Minizinsen und Digitalisierung

Sparkassen auf Strategiesuche

27.04.2016
Zinstief, teure Regulierung, schlecht ausgelastete Filialen - Deutschlands Sparkassen kämpfen an vielen Fronten. Die absehbar niedrigen Zinsen zwingen die Institute ebenso zum Gegensteuern, wie der Wunsch ihrer Kunden nach moderneren Bankangeboten.

Zahlen die Kunden von Banken und Sparkassen mit höheren Gebühren für das Zinstief? Wie gelingt der Spagat zwischen Präsenz vor Ort und modernem digitalen Angebot? Antworten erhofft sich die Branche vom Sparkassentag in Düsseldorf (27./28.4.).

Ist die Filiale tot?

Immer mehr Kunden wickeln immer mehr Bankgeschäfte digital ab: Vom heimischen Computer aus, mit der App auf dem Smartphone, online per Videoberatung. Flächendeckende Filialnetze, wie sie Sparkassen und Volksbanken unterhalten, werden zum Kostenfaktor. "Der Kunde geht nicht mehr in die Geschäftsstelle", konstatierte vor einigen Wochen der bayerische Sparkassenpräsident Ulrich Netzer. Inzwischen komme ein Kunde im Schnitt nur einmal pro Jahr in eine Filiale, nehme aber 108 Mal jährlich online Kontakt auf. Bundesweit leisten sich die aktuell 409 Sparkassen laut nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) 14 451 (Vorjahr: knapp 14 900) Filialen - inklusive Selbstbedienungspunkten. Der Verband rechnet mit einer weiteren Ausdünnung des engmaschigen Netzes. Die Sparkassen in Bayern beispielsweise haben bereits angekündigt, in diesem Jahr bis zu 220 ihrer 2200 Geschäftsstellen zu schließen.

Ist der Sparkassenberater ein Auslaufmodell?

Ganz aufgeben wollen die Institute ihre Präsenz in der Fläche nicht. "Wir werden die Filialen am Ende immer unter zwei Überschriften prüfen: Der Kunde erwartet noch mehr Beratung, Beratungs-Know-how. Die reine Abwicklung gehört immer stärker der Vergangenheit an", sagte DSGV-Präsident Georg Fahrenschon im März. "Wir sehen einen klaren Trend unsere Filialen in Sachen Beratung noch stärker aufzuladen und zugleich den digitalen Kanal auszubauen."

Welche Rolle spielt die Niedrigzinsphase?

Sparkassen verdienten lange gut daran, für Kredite mehr Geld zu kassieren als sie ihren Kunden an Zinsen fürs Sparen zahlten. Doch die Differenz aus den beiden Positionen, der Zinsüberschuss, wird tendenziell kleiner, weil die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf Null gesenkt hat. Sorge bereitet vielen Instituten zudem, dass immer mehr Kunden Gelder kurzfristig parken - während bei Krediten möglichst lange Laufzeiten gefragt sind. Steigen die Zinsen wieder, könnten Kunden ihre Einlagen rasch abziehen.

Wie reagieren Banken und Sparkassen auf das Zinstief?

In der gesamten Branche wird an der Gebührenschraube gedreht. "Die Zeit von weiten Angeboten kostenloser Kontoführung ist aus meiner Sicht vorbei", sagte Fahrenschon im März. "Wir werden Leistungen bepreisen müssen - und zwar verursachergerecht." Auch die genossenschaftlichen Sparda-Banken stimmten auf Preissteigerungen "auf breiter Front" ein - etwa Gebühren für Überweisungen in Papierform oder die Girocard. Die Noch-Deutsche-Bank-Tochter Postbank arbeitet derzeit an einem neuen Preismodell. Postbank-Chef Frank Strauß sagte der "Welt am Sonntag", ob das Girokonto kostenlos bleibe, könne er noch nicht sagen. Die Commerzbank will ab 1. Juni von Kunden des bislang kostenlosen Girokontos, die Papierbelege einreichen, eine Gebühr von 1,50 Euro pro Überweisung verlangen.

Müssen Privatkunden auf breiter Front auch mit Strafzinsen rechnen?

Noch scheut sich die Branche davor, die Parkgebühr, die ihnen die EZB aufgebrummt hat, an Privatkunden weiterzureichen. Sparkassen-Präsident Fahrenschon mag nicht einmal den Begriff "Strafzins" in den Mund nehmen. Der ehemalige bayerische Finanzminister betont: "Entscheidend ist, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um diesen verheerenden Effekt der Niedrigzinspolitik nicht beim privaten Sparer ankommen zu lassen." Auch die Volks- und Raiffeisen zeigen sich bislang eisern: "Wir werden versuchen, das Thema Negativzinsen unseren Privatkunden nicht zuzumuten", sagt der Präsident des Dachverbandes BVR, Uwe Fröhlich.

Wie sieht die Praxis aus?

Die Sparkasse Oberhausen - ein mittelgroßes Institut - schreckte Mitte März mit der Ankündigung auf, sie schließe Strafzinsen für reiche Privatkunden nicht mehr grundsätzlich aus. Betroffen wären aber nur Kunden, die Geldbeträge im siebenstelligen Bereich anlegen wollen, erklärte ein Sprecher. Denkbar seien in solchen Fällen künftig Verträge, die Strafzinsen erlaubten. Der Sprecher betonte: "Da wird kein privater Sparkunde in absehbarer Zeit betroffen." Bereits im Herbst 2014 hatte die Deutsche Skatbank in Thüringen für Aufsehen gesorgt, weil sie EZB-Strafzinsen an ihre Kunden weitergibt - allerdings bis heute nur dann, wenn die Einlagen eines Kunden bei dem genossenschaftlichen Institut drei Millionen Euro überschreiten.

Zahlen Bankkunden die Zeche für das Zinstief?

Ein Trost: Völlig freie Hand haben die Institute beim Thema Gebühren nicht - gerade in einem so umkämpften Markt wie Deutschland. "Wer zu stark an der Gebührenschraube dreht, wird angesichts des starken Wettbewerbs allerdings Kunden verlieren", erklärt Frank-Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Für zusätzliche Konkurrenz sorgen junge FinTechs, die online auf Kundenfang gehen. Die niedrigen Zinsen haben auf der anderen Seite auch Vorteile für Verbraucher: Kredite, etwa für die Baufinanzierung oder den Autokauf, sind aktuell extrem günstig zu haben. (dpa/ad)