonk GmbH.
Foto: Lünendonk GmbH

Die Zeit, die Menschen online und in Sozialen Netzwerken verbringen, nimmt zu. Bei den sogenannten Digital Natives, die mit PC, Handy und Internet aufgewachsen sind, ist die Online-Zeit typischerweise deutlich größer als die Zeit, die sie vor dem Fernseher verbringen. Das Benutzer- und Kundenverhalten verändert sich. Dieser Entwicklung folgt das Geld: Die Budgets für Online-Marketing wachsen überproportional.

Mit der steigenden Bedeutung von Social Media stellen sich Unternehmen daher die Frage, wie sie Web-2.0-Technologien und Soziale Netzwerke für sich nutzen können, um besser mit ihren Zielgruppen zu interagieren oder die eigene interne Zusammenarbeit zu verbessern.

Erst ausprobiert, dann erfolgreich

Waren die vergangenen Jahren stark durch ausprobieren geprägt, haben sich inzwischen über die Steigerung der Markenbekanntheit hinaus verschiedene erfolgreiche Einsatzgebiete und Anwendungen herauskristallisiert.

Die Bandbreite erfolgreicher Anwendungsmodelle von Social Media Marketing zieht sich durch alle Unternehmensbereiche und reicht dabei vom Einbeziehen ausgesuchter Kunden in die Produktentwicklung über die Kundenpflege bis hin zur Neu-Interpretation der Mund-zu-Mund-Propaganda durch den Aufbau eigener Communities oder die Kooperationen mit Bloggern, die positive Produktbewertungen schreiben.

Im Personalwesen geht es um Rekrutierung und Wahrnehmung als Arbeitgeber. Für die externe Kommunikation und Wahrnehmung stehen je nach Zielgruppe die großen Plattformen wie Facebook, Youtube, Myspace oder Xing im Fokus.

Intern helfen virtuelle Team-Umgebungen bei der verteilten Teamarbeit, in der IT unterstützen beispielsweise Wikis und Wissensmanagement-Systeme die Mitarbeiter im IT Service Management bei der Steigerung der Fehlerbehebungsquote. Aber auch die Interaktion mit den Anwendern zur Verbesserung der Servicequalität lässt sich verbessern.

Ziele für Social-Media festlegen

Damit Social-Media-Marketing zum Erfolg werden kann, müssen sich die Unternehmen mit der Wirkungsweise der Social-Media-Kommunikation auseinandersetzen und konkrete Ziele definieren. Die Ziele, die das Unternehmen in den verschiedenen Unternehmensbereichen mit Social-Media-Marketing erreichen will, sollten dann in die Bereichsstrategien integriert werden.

Ähnlich wie die IT als Prozess-Betreiber wichtige Unterstützung für die Fachbereiche bei Prozess-Verbesserungen beitragen kann, sollte der Bereich Marketing und Kommunikation bei der Entwicklung der Social-Media-Strategien eingebunden werden. Denn allen an der neuen Außenkommunikation beteiligten Mitarbeitern sollte bewusst sein, dass sie in den Foren und Plattformen bildlich gesprochen einen eingeschalteten Lautsprecher mit automatischem Archiv bedienen.

Unternehmen, die sich entschließen, sich über Soziale Netzwerke mitzuteilen, öffnen gewissermaßen den "Rückkanal" ihrer Kommunikation. Sie bekommen dadurch anderes, direkteres Feedback. Mitunter wird auch in diesem Zusammenhang von einer Veränderung des Benutzerverhaltens gesprochen, wobei dies fraglich ist. Denn Kunden und Benutzer haben sich schon immer über ihre Erfahrungen mit Dienstleistungen und Produkten ausgetauscht. Über die Social-Media-Technologien wird dieses Verhalten nur anders kanalisiert, transparenter und besser messbar.

Um relevante Trends frühzeitig erkennen und reagieren zu können, haben viele Unternehmen - nicht nur im Bereich Business to Consumer - Teams für das Beobachten(Monitoring) von sozialen Netzwerken, Blogs und Foren aufgebaut. Sinnvoll ist es zusätzlich, die Eskalationswege und Krisenkommunikationspläne der neuen Kommunikationswelt anzupassen.

Kurze Reaktionszeit

Denn nicht nur die Reaktionszeit schrumpft, wie sich am Beispiel der Plagiatsaffäre von Karl-Theodor zu Guttenberg gut nachvollziehen lässt.

In der Praxis sind diese Social-Media-Monitoring-Teams organisatorisch häufig im Bereich Marketing und Kommunikation angesiedelt, was aus fachlicher Sicht auch sinnvoll erscheint. Doch diese Teams sind auf die Unterstützung aller Mitarbeiter des Unternehmens angewiesen. Denn trotz automatischer Alerts zu einer Fülle von Suchbegriffen und der Kenntnis wichtiger Informationsquellen sind die Mittel meist begrenzt.

Von daher gilt es, die Mitarbeiter insgesamt zu sensibilisieren und feste Ansprechpartner zu definieren, die dafür sorgen, dass Kundenberichte über Produktprobleme, Beschimpfungen in Foren oder Blogs oder besonders kritische Ergebnisse von Zufriedenheitsbefragungen schnell und mit hoher Kompetenz und Befugnis eskaliert werden können.

Kontrollverlust vorhanden

Es zeigt sich, Social Media Marketing erzeugt teilweise erhebliche Veränderungen in der Art und Weise, wie die Kommunikation wirkt und wie sie organisiert werden sollte. Ein gewisser Kontrollverlust kann gefühlt vorhanden sein. Angesichts der besseren Früherkennungsmöglichkeiten dürfte der Kontrollverlust für die Unternehmen, die das Thema Resonanz in sozialen Netzwerken ignorieren, jedoch viel größer sein.

Es zeigt sich aber auch: Unternehmen, die die Regeln guter Kommunikation im Sinne von Relevanz, Kontinuität, Qualität, Offenheit und Authentizität leben, haben große Chancen, durch mehr Resonanz zu profitieren.

Hartmut Lüerßen ist Partner bei der Lünendonk GmbH.