Usability

Software erfüllt ihren Zweck - aber nicht mehr

30.10.2014 von Manfred Thüring und Daniel Postert
Software erfüllt in der Regel ihren Zweck, aber längst nicht so effizient, wie sie es könnte. Manfred Thüring über Gebrauchstauglichkeit als Wettbewerbsfaktor.

Wann haben Sie das letzte Mal eine Reisekostenabrechnung gemacht? Stellt Ihr Unternehmen dazu eine Software zur Verfügung? Und falls ja, hat es Spaß gemacht sie zu benutzen? Oder einfacher: Hatten Sie das Gefühl, dass Ihnen dadurch Arbeit und Stress erspart wurde? Auch wenn dies nur ein sehr spezifisches Beispiel ist, lassen sich diese Fragen für beliebige andere betriebliche Software-Produkte stellen.

Usability: Pioniere sind noch immer die Ausnahme
Foto: peshkova, Fotolia.com

Software erfüllt zwar in der Regel ihren Zweck, aber leider unterstützt sie uns oft nicht so effektiv und effizient, dass wir mit ihr zufrieden sind. Dass mangelnde Usability (Gebrauchstauglichkeit) betrieblicher Software uns bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben behindert, hat sicherlich jeder schon einmal erlebt. Um so erstaunlicher ist es, dass viele deutsche Software-Unternehmen dieses Qualitätsmerkmal nicht als wichtigen Wettbewerbsfaktor erkennen.

Dies zeigte zumindest eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanzierte Studie des Instituts für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim. Darin attestieren die Mannheimer Wissenschaftler den kleineren und mittelständischen Software-Herstellern einen geringen bis bestenfalls mittleren "Usability-Reifegrad". Weder haben diese Unternehmen die notwendige Expertise in Sachen Usability-Optimierung noch sind in ihrem Entwicklungsprozess Usability-Evaluationen systematisch berücksichtigt.

Da gleichzeitig das Thema Gebrauchstauglichkeit auf Seiten der Anwender ein Aspekt ist, der zunehmend Beachtung findet, wundert es wenig, dass solche Hersteller, die nach eigenen Angaben bereits Usability-Maßnahmen praktizieren, positive Auswirkungen auf Kundenzufriedenheit und Umsatzentwicklung verzeichnen.

Informationen und Daten visualisieren - Beispiele -
OECD Better Life Index
Der OECD Better Life Index visualisiert die gefühlte Lebensqualität verschiedener Länder anhand von elf Themenfeldern.
Cholera Map
Der Londoner Arzt Dr. John Snow kartografierte schon 1854 den Wohnort von Cholera-Erkrankten und verzichtete bei seiner Darstellung sinnvollerweise auf jegliche topografische Details.
Wind Map 1
Bei "Wind Map" erzeugen viele animierte Punkte ein dynamisches Muster...
Wind Map 2
... durch das auf spielerische Art eine Strömungssimulation erzeugt wird.
Global Forest Change
Das größte Problem, das "Global Forest Change" innewohnt, ist die unglückliche Farbwahl - zugewonnene Waldflächen werden blau auf schwarz dargestellt und sind kaum erkennbar. Die Verluste, die in rot gehalten sind, fallen viel stärker ins Gewicht und verzerren die Wahrnehmung des Betrachters.
Dencity
"Dencity" veranschaulicht die weltweite Bevölkerungsdichte: Je kleiner und dichter die Ansammlung an Kreisen, desto dichter besiedelt ist ein bestimmter Fleck der Erde.
Nike City Runs
New York City für Läufer: An welche Straßenabschnitten sollte stärker auf Fußgänger und Jogger hingewiesen werden? Wo werden neue Fußgängerbrücken oder Zebrastreifen benötigt?
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Wer ist am 20. Juli 2013 mit dem "Strava GPS Tracker" wo und wie viel gelaufen? Diese interaktive Karte gibt Antworten.
2013 Year in NikeFuel 1
Auch das Projekt "2013 Year in NikeFuel" gibt den Nutzern des Nike-Fitness-Trackers die Möglichkeit, sich genau über die jeweils gemessenen Werte zu informieren.
2013 Year in NikeFuel 2
So sind beispielsweise individuelle Fitnesspläne genau kontrollierbar.
Dissecting a Trailer - Beasts of the Southern Wild
Filmtrailer sollen den Zuschauern Appetit auf den nächsten Kinohit machen. Häufig halten die Filme dann aber nicht das, was die Trailer versprechen. Die New York Times nimmt aktuelle Trailer genauer unter die Lupe. Unter anderem "Beasts of the Southern Wild"...
Dissecting a Trailer - Silver Linings Playbook
... und "Silver Lignings Playbook".
The Refugee Project 1
Wie haben sich die Flüchtlingsströme der Erde in den vergangenen Jahren entwickelt? Das zeigt das "Refugee Project" auf.
The Refugee Project 2
Zum einen lassen sich die besonders betroffenen Regionen anschaulich machen...
The Refugee Project 3
... zum anderen aber auch einzelne Staaten ganz besonders unter die Lupe nehmen.

