Work Life Balance

Ständige Erreichbarkeit angeblich kein Problem

15.02.2013 von Christoph Lixenfeld
Jeder Zweite ist auch abends erreichbar, so das Ergebnis einer Forsa-Studie. Bemerkenswert sind die festgestellten Unterschiede zwischen Alt und Jung.
Freizeit ohne Handy ist für die Meisten eine Seltenheit.
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Man gewöhnt sich an alles. Dass mittlerweile mehr als die Hälfte der Deutschen auch in der Freizeit, am Wochenende oder im Urlaub erreichbar ist, überrascht nicht wirklich, wohl aber die Tatsache, dass dies für die Meisten kein Problem mehr ist: Nur ein Drittel derjenigen, die erreichbar sind, fühlen sich davon gestört.

Ermittelt hat das die CosmosDirekt-Versicherung in seiner 'Flexibilitätsstudie'. Zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa befragte der Versicherer 1501 Personen zwischen 18 und 65 Jahren zu ihrer Lebenssituation und zum Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit.

Starre Arbeitszeitmodell sind unter den Befragten keineswegs mehr eine Selbstverständlichkeit, 45 von ihnen können sich ihre Zeiten innerhalb eines Fensters selbst einteilen, 15 Prozent sind hier sogar komplett frei.

Jüngere haben weniger Spielraum als Ältere

Interessanterweise haben Jüngere hier weniger Spielraum als Ältere: Unter den 18- bis 34-Jährigen können sich nur sieben Prozent die Arbeit komplett frei einteilen, bei den 50- bis 65-Jährigen sind es 20 Prozent.

Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder:
"Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen."
Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten."
Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden."
Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder:
"Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie."
Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge:
"Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten."
Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder:
"Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden."
Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind:
"Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind."
Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder:
"Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."

Insgesamt wünschen sich 60 Prozent derjenigen, die fest vorgegebene Arbeitszeiten haben, mehr Flexibilität. Zwischen den Altersgruppen gibt es hier nur geringe Unterschiede.

Work Life Balance ist unausgeglichen

Viele Arbeitnehmer sind auch zu Hause ständig erreichbar.
Foto: Regus

Beim Thema Work Life Balance besteht erheblicher Optimierungsbedarf. Mehr als jeder Dritte (35 Prozent) sieht diese Balance in Richtung Arbeit verschoben, bei neun Prozent dominiert die Arbeit sogar deutlich.

Frau haben es besser als Männer: Während 47 Prozent der weiblichen Befragten ihre Work Life Balance als ausgewogen bezeichnen, sind es bei den Männern nur 35 Prozent.

Interessant sind die Geschlechterunterschiede bei den Antworten auf die Frage, ob sich die Menschen mehr Flexibilität wünschen, vor allem bei den Jungen: Unter den 18-34-Jährigen wissen 65 Prozent der Frauen schon zu Beginn der Woche gerne, was auf sie zukommt, bei den Männern gleichen Alters sind es lediglich 44 Prozent. "Generell lässt sich sagen: Frauen werden mit dem Alter deutlich spontaner, bei den Männern ist die Spontanität im Alter dagegen leicht rückläufig", schreiben die Autoren der Studie.

Generation Y ist Privatleben wichtiger

Bemerkenswerte Unterschiede zeigt auch die Betrachtung der Wünsche in den Unterschiedlichen Altersgruppen. Die sogenannte Generation Y, also die ca. ab 1980 Geborenen, ist keineswegs stramm auf Karriere aus. Anhand einer Skala von 1 bis 5 befragt, welche Bedeutung für sie Arbeit und Freizeit hat, stellen die Jüngeren ihr Privatleben deutlich häufiger in den Vordergrund als die Älteren.

Junge brauchen Gewissheit

Mindestens ebenso spannend ist das Ergebnis bezüglich der sich verändernden Flexibilität. Das Klischee, die Menschen würden im Laufe ihres Lebens immer unbeweglicher, bestätigt sich keineswegs.

54 Prozent der 18- bis 34-Jährigen wissen gerne schon zu Beginn der Woche, was sie erwartet, bei den Älteren sind es lediglich 47 Prozent. Vielleicht liegt das daran, dass Ältere aus Erfahrung wissen, welch geringe Halbwertzeit die meisten Gewissheiten haben.