Pioniere dieser Art sind allerdings hierzulande immer noch die Ausnahme. Die wirtschaftlichen Risiken, die sich daraus sowohl für Anbieter als auch für Anwender ergeben, fasst die Mannheimer Studie prägnant zusammen:

"Erstens besteht die Gefahr, dass kleine und mittelständische Softwareproduzenten gegenüber größeren und / oder internationalen Wettbewerbern ins Hintertreffen geraten. Zweitens kann eine unterentwickelte Usability die Erzielung von Effizienzvorteilen bei anwendenden Unternehmen verhindern."

Um diesen Risiken zu begegnen, rief das BMWi im Jahr 2011 die Förderinitiative Einfach intuitiv - Usability für den Mittelstand ins Leben. Das erklärte Ziel der Initiative besteht darin, für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) geeignete Vorgehensmodelle zu entwickeln und zu erproben, mit deren Hilfe die Einbeziehung von Usability-Kriterien während des gesamten Entwicklungs- und Auswahlprozesses betrieblicher Anwendungs-Software sichergestellt werden kann.

Dieses Ziel wird in derzeit 13 Usability-Projekten in unterschiedlichen Bereichen betrieblicher Software verfolgt. Hierzu zählen beispielsweise Usability-Maßnahmen für ERP- und CRM-Systeme ebenso wie solche für neue mobile Anwendungen auf unterschiedlichen Endgeräten. Um ihre Forschungsergebnisse in die Praxis zu überführen, positionieren sich die meisten der Projekte als Kompetenzzentren, die aktiv Wissenstransfer betreiben, indem sie KMU über Usability-Methoden informieren und ihnen in Pilotprojekten die Möglichkeit geben, diese Methoden auf eigene Produkte anzuwenden.

Kompetenzzentren in ganzen Deutschland

Die Kompetenzzentren sind über das gesamte Bundesgebiet verteilt. Eines davon ist UseTree, das Berliner Kompetenzzentrum für Usability-Maßnahmen. Es wird von vier Projektpartnern betrieben: der Technischen Universität Berlin als Konsortialführer sowie dem Büro für Arbeits- und Organisationspsychologie GmbH, der Universität der Künste und Berlin Partner für Wirschaft und Technologie.

Im Rahmen dieser Kolumne möchten wir Ihnen einen Einblick in die Forschungsaktivitäten sowie die praktischen Tätigkeiten von UseTree geben. Dabei werden Sie mehr über innovative Vorgehensmodelle, effiziente Usability-Methoden und Praxisbeispiele erfahren. In der nächsten Kolumne wird es demnach darum gehen, wie Usability-Projekte initiiert werden sollten, um auch Skeptiker in einem Unternehmen von deren Nützlichkeit zu überzeugen